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Wie läuft's auf dem Jungsklo?

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Die Mädchenfrage

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Wie es auf einem öffentlichen Mädchenklo zugeht, weiß ja so ungefähr jeder, dafür sorgen lustig gemeinte Kolumnen in Frauenzeitschriften. Immer voll, daher verbunden mit viel Anstehen. Mädchen drängen sich zu viert auf eine Kabine, um sich gegenseitig beim Pinkeln zu helfen oder die süßen Typen zu bequatschen und am Ende teilen sie sich eine Haarbürste. In meiner Wahrnehmung ist das Mädchen-Klo eher ein Hort der totalen Genervtheit. Fast immer ist die Schlange so lang, dass ich mir fast in die Hose mache, bis eine Kabine frei wird. Und immer, wirklich immer, besetzt die Tante direkt vor mir die Kabine geschlagene zwanzig Minuten. Ich verstehe das nicht. Sogar mit Händewaschen brauche ich meist kürzer auf dem Klo als jeder Junge, so schwierig ist das nicht. Und während ich also ein Bein um das andere schlinge, um Schlimmes zu verhindern, überlege ich, was die da vor mir in der Kabine eigentlich veranstaltet. Vermutung 1: Diese sehr hygienische Person zieht ihr mitgebrachtes Sagrotan-Spray aus der Handtasche und veranstaltet erst mal eine Grundreinigung, bevor sie den Toiletten-Sitz mit Klopapier-Streifen austapeziert und dann setzt sie sich nicht etwa darauf, ne ne, sie hockt sich über den Schüsselrand und versucht zu pinkeln. Das gelingt ihr aber nicht auf Anhieb, weil es sie stört, wenn andere Menschen ihr bei einer so intimen Unternehmung zuhören können. Vermutung 2: Die Frau da drin ist zu betrunken, um den Knopf ihrer Hose zu finden und muss erst mal eine Viertel Stunde lang ausnüchtern, bevor sie die Sache mit dem Pinkeln noch einmal in Angriff nimmt. Ein armes Ding, das trotzdem enorm nervt. So läuft das also ungefähr bei uns ab. Was aber eigentlich viel interessanter ist: Wie geht es denn bei euch so auf der Toilette zu? Man stellt sich ja als Mädchen prinzipiell vor, dass es da viele Hürden gibt, die ein Junge umschiffen muss, bis er unbeschadet wieder rauskommt. Zum Beispiel: Wie könnt ihr pinkeln, wenn neben euch vier andere Typen stehen, die euch auf euren Penis starren (können)? Habt ihr da Tricks drauf, um euch abzuschirmen? Wie weit ist der übliche Abstand zum nächsten Rillen-Pinkler? Redet ihr automatisch mit dem, der euch am nächsten steht? Und worüber? Was tut ihr, wenn sich plötzlich euer Chef neben euch zwängt und seinen Hosenschlitz aufmacht? Wohin schaut man als Junge am besten, um nicht unangenehm aufzufallen? Gibt es bei euch auch so Pinkel-Phobiker, die nicht können, wenn jemand mit ihnen im Raum ist? Redet ihr auf dem Klo mit eurem besten Freund über Mädchen? Gibt es einen Knigge fürs Pissoir? Auf der nächsten Seite kannst du die Jungsantwort lesen


