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Mädchenfrage: Jungs, stört es euch, wenn wir mehr Geld verdienen als ihr?
Liebe Jungs,
inzwischen kommt es immer mal wieder vor, dass wir mehr verdienen als ihr. Weil wir entweder mehr arbeiten oder schon länger oder in einem besser bezahlten Job in einer besser bezahlten Branche. In den allermeisten Fällen, das würden wir zumindest behaupten, ist das auch fair so. Denn dafür, dass Frauen überhaupt die Chance dazu haben, mehr zu verdienen als Männer, mussten wir lange kämpfen. Und auch jetzt hat man es als Frau tendenziell noch schwerer, für seine Arbeit angemessen entlohnt zu werden. Schließlich kommt es noch häufig vor, dass Frauen für den gleichen Job deutlich weniger Geld bekommen als Männer. Nennt man dann „Gender Pay Gap“. Kennt ihr alle.
Nun haben wir aber den Eindruck, dass ihr unsere finanziellen Erfolge oft nicht gar so berauschend findet. Dass es euch irritiert, beleidigt oder gar verletzt, wenn unser Gehalt eures um den einen oder anderen Hunderter oder Tausender im Monat übertrumpft.
Fühlt es sich für euch komisch an, von Frauen übertrumpft zu werden?
Ein Freund von mir wollte seine Freundin, die seit Jahren gut verdient, beispielsweise erst dann ehelichen, wenn auch er endlich in einem gut bezahlten Job arbeitet. Den hat er jetzt. Und seit er darin auch deutlich mehr Kohle scheffelt als seine Partnerin, scheint wieder alles zu stimmen in Sachen Rollenverteilung. Er könnte ab sofort alleine eine ganze Familie ernähren – wie sein Vater es auch getan hat. Aber wieso war ihm diese Gewissheit so wichtig? Das Einkommen seiner Freundin hätte dafür doch auch schon gereicht.
Ist dieser Freund eine Ausnahme? Oder stört es euch noch immer, wenn eure Partnerin mehr verdient als ihr? Macht es euch bei Freundinnen im Freundeskreis weniger aus? Oder fühlt es sich generell komisch an, von Frauen übertrumpft zu werden? Wenn ja: warum? Habt ihr immer noch das Bild im Kopf, mal alleine eine Familie ernähren zu müssen? Oder dass viel Geld zu verdienen etwas Männliches sei? Hat euer Ego neben unseren Geldhaufen zu wenig Platz? Oder ist alles ganz anders und ihr freut euch für uns? Beziehungsweise darüber, dass wir euch auch mal finanziell unterstützen können? Erklärt doch mal.
Eure Mädchen
Die Jungsantwort:
Liebe Mädchen,
ich würde euch nun natürlich gern aus meiner rein persönlichen Perspektive antworten, die mittlerweile sicher auch einige Geschlechtsgenossen teilen: Überhaupt kein Problem, verdient, so viel ihr wollt! Warum fragt ihr überhaupt nach, ist doch selbstverständlich?
In dieser Rubrik soll es aber schließlich nicht nur um meine eigene Haltung gehen (die natürlich ausnahmslos nobel ist), sondern um eine Ahnung von dem, was „uns“, also Männern insgesamt zum jeweiligen Thema einfallen könnte.
Wenn ich nun behaupten würde, dass gerade eine neue Generation von Typen liebend gerne ihre Privilegien abgibt, darunter auch das Recht darauf, sich zu Tode zu schuften, würde ich schlicht lügen. Die Fakten zeigen schließlich etwas anderes. Wäre das mit der Gleichberechtigung bei allen so selbstverständlich, gäbe es dementsprechend auch weniger Paare mit der vermeintlich „klassischen” Gehalts-Rollenverteilung. Dem ist aber nicht so, auch in meinem Alter.
Und das hat Gründe. Zunächst mal rein makro-gesellschaftlich. Hier müssen wir euch als Hauptleidtragende wohl kaum belehren, daher nur mal das Problem in einem Satz: Von einer geschlechtsunabhängigen Bezahlung (auch für gleiche Arbeit) sind wir – wie ihr ja schon angesprochen habt – noch weit entfernt.
Verteidiger des Status quo würden nun argumentieren: Frauen verhandeln schlechter, arbeiten oft in den weniger finanzstarken Berufsfeldern, gehen öfter in Teilzeit, weil sie qua Biologie fürchten, ihre Kinder im Stich zu lassen. Also so eine Mischung aus „war schon immer so“, „nicht jede Frau will Karriere machen“ und „irgendwie halt selber schuld“. Ihr kennt das bestimmt.
„Huch, meine Freundin zieht kohlemäßig an mir vorbei! Bestimmt schmeißt sie mir bald den Nachwuchs vor die Füße und heizt davon“
Dass gerade Männer hier gerne leidenschaftlich ihr Halbwissen anbringen, hat natürlich auch einen Grund: Sie profitieren vom Status quo, sie haben ihn ja schließlich erschaffen. Und viele sehen in einer Kritik dieses Ist-Zustandes einen Angriff auf sich selbst und ihre Stellung in der Gesellschaft. Und damit sind wir wieder bei der persönlichen Ebene, um die es bei eurer Frage eigentlich gehen soll.
