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Mädchenfrage: Jungs, warum gebt ihr mit eurem Rausch an?
Liebe Jungs,
dass wir mindestens genauso gut feiern können wie ihr, ist uns eigentlich klar. An manchen Tagen, wenn wir ausreichend trainiert sind (also das Fitnessarmband anzeigt, dass wir in der vergangenen Woche fast 10.000 Schritte zu Bars und wieder nach Hause zurückgelegt haben), können wir euch sogar unter den Tisch saufen oder besser: über den Toilettenrand. Die Ära der wenig trinkenden Frau ist längst zu Ende. Nur gibt es da eine Sache, die auf die Sauferei folgt, die ein anderes Bild vermitteln könnte: euer ständiges Prahlen mit eurem Pegel.
„Haha. Junge. Bier? Das ist doch gar kein echter Alkohol“
Vor Kurzem lagen zwei Jungs in unserer WG-internen Kater-Matratzen-Höhle neben mir. Ganz unvermittelt begann einer das Duell:
„Scheiße, ich hab gestern elf Maß aus diesem Steinkrug von meiner Schwester gesoffen. Stell dir das mal vor, dass sind elf Liter Bier, das kann man nicht mal an den Fingern abzählen!“
„Haha. Junge. Bier? Das ist doch gar kein echter Alkohol. Ich habe mir sieben Wodka-Bull gegeben und dann noch ein paar Shots.“
„Deine Mischen sind auch immer lächerlich, da hat eine auch nicht mehr Prozent als mein Bier. Und dann sind es bei dir nur so viel“ – streckt sieben Finger in die Luft – „und bei mir kann ich's wie gesagt nicht einmal zeigen.“
Alle weiteren postfaktischen Argumente erspare ich mir an dieser Stelle. Jedenfalls dachte ich in dem Moment nur: „Oh Gott, oh Gott, ich will bitte, bitte nicht drankommen mit der Alkoholbilanz. Ich will nicht mal mehr dran denken.“ Denn mein Alkoholkonsum ist nichts, worauf ich stolz bin, und nichts, worauf ich zu diesem Zeitpunkt stolz war: Mein Schädel pochte, ich hatte einen ekligen Geschmack im Mund und schlecht war mir auch.
Bei Jungs gewinnt der Ethanolpumper, bei Mädchen die gemäßigte Genießerin
Seitdem fällt mir öfter auf: Ihr Jungs spielt nach dem Saufen superstolz Zahlen und Alkoholarten hin und her, bis einer vor lauter Herumposaunen noch mehr Kopfschmerzen hat als vorher. Wir Mädchen dagegen geben eher kleinlaut zu, viel zu viel getrunken zu haben und versichern allen, das nie wieder machen zu wollen.
Unser Duell funktioniert also irgendwie genau andersherum. Wenn meine Mitbewohnerin sagt: „Ich hab echt nur ein Glas Sekt getrunken gestern, heute geht’s mir super“, dann geht die Runde an sie. Bei euch Jungs gewinnt am Katertag der Ethanolpumper, bei uns Mädchen die gemäßigte Genießerin. Schließlich leidet sie weniger.
Was also gibt euch Jungs das Gefühl, mit eurem Konsum prahlen zu können oder zu müssen? Was wollt ihr damit bezwecken? Ist das in Zeiten der Political Correctness vielleicht eure letzte Bastion des Schwanzvergleiches? Müsst ihr mit eurem Alkoholkonsum prahlen, weil andere Angebereien mittlerweile Tabu sind? Weibliche Eroberungen zum Beispiel?
Erklärt doch mal,
eure Mädchen
Die Jungsantwort:
Liebe Mädchen,
auch wenn der Gedanke echt interessant ist: Mit der Political Correctness von heute hat die Angeberei nach dem Trinken von Alkohol wenig zu tun. Viel mehr mit einem (zugegebenermaßen ziemlich antiquierten) Bild von männlicher Stärke, dass sich irgendwie in unseren Köpfen festgesetzt hat.
In eurer Anekdote mit den „Mischen“ steckt schon der Kern des Problems. Wir tragen diesen Kampf aus, seit wir mit 15 Jahren auf der Tischtennisplatte hinter der Schule mit unseren Kumpels zum ersten Mal Wodka aus Pappbechern getrunken haben: „Alter, du Pussy, das ist doch keine gescheite Mische. Bei Wodka und Red Bull macht man immer 50 zu 50, sonst schmeckt man ja gar nix.“ Oder: „Wie, du trinkst nichts mehr? Was, du willst schon gehen? Raff dich mal. Du hattest doch erst zwei, jetzt chill mal und sauf mit uns!“
Weniger trinken bietet bei Männern seit jeher Angriffsfläche. Und angegriffen werden will niemand. Bei den meisten Jungs gilt schließlich irgendwie immer noch das Recht des Stärkeren. So ist es auch beim Alkohol. Je mehr, desto besser, je größer die Menge, desto stärker der Mann. Vor allem zu Schulzeiten hingen alle demjenigen an den Lippen, der am Wochenende am meisten gesoffen hatte. Der hatte schließlich immer die besten Geschichten zu erzählen.
Seit wir trinken, wird uns verklickert, dass man ein Schwächling und Langweiler sei, wenn man nicht so viel trinken kann wie die anderen Jungs. Klar, dieser Gedanke ist pubertär, dass wissen wir heute. Aber trotzdem bleibt bei den meisten von uns im Kopf verankert, dass es männlich sei, viel Alkohol zu vertragen. Deshalb ist es doch nur logisch, dass wir unseren Rausch offen nach außen tragen, oder?
Dass wir am Morgen darüber reden, wie viel wir gesoffen haben, ist eine Rechtfertigung dafür, dass es uns schlecht geht
Wenn der Rausch vorbei ist, kommt der Morgen danach. Da geht es uns beschissen, genauso wie euch. Trockener Mund, Übelkeit, Kopfschmerzen, kennen wir alles. Allerdings reagieren bei uns die meisten Menschen anders auf unseren Kater. Wenn wir von unseren postalkoholischen Leiden erzählen, kommt von anderen Jungs oft so etwas wie: „Hä, du hast einen Kater? Jetzt stell dich mal nicht so an, so viel hast du doch gar nicht getrunken.“ Wir sagen dann solche Sachen wie: „Klar Alter, guck doch mal, was ich alles gesoffen hab!“ Und das von euch sehr schön beschriebene Spielchen mit dem Aufzählen der Drinks geht los. Dass wir am Morgen danach darüber reden, wie viel wir getrunken haben, ist also oft eine Rechtfertigung dafür, dass es uns gerade schlecht geht.
Übrigens: Auch wir finden es nicht geil, wenn uns jemand spuckend mit seiner Alkoholfahne ins Ohr schreit: „Alter, ich bin so besoffen!“ Aber irgendwie ist das mit den Rausch-Angebern unter den Jungs ein bisschen so wie mit den Woooh-Girls unter den Mädchen: Tief im Inneren sind sie uns peinlich, aber sie verbreiten gute Stimmung und wir haben sie gerne dabei, weil es mit ihnen immer was zu lachen gibt.
Deshalb habt Nachsicht mit den Rausch-Angebern! Ertragt ihr Geprahle, sie meinen es sicher nicht böse. Bei der Rausch-Angeberei geht es um das gleiche Thema wie bei jeder anderen Angeberei auch: Wir machen uns groß, um ja nicht klein zu wirken.
Eure Jungs