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die Jungsantwort Ja mensch, dass mich noch mal eine nach der Jungstoilette fragt. Das hat zuletzt meine Mutter getan und zwar immer, wenn wir familiär ein Restaurant besuchten und sie mich nach dem Pieseln fragte, wie das Klo „wäre“, denn bei dem Essen hier wundere es sie gar nicht, wenn es nämlich „schmuddelig“ wäre. Schon damals konnte ich mich, wiewohl gerade dort gewesen, kaum erinnern wie die Toilette „war“ – und damit sind wir mitten im Thema. Wir Jungs nehmen das Pissoir eigentlich kaum als eigenständigen Ort wahr. Wir gehen hin wenn es eines gibt, wenn nicht pinkeln wir wie junge Springbrunnen in die Gegend. Hat sich ja rumgesprochen: rein anatomisch ist das nur ein Handgriff und nicht so eine Klamotte wie bei euch. Deswegen ist auch das Schamgefühl beim nebeneinander Hinpinkeln nicht besonders ausgeprägt, man ist nahezu vollständig angezogen, die einzig bare Stelle lässt sich problemlos mit zwei leicht konvex gewinkelten Händen gegen die Umwelt abschirmen. Es trachtet aber auch, meiner bescheidenen Lebenserfahrung nach, nicht ständig jemand danach, auf den tröpfelnden Pimmel zu gucken. Der Blick eines Pieslers beim gemeinschaftlichen Urinieren ist vielmehr halbhoch ins Unendliche gerichtet, leicht unscharf, um die unvermeidliche Kachelwand auszublenden. Eine sehr entspannende Haltung übrigens, manchen Yoga-Posen nicht unähnlich. Stehen, hängen lassen, plätschern … Gestört wird die männliche Meditation allerdings, wenn, wie beispielsweise in Bierschwemmen und Festivalörtlichkeiten, ein konstant hoher, öffentlicher Urindruck zu beengten Zuständen an der Pissrinne führt. Eine Berührung mit dem Nachbarn möchte man lieber vermeiden. Sollte es doch dazu kommen, sitzt man leider fest - schreckhaftes Abrücken, Wegzucken gar wäre mit Ungenauigkeiten im Strahl verbunden, was bei vollbesetzten Pissoirs zu einer hässlichen Kettenreaktion führen könnte. Was das Sprechen auf Pissoris angeht, so sind eigentlich nur zwei Varianten zu unterscheiden: a) Man geht zeitgleich mit einem Bekannten oder trifft ihn auf der Toilette an. Hierbei wird ein Gespräch ganz normal geführt oder weitergeführt, die Nonchalance mit der oben geplaudert und gleichzeitig unten ausgepackt und uriniert werden kann, ist ein Gradmesser für die Vertrauensbeziehungen zweier Männer. Gute Freunde verrichten ohne eine Sekunde der Verzögerung im Gespräch. Je flüchtiger der Bekannte, desto intensiver werden die Schweigepausen. b) Sind nur Fremde am Pissoir, wird, wenn überhaupt, mit sich selber gesprochen und zwar zumeist, um das nahende Ende der Verrichtung anzukündigen oder die Qualität ebenjener abzuschätzen. Hierzulande klingt das etwa so: „I moan, i lauf aus!“ oder „So vui schad’ um des schöne Bier!“ Es wird auf derlei Bemerkungen aber keine Antwort erwartet. Keinesfalls herrscht am Männerklo eine Art Solidarität, wie wir Jungs sie gelegentlich am Frauenklo vermuten. Man hilft sich nicht aus der Pissrinne. Wer nicht pinkeln kann, weil er sich geniert, wird ausgelacht. Man fährt sich nicht gegenseitig durchs Haar oder plaudert gar vertraulich Erlebnisse des Abends aus. Vielmehr wird versucht, gerade den Bereich Handwaschbecken möglichst markant und schnell zu absolvieren. Völlig undenkbar wäre beispielsweise eine Warteschlange am Waschbecken, weil sich einer gründlich die Hände wäscht und noch mal die Frisur richtet - so eine Warteschlange gibt es nicht. Sind Männer am Handwaschbecken zum Warten gezwungen, wischen sie sich sofort die Hände an der Hose ab, spucken sich auf die Finger oder schlagen in einer Übersprungshandlung den Handtuchspender kaputt. Bloß nicht um so was weibisches wie Händewaschen anstehen! Bloß nicht darauf warten, dass man sich im Spiegel anglotzen darf! Wegen dieser unappetitlichen Testosteronwallung sehen übrigens Herrenklowaschbecken in Clubs immer viel länger aus wie frisch geputzt – sie werden viel flüchtiger benutzt. Insgesamt gibt es also eher null Mysterien am Herrenklo, es wird gekotzt, geschifft und gegrölt, wie bei euch eben auch, aber nur sehr wenig geredet, gedacht und gelächelt. max-scharnigg

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