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Jungs, wie habt ihr die Bravo gelesen?

Collage: Veronika Günther

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Liebe Jungs,

Heute wird die Bravo 60 Jahre alt. Werden sich nicht mehr alle dran erinnern, aber vor Internetzeiten war das für uns Mädchen der absolut heiße Scheiß – ein mittwochs erscheinendes Heft, in dem man all die Infos bekam, nach denen man die Eltern nicht fragen wollte oder konnte. Ich persönlich bekam meine erste Bravo mit acht Jahren von meinem Vater. Ich kann mich noch ganz genau dran erinnern, das war ein richtiges Erweckungserlebnis. Wir standen damals, 1997, an der Tankstelle, mein Vater befüllte gerade unseren riesigen Familien-Van, und da sah ich es: Ein DIN-A-4-großes Heft mit der Girlie-Band (ja, das sagte man damals noch völlig unironisch) Tic Tac Toe auf dem Cover. Sängerin Lee trug kurze, blondierte Haare, eine blaue Kappe und Latzhose. Ich liebte Tic Tac Toe, „Klappe die 2te“ war die erste CD, die ich in meinem Leben besaß. Und ich trug auch Latzhose, wir waren also quasi Seelenverwandte. Völlig klar: Dieses Heft musste ich haben!

Mein Vater, in der Beziehung meiner Eltern immer der good cop, der alles erlaubte, kaufte sie mir. Vermutlich musste er dabei ein bisschen grinsen, denn seine kleine Tochter hatte ja keine Ahnung, was in der Bravo noch so abging. Ich wollte einfach nur Tic Tac Toe! Als ich zuhause das Heft aufschlug, wurde mir dementsprechend ganz anders: Da waren ja Nackte drin! Und es gab Sexfragen! Da stand, dass man sich als Frau nicht mit einer Flasche befriedigen sollte, die könnte sich ja festsaugen! Ich war zutiefst beschämt und hatte gleichzeitig keine Ahnung, warum man sich als Frau überhaupt befriedigen sollte. Aufgeklärt war ich zwar schon, aber halt doch sehr technisch. Dass Frauen dabei nicht nur schwanger werden, sondern auch einen Orgasmus haben können, lehrte mich die Bravo.

"Ist ja widerlich!"

Meine Mutter fand es natürlich nicht gut, mir in diesem Alter so ein Heft zu kaufen. Aber da war es schon zu spät. Tic Tac Toe wurden quasi von der Bravo groß gemacht und waren jede dritte Woche drauf. Also kaufte ich von da an beständig das Heft. Später, als in der Bravo enthüllt wurde, dass Tic-Tac-Toe-Sängerin Lee früher als Prostituierte gearbeitet hat, führte das tatsächlich zu einem weiteren Aufklärungsgespräch mit meiner Mutter. Sie musste mir erklären, was Prostitution ist. Noch heute ziehen sie und mein älterer Bruder mich gerne damit auf, wie ich damals mit dem Satz „Ist ja widerlich, sowas hat die sicher nicht gemacht!“ aus dem Zimmer rannte.

Sowieso Brüder, und da kommen wir jetzt bei aller Nostalgie auch mal zur Frage: Ich hatte stets das Gefühl, dass die Jungs in meinem Umfeld die Bravo aus völlig anderen Motiven lasen als ich. Dass ihr euch eher selten Starschnitte an die Wand gehangen oder nach der Autogrammadresse irgendeiner Boyband gesucht habt. 

Wozu dann überhaupt die Bravo? Ging es euch nur um die Nackten? Oder steckte da für euch auch ein soziales Event hinter? Immerhin war es für uns Mädchen, die sich spätestens mit zwölf parallel noch die Bravo Girl kauften, sehr wichtig, stets den aktuellen Billigschmuck aus dem Heft zu besitzen. Nur, wer auch eine Tattookette hatte, gehörte auf dem Schulhof dazu! Wie war das bei euch? Gab es da auch solche Währungen, nur anders? Also Jungs, blättert doch mal in eurem alten Bravo-Stapel und sagt uns: Wie habt ihr die Bravo gelesen?

Eure Mädchen.

jungsfrage text
Illustration: Katharina Bitzl

Die Jungsantwort:

 

Liebe Mädchen,

 

Hey Mister Wichtig, du machst da was nicht richtig ... Halt, stopp! YouTube aus.