Für den Schlag Mann, der weibliche Emanzipation und Gleichberechtigung als Bedrohung empfindet, gibt es sicherlich wenig Schlimmeres, als diese gefühlte Bedrohung mitten in seinem eigenen Umfeld festzustellen, sozusagen gegen ihn höchstpersönlich gerichtet: Huch, meine eigene Freundin, möglicherweise Mutter meiner Kinder, zieht kohlemäßig an mir vorbei! Bestimmt schmeißt sie mir bald den Nachwuchs vor die Füße und heizt mit dem Porsche davon, im Zweifelsfall auch noch mit einem anderen, reicheren Typen! Was für ein kümmerliches Etwas ich doch bin! O tempora, o mores!
Für die weniger Kastrationsängstlichen unter uns ist eine besser verdienende Frau zwar alles andere als ein Weltuntergang, aber von totaler Entspanntheit kann auch keine Rede sein. Einige Bekannte mit besser verdienenden Partnerinnen verheimlichen zwar nicht ihre Einkommensverhältnisse, gestehen aber auch, dass die damit einhergehende Neuverteilung der Rollen sie vor Fragen stellt.
In vielen schlummert noch die Idee vom großen Ernährer mit der gezückten Brieftasche
Wenn die Freundin zum Beispiel ihren Urlaub in einem teuren Hotel verbringen will – lässt man sich da von ihr einladen, wenn man sich es sonst gerade nicht leisten kann? Durchaus möglich, dass manche von uns hier eher auf die „Fairness“ in der Beziehung verweisen und sich lieber anderweitig verschulden, als auf Kosten der Freundin Urlaub zu machen.
Gleiches gilt für Wohnungen, Restaurantbesuche... eben überall, wo gemeinsam Geld ausgegeben wird. Hier würden viele Männer mindestens auf einer 50/50-Regelung beharren – nicht nur aus Fairnessgründen und schwäbischer Spießigkeit, sondern auch aufgrund eines Das-geht-so-irgendwie-nicht-Gefühls und der noch immer in ihnen schlummernden Vorstellung vom großen, männlichen Ernährer mit der gezückten Brieftasche.
Außerhalb der Beziehung ist dieser Zwang seltsamerweise nicht so stark: Verdient eine Bekannte etwas mehr, bekommen wir das entweder nicht mit oder freuen uns für sie. Vielleicht, weil der Vergleich mit uns und unserem eigenem „Wert“ eher fernliegt, solange sie nicht etwa den gleichen Job ausübt oder Ähnliches.
Deshalb zurück zur Beziehung: Es kommt tatsächlich vor, dass wir eine besser verdienende Partnerin vorübergehend „hinnehmen“, wie etwa dein Freund, der bis zur Hochzeit noch mit der vermeintlichen Schmach leben konnte. Geht es im Gespräch mit anderen Männern um solche Einkommensverhältnisse, werden diese dann als Phase dargestellt: Meine Zeit kommt auch noch, ich bin ja noch am Anfang meines Berufslebens! Wart mal ab, bis mein Buch/mein Film/meine Beförderung/meine Doktorarbeit fertig ist! Und spätestens wenn das erste Kind da ist, muss sowieso wieder ich ranklotzen. Es ist teilweise sehr irre, was hier für ein seltsamer Rechtfertigungszwang herrscht.
Hoffentlich bleibt uns nichts anderes übrig, als uns mit eurem steigenden Einkommen zu arrangieren
Zusammengefasst: Ein Gehalts-Ungleichgewicht, in dem der Mann als Besserverdiener dasteht, erscheint den meisten von uns nach wie vor als die entspanntere Norm, weil sie uns zu keinerlei Umdenken nötigt, selbst wenn wir nach außen als Gleichberechtigungs-Verfechter auftreten. Ein finanzielles Gleichziehen eurerseits wird vielleicht toleriert, ein Übertrumpfen aber schnell zum Pseudo-Problem. Verdient ihr mehr, nehmen viele das entweder als Bedrohung oder zumindest Herausforderung wahr. Als Chance? Kaum. Die meisten hoffen, dass es vorübergeht.
Die neuen Umstände tatsächlich als permanent und/oder schlicht egal hinzunehmen, sich einfach mal zurückzulehnen, sich von Geld als ultimativem Maßstab des eigenen Werts loszusagen, oder gar nicht bezahlte Arbeit wie Kindererziehung auch für sich selbst wertzuschätzen – ich wage zu vermuten, dass das den meisten noch schwerfällt. Ich bin trotzdem optimistisch, dass wir uns hier auf lange Sicht ändern werden. Uns wird hoffentlich gar nichts anderes übrig bleiben.
Eure Jungs