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Warum sagt ihr es nie?

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Die Mädchenfrage

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Neulich lag ich mit dem jungen Herrn meines Herzens im Gras. Es war der perfekte Moment, er und ich zusammen, mit der Sonne, den zwitschernden Vögelchen und dem kühlen Hefegebräu in der Flasche. Und da dachte ich so bei mir, ja, ein kleines Liebesgeständnis von ihm an mich würde diesen perfekten Moment noch perfekter machen. Ich blinzelte ihn also an und malte mir aus, wenn ihn so anschaue…dann würde er vielleicht auch…und mich küssen und dann sagen…hach! Doch der junge Herr hob nur kurz den Kopf, lächelte selig und drehte den Kopf und mit ihm sich zur anderen Seite weg. Ich liebe dich: Es ist ja um Himmels willen nicht so, dass wir diese drei Worte jeden Tag hören wollen. Weil der Satz, alle 24 Stunden vor dem Zu-Bett-Gehen ausgespuckt, dann zur Floskel verkommt und noch ähnliche Faszination besitzt wie die Information „Ich stell jetzt mal die Butter in den Kühlschrank". Jeden Tag eine Liebeserklärung, das ist wie jeden Tag Blaubeerkuchen essen. Ich könnte in Blaubeerkuchen baden, aber jeden Tag, da würde selbst mir vor Überzuckerung schlecht werden. Ihr hingegen rechtfertigt die verbale Lieblosigkeit mit eueren arbeitsintensiven Aufopferungen, die ihr uns zuliebe vollbringt. Ihr zeigt uns doch, wie gern ihr uns habt, sagt ihr dann und inszeniert Vier-Gänge-Menüs mit Blaubeerkuchen-Nachtisch, weil wir den doch so lecker finden. Rubbelt uns im Bett die Füße warm, bis wir nicht mehr frieren und endlich einschlafen können. Brennt unsere neuesten Lieblingslieder und schickt sie uns per Post hinterher, nehmt uns in den Arm, wenn wir im Horrorfilm schreien, beschützt uns vor penetranten Verehrern, klaut unter Einsatz eueres Lebens im Nachbarsgarten Blumen für uns, ja das ist schon alles fein. Aber so ist das eben, mit uns Mädchen: Seit wir das erste Mal mit einem Jungen gegangen sind, der uns kleine Liebesbriefe durch die Klasse geschickt hat, sind wir konditioniert. Verliebtsein und Liebeserklärungen, das gehört zusammen. Jetzt, wo wir älter sind, brauchen wir sie immer noch, die Beweise, nicht so kindisch und nicht ständig, aber dann auch gerne per Holzhammermethode, klatsch, mitten ins Gesicht. Selbst wenn wir oft so tun, als seien wir superentspannt und fänden diesen ganzen Liebeskram albern: Tief in uns drin wollen wir doch ab und zu überrascht sein, und geplättet, dass der bezaubernde Junge an unserer Seite so reizende Worte produzieren kann. Wir brauchen Liebesgeständnisse, wie ein richtiger Liebesfilm eben auch ein Happy End hat. Wenn wir das nicht bekommen, dann beginnen wir zu zweifeln oder spielen Gendarm, ob ihr in Wahrheit böse Herzensbrecher seid. Wir sind immer noch dagegen, permanent Händchen zu halten. Und an Heiraten und Kinder kriegen denken wir noch lange nicht. Also warum sagt ihr uns nie, dass ihr uns liebt? Nicht mal, wenn gerade alles wunderschön ist? Wehe, ihr verarscht uns nur. lili-huber Die Jungsantwort

