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Jungs, warum benutzt ihr keine Wärmflasche?

SZ photo; Collage: Jessy Asmus/jetzt.de

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Die Mädchenfrage:

Liebe Jungs,

sobald die Temperaturen draußen einstellig sind, kann ich nicht mehr ohne. Es muss dann, damit ich überhaupt ein „Ich geh jetzt schlafen“-Gefühl kriege, Folgendes passieren: Wärmflasche aufdrehen, Wasserkocher auffüllen und einschalten, sprudelsprudel, klack, Wasser in die Wärmflasche gießen, Luft rauslassen, zudrehen. Schlafengehen. Und zwar mit der Wärmflasche ganz fest im Arm. Oder auf dem Bauch. Manchmal auch auf dem Rücken. Hauptsache: Wärmflasche. Hauptsache: warm.

Ich benutze die Wärmflasche auch zu vielen anderen Gelegenheiten. Wenn ich am Schreibtisch friere, wenn ich Rücken- oder Regel- oder Bauchschmerzen habe. Mir ist dabei durchaus bewusst, dass Wärmflaschen nicht schön sind und maximal un-tough. Darum würde ich sie auch in der Öffentlichkeit (Tram! Büro! Besuch bei den Nachbarn!) oder wenn ich das Bett mit jemandem teile niemals benutzen. Aber – oh mein Gott! – wie gerne ich das manchmal tun würde! (Es gibt ja auch so ganz kleine Wärmflaschen, und wenn ihr mir eine Freude machen wollt: Mein Geburtstag ist am 13. September.)

Nun ist es so, dass ich viele kenne, die das genauso sehen. Und genauso machen. Aber das sind ausschließlich Frauen. Männer boykottieren Wärmflaschen. Denen darf man damit gar nicht erst kommen. Ein Kirschkernkissen darf man in den Ofen legen, wenn sie Rückenschmerzen haben. Aber eine Wärmflasche? Nö. Wollen sie nicht. Auch daheim nicht, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. 

Nur warum das so ist, das habe ich noch nicht herausfinden können. Denn wenn ihr mal ehrlich seid, ist so eine Wärmflasche doch das Logischste auf der Welt. Jeder hat es gerne warm. Und jeder weiß, dass Wärme gegen sehr viele Beschwerden hilft, und auch ihr habt manchmal Beschwerden. Oder friert. Und praktischer als ein Kirschkernkissen ist die Wärmflasche auch, denn das muss mindestens eine halbe Stunde in den Ofen und ist danach nach zehn Minuten wieder ausgekühlt. Mit der Wärmflasche kann man kuscheln, bis man tief und fest schläft, und wenn man aufwacht, ist sie immer noch ein bisschen warm. Das ist super, das kann niemand leugnen!

Darum müsst ihr mir jetzt mal erklären, was eigentlich euer Problem mit Wärmflaschen ist. Mögt ihr es nicht warm am Körper, außer mal so zehn-Minuten-Kirschkernkissen-warm, und dann sagt ihr „Muss reichen! Bin heile! Weiter geht’s!“? Sind Wärmflaschen aus irgendeinem Grund weiblich konnotiert? Ist es diese seltsame Un-Toughness? Habt ihr da so ein veraltetes „Ich friere nicht“-Männlichkeitsdenken? Oder habt ihr heimlich sogar eine im Bett und lasst das nur niemanden wissen? So eine ganz kleine vielleicht? Mh?

Die Jungsantwort:

jungsfrage text
Illustration: Katharina Bitzl

Liebe Mädchen,

 

ist inzwischen viele Jahre her, da war ich in Amsterdam. Auf einem Campingplatz. Anfang April. Ich hatte mir unter dem Begriff „Bungalow“ etwas sehr viel Wärmeres vorgestellt als den zugigen Bretterverschlag, in dem wir dann tatsächlich untergekommen waren. Vliegenbos hieß der Campingplatz, und ich kann mich nicht mehr an viel aus diesem Urlaub erinnern, aber ich weiß noch, wie jämmerlich schlotternd ich trotz Klamotten-Mütze-Schlafsack-Kombination jede Nacht gefroren habe. Und dass ich, in Ermangelung einer echten Wärm-, irgendwann eine PET-Flasche mit heißem Wasser gefüllt und die mit ins Bett genommen habe.

 

Eine Notsituation also. Die eigene Körperwärme reichte schlicht nicht mehr aus, um ein Klima herzustellen, in dem es sich menschenwürdig leben ließ. Und eine andere Situation (außer bei Krankheiten im Bereich Magen-Darm) kann ich mir für eine Wärmflasche auch nicht vorstellen. Oder deutlicher gesprochen: In allen anderen Situationen halte ich Wärmflaschen für verweichlichtes, ja beinahe widernatürliches Zivilisations-Mimimi – ähnlich wie Lippenbalsam, Pflegespülung oder Crack nur erfunden, um die eigene Erforderlichkeit erst zu erzeugen und dann zu erhalten.

 

Wärmflaschenwärme fühlt sich ein bisschen an, wie ich mir Gummipuppen-Sex vorstelle

 

Der Körper bringt schließlich eigentlich genug Energie mit, um ein durchschnittlich zivilisationsfluffiges Federbett auf eine wunderbar mollige Temperatur zu heizen. Will sagen: Eine Wärmflasche ist da ja eben gerade nicht „das Logischste der Welt“, wie ihr behauptet! Sie ist die faule, die übergemütliche Hilfsmittelabkürzung. Und weil der kürzeste Weg ja nun mal selten der richtige, aber nie der beste Weg ist, müssen wir hier mal deutlich sagen: Das Logischste auf der Welt ist, sich in die Decke zu muckeln, unter halbheftigem Schlottern dreimal kräftig „Brrr, brrr, brrr!“ zu machen und den Körper, diese von der Natur so brillant austarierte Maschine, seine eigene – ergo die richtige – Temperatur regulieren zu lassen. Sonst verlernt er es. Und man braucht immer noch mehr Wärmflaschen. Oder größere. Nicht die Kleinen. Auch nicht zum Geburtstag.

 

Wohligkeit (und am Ende gar Nähe) künstlich herstellen zu lassen – zumal von einem Konstrukt aus Leitungswasser und Latexthülle –, erscheint uns deshalb schlicht falsch und unnütz. Weil es das ja auch ist. Wärmflaschenwärme fühlt sich damit ein bisschen an, wie ich mir Gummipuppen-Sex vorstelle: auf künstliche Art passiv. Und dazu auch noch ständig so, als könne jederzeit etwas quietschen, platzen oder auslaufen.

 

Oder positiver formuliert: Wir suchen natürlich dieselbe Gemütlichkeit wie ihr. Aber wir glauben, dass wir sie besser aus uns selbst heraus erzeugen können. Und noch besser mit euch zusammen.

 

Eure Jungs 

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