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Jungs, wollt ihr schön sein?

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Die Mädchenfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Im aktuellen Zeit-Magazin ist auf dem ersten Cover ein Mann in Unterhose abgebildet, auf dem zweiten ein Penis in voller (nicht erigierter) Pracht. Im Heft hält die Autorin Elisabeth Raether dann ein flammendes Plädoyer für mehr Penis in der Öffentlichkeit. In dem Text wundert sie sich darüber, warum Nacktbilder von Männern keine Rolle spielen, obwohl ein Bild von einem Penis immer für Aufregung sorgt. Doch sie sieht auch die Vorteile für die Männer, kein Lustobjekt zu sein: „Noch besser, als schön zu sein, ist es natürlich, gar nicht erst schön sein zu müssen.“

Dass es für den weiblichen Körper bis in die allerletzte Falte hinein ein Idealbild gibt, nach dem sich die Frau gefälligst zu formen hat, ist ja ein alter Hut. Wir wissen, wie das perfekte Frauenbein aussieht, der perfekte Busen, die perfekte Augenbraue und sogar die perfekte Vulva. Weil es uns ununterbrochen eingetrichtert wird – und für die, die nicht lesen können, gibt es makellos-retuschierte Frauenkörper auf Werbeplakaten, Bildstrecken und in Filmen, die uns ein ums andere Mal ein Schönheitsideal vorführen, nach dem wir streben sollen. Wir müssen schön sein. Oder zumindest danach streben und alles in unserer Macht stehende tun, um dem Ideal so nahe wie möglich zu kommen. Entziehen wir uns diesem Druck, isolieren wir uns damit und werden sogar ein Stück weit unsichtbar.  

Bei euch Jungs scheint dagegen weiterhin zu gelten, was die Tante Jolesch aus „Der Untergang des Abendlands“ konstatierte: „Was ein Mann schöner is wie ein Aff, is ein Luxus.“  Klar habt auch ihr einen Style-Guide, nach dem ihr euch zu richten habt. Und cool aussehen solltet ihr auch. Aber schön? Und lustvoll-anregend für den Betrachter? In diesen Kategorien denkt man nicht unbedingt, wenn man über Jungs und ihr Aussehen nachdenkt.

Was aber, wenn diese paradiesischen Zeiten jetzt schön langsam vorüber sind? Was, wenn auch an euch plötzlich der Druck zukommt, auch noch schön sein zu müssen? Wenn mehr Penisse gezeigt werden und schöne Männerkörper, wie es Frau Raether fordert? Macht euch diese Vorstellung große Angst?


Die Jungsantwort kannst du auf der nächsten Seite lesen.


Die Jungsantwort:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Das ist einfacher, als es von dir angelegt ist. Natürlich wollen wir schön sein. Die Zeit, in der es reichte, ein gesunder Mann mit tadellosem Führungszeugnis zu sein, um eine flotte Frau zu kriegen, sind ja mit der Ära Adenauer vorbei gewesen – oder mit der Tante Jolesch. Gut aussehen ist wichtig geworden, das merkt jeder Junge, der anfängt, sich für Mädchen zu interessieren, und meistens merkt er es auf eine ziemlich harte Art: Er ist nämlich nicht bei den spannenden Dingen dabei. Zwar gibt es in jeder Klasse auch Jungs, die nur qua Witzboldism oder Brutalität im Alpha-Rudel rudeln dürfen, aber die sind die Ausnahme. Normalerweise bekommen Jungs ab der Pubertät genauso Feedback auf ihr Aussehen wie Mädchen, vielleicht sogar noch unverhohlener, weil Jungs ja gemeinhin mehr abkönnen, seelisch. Klar, Jungs fotografieren sich nicht gegenseitig beim Posieren und schreiben dann auf Facebook unter das Foto des Kumpels „Du bist voll schön!“, wie das Mädchen eine Zeitlang so eifrig praktizieren. Stattdessen hadert jeder für sich mit seiner Hülle und probiert heimlich andere Frisuren aus. Das ganze Sportding, das in dieser Zeit losgeht, setzt ja letztlich auch ästhetische Benchmarks. Wenn Schweinsteiger das Trikot hebt und seinen Sportler-Torso zeigt, dann ist allen Männern zwischen 15 und 35 klar, wie das aussehen könnte, sollte, müsste. Weil alle wissen, dass die Damen das jetzt auch denken. So viel also zu der ewigen Leier, nur euch würden die Schönheitsideale unter Druck setzen.

Was das „Schönsein“ an sich angeht, glaube ich, dass das einfach ein Begriffsproblem ist. Ein schöner Mann – das klingt undynamisch, man denkt immer an Sky Dumont mit einer Rose zwischen den Zähnen oder einen elegischen Jüngling, dem der Mondschein aufs schwarze Haar schimmert. Das sind also eigentlich feminine Bilder, die uns bei dem Wort „schön“ in den Kopf kommen, vielleicht ist das einfach Gewohnheit. Deswegen sagt man das auch selten, das verbale Höchstmaß der Gefühl ist ja: Jo, der sieht schon gut aus. Darin ist markige Männlichkeit noch inkludiert und man denkt nicht sofort an manikürte Nägel. Also, gut aussehen und sehr gut aussehen, das wollen wir. Schön genannt zu werden, das ist uns zu passiv und künstlich. Eine schöne Frau, das bezeichnet in meiner Wahrnehmung den Gesamtauftritt, das ganze Wesen, Stil, Kleidung, Aussehen, Charme etc. Ein schöner Mann hingegen, da schwingt immer auch mit: Schön, aber doof. Vielleicht seid ihr auch ein bisschen an dieser Tendenz schuld, weil ihr immer auch mal hören lasst: „Der wäre mir zu schön.“ Als wären schöne Männer irgendwie lebensuntüchtige, aller sonstigen Mannestugenden beraubte Prunkkulissen, die man nur als Statue in die Ecke stellen kann. Ein schöner Mann, das klingt auch nicht nach: Ein markanter Mann. Es meint immer eine irgendwie weichgespülte Version. Nehmen wir Vincent Cassel und Adrien Brody, das sind meines Erachtens zwei fantastisch aussehende Männer und eben vor allem: markant, interessant. Keine Schönlinge. Einen Schönling würde man eher in irgendeiner Boyband vermuten, mit perfekt symetrischen Gesichtszügen, hellblauen Augen und nichts zu klein oder zu groß.

Ich glaube, wirklich schöne Männer (die sind eh recht selten), entwickeln tatsächlich nach einer gewissen Zeit eine übersättigte Blasiertheit, weil sie zu oft hören, dass sie schön sind. Wenn sie davon selbst genug haben, rasieren sie sich den Schädel, tätowieren sich oder holen sich beim Surfen eine Narbe und damit ist das „schön“ wieder auf „sieht echt gut aus“ reduziert.

fabian-fuchs

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