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ich dich auch. Weißt du doch. Oh, ich kann es mir bildlich vorstellen. Blauer Himmel, Sonnenschein. Seit einiger Zeit liegt ihr mit eurem harten Schädel auf unserem langsam einschlafenden Oberarm. Wir spüren unsere Finger nicht mehr richtig, sagen aber nichts, denn wir wollen das Idyll nicht stören. Doch dann kommt er, dieser – Verzeihung – treudoofe Blick von euch. „Ich bin klein, süß und verletzlich. Du musst mich ganz, ganz doll lieb haben. Und vor allem musst du mir das sagen. Jetzt!“, soll uns dieser Blick mitteilen – und die Nachricht kommt auch an. Aber wir sagen es nicht und werden es auch nicht sagen. Daraus zu schließen, wir würden uns vor den drei Worten drücken, weil im Hintergrund noch sieben andere Damen auf dieselben Silben warten, dass wir euch also verarschen, ist völliger Blödsinn. Im Gegenteil: Ich schätze, dass es eher die „bösen Herzensbrecher“ sind, die öfter mal „Täubchen, ich liebe dich!“ sagen, den Satz in Gedanken aber so weiter führen: „Und jetzt zick nicht so rum, komm lieber endlich in die Kiste!“ Eine nicht-repräsentative Umfrage in meinem männlichen Bekanntenkreis ergab im Wesentlichen drei Erklärungsmuster für unser Schweigen im entscheidenden Moment: 1. Dass inflationär gebrauchten Worten irgendwann keinen Wert mehr zugemessen wird, wie ihr schon selbst erkannt habt. 2. Dass wir Jungs – ein Indianer kennt keinen Schmerz – immer noch systematisch zur Gefühls-Verbergung erzogen werden und wir uns eben schwer tun mit Bekenntnissen zu unserer aktuellen Seelenverfassung. 3. Dass – um bei deiner Metapher zu bleiben – ja alles paletti ist, so lange die Butter im Kühlschrank steht. Wir wissen, dass die Butter da steht, ihr wisst es auch. Wozu also Worte verlieren. Reden müsste man erst, wenn sie alle ist – ob man nochmal gemeinsam versucht, welche zu holen, oder ob sich besser jeder eine andere Bezugsquelle suchen sollte. Trotzdem versuchen wir, und das tun wir wirklich, entgegen unserer Konditionierung eurem Wunsch gelegentlich zu entsprechen. Wir haben es uns fest vorgenommen, und der Moment ist gekommen. Alles würde passen, wir wollen es ja schon fast sagen. Aber dann kommt er, dieser – Verzeihung – treudoofe Blick von euch: „Du musst mich ganz, ganz doll lieb haben. Und vor allem musst du mir das sagen. Jetzt!“ Zack. Schon geht es nicht mehr. Nichts mehr zu machen, wir heben den Kopf, lächeln nicht wirklich selig, drehen uns zur Seite weg. Wir wollen, wenn wir denn schon müssen, euch das freiwillig sagen. Denn wir fühlen uns nackt dabei. Sehr nackt, nackiger geht es nicht. So nackt können wir nur werden, wenn wir uns aus freien Stücken die Kleider vom Leib reißen. Eure Liebesgeständnis-lüsternen Mädchenblicke lassen uns aber eher innerlich einen Rollkragen-Pulli anziehen. Mit dem Rollkragen-Pulli können wir immer noch sehr gut Vier-Gänge-Menus kochen, Blumen stehlen oder Füße warm rubbeln, aber bis wir ihn wirklich ausziehen, dauert es. Dann könnte man allerdings sehr wohl über ein paar Kinderchen nachdenken. P.S: Noch eine kleine Gegenfrage, wenn es erlaubt ist: Warum blinzelt ihr denn immer nur in dem „perfekten Moment“? Ist euch vor Lust auf Blaubeerkuchen das Wasser so im Munde zusammen gelaufen, dass ihr die Zähne nicht mehr auseinander kriegt? Die drei Worte „Ich liebe dich“ hört man von euch ja auch nur am Abend nach dem „perfekten Moment“. Nach den Worten „Warum sagst du eigentlich nie…?“

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