 

Ich habe keinen Plan, wann ich meine erste Bravo gelesen habe. Ich weiß aber schon noch, dass ich sie oft und gerne gelesen habe. Beim Einkaufen legte ich sie meiner Mutter heimlich in den Wagen, damit ich mein (immer viel zu knappes) Taschengeld für andere Sachen ausgeben konnte. Süßigkeiten nach der Schule zum Beispiel. Oder ich ließ mir das Heft von meinem Opa an der Tankstelle kaufen, wenn ich mit ihm irgendwo hinfuhr. Kein Scheiß! Vielleicht sollte jemand mal nachforschen, ob die Bravo Geheim-Deals mit Tankstellen-Betreibern hatte. Mir fällt übrigens erst jetzt in diesem Moment auf, dass es meinen Eltern ziemlich recht gewesen sein muss, dass ich Bravo lesen wollte. Warum, kann ich nicht sagen. Vielleicht haben sie sich an früher erinnert gefühlt, als sie selbst Bravo lasen. Als die noch ein bisschen rebellischer und aufregender war.

 

Ich weiß aber leider auch nicht mehr, was mich an der Bravo faszinierte. Ich habe nie ein Musiker-Poster aufgehängt. An meinen Wänden kickten und grinsten Mehmet Scholl, Lars Ricken und Michael Schumacher (alle aus der Bravo Sport, natürlich), in meinem CD-Player lief dazu die erste CD, die ich mir selbst gekauft hatte: Backstreet Boys. Über die und über N’Sync habe ich, glaube ich, am liebsten in der Bravo gelesen. Nick Carters Frisur hatte ich auch (nur ohne Blondierung) und ich dachte, ich könnte eines Tages sicher so cool sein wie Justin Timberlake (nur ohne Asianudel-Locken). Meine zweite CD war ziemlich sicher eine Bravo Hits. Drei Google-Klicks haben mir gerade verraten: Es war Bravo Hits 21, erschienen im Mai 1998. Kurz darauf wurde ich elf Jahre alt.

 

Habe ich damals schon die Bravo gelesen? Krass! Ich kann mich nicht explizit an eine einzige Geschichte erinnern, die mich beeindruckt hätte. Meine konkreteste Erinnerung: Jede Woche lassen sich ein Mädchen und ein Junge nackt fotografieren. Per Selbstauslöser. Man muss da ganz ehrlich sein, das waren immer die ersten Seiten, die meine Kumpels und ich aufgeschlagen haben. Große Enttäuschung jedes Mal, wenn das Mädchen uns nicht gefallen hat– auch da muss man ganz ehrlich sein. Wir waren halt jung. Und dann natürlich die Foto-Love-Stories. Jeder kannte wen, der wen kannte, der da schon mal dabei war. Niemals hätte aber einer von uns zugegeben, dass er da auch ganz dringend mal mitmachen wollen würde um für eine Woche der Promi der Schule zu werden. Im Gegensatz zu den Nacktbildern. Wer macht so was freiwillig? Das haben wir uns jede Woche aufs Neue gefragt.

 

Wir wussten auch ohne die Bravo, wie das mit dem Masturbieren funktioniert

 

Ich glaube, für uns Jungs hatte die Bravo Bedeutung, aber sie war längst nicht so wichtig wie für euch. Aufgeklärt hat uns nicht Dr. Sommer, sondern eher die älteren Jungs aus der Nachbarschaft. Wir wussten auch ohne die Bravo, wie das mit dem Masturbieren funktioniert. Wir wussten auch ohne sie, dass man vom Masturbieren weder blind wird, noch Rückenschmerzen bekommt. Und bevor ihr fragt: Nein, wir haben nicht die Bravo-Nacktbilder dafür benutzt.

 

Wir haben die coolen Musik-Stars um ihren Fame beneidet, bevor wir wussten, was Fame heißt. Es gab kein Instagram und kein Facebook, aus der Bravo bekamen wir Fotos von unseren Style-Vorbildern. Die Geschichten, Ratschläge und Tipps, die da sonst drin standen, dienten dann doch eher der Belustigung.

 

Keine Ahnung, wann ich meine letzte Bravo gelesen habe und warum ich es danach nicht mehr tat. Muss auf jeden Fall eine ganze Weile vor dem Abi gewesen sein. Ich habe auch keine alten Stapel mehr daheim rumliegen. Irgendwann kaufte ich nur noch den Kicker, die Juice, FHM, Maxim und GQ. Ich wurde erwachsen, die Bravo nicht.

 

Ich muss jetzt leider aufhören und dringend Tic Tac Toe weiter hören.

 

Die Jungs.

 

Jungs- und Mädchenfragen wie die an Dr. Sommer:

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