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Jungs, wie viel Mutti sind wir für euch?

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Vor einem Jahr bin ich mit meinem Freund zusammengezogen und ich muss sagen, es war die beste Idee, die wir haben konnten. Aber natürlich fallen einem mit der Zeit Verhaltensweisen am anderen auf, die einem vorher nicht aufgefallen sind – einfach, weil man sie vorher in getrennten Wohnungen nicht mitbekommen hat. Ich habe mich zum Beispiel wenige Tag nach dem Umzug umgemeldet – mein Freund ist es heute noch nicht. Ich habe wenige Wochen nach dem Auszug aus meiner alten Wohnung meine Kaution wieder gehabt – mein Freund hat sie heute noch nicht. Da ich die Kaution für unsere gemeinsame Wohnung hinterlegt habe, habe ich am Anfang immer mal wieder gefragt, ob seine Kaution denn schon da sei. „Ne, immer noch nicht“ – „Das ist ja krass. Du musst da mal anrufen.“ – „Ja, mach ich. Aber bis zu einem halben Jahr später ist normal.“ Den letzten Satz ließ mein Freund weg, als ich vor kurzem noch mal nachgefragt habe. Angerufen hat er aber immer noch nicht. Ich finde das auch nicht weiter schlimm, ich wundere mich manchmal nur. Wahrscheinlich wurde ich statt mit Muttermilch mit preußischer Disziplin gesäugt. Ein anderes Beispiel: Ich habe zum Beispiel den Bezug unseres weißen Sofas, das leider sehr schnell verschmutzt, schon mehrmals gewechselt und gewaschen – er noch nie. Unser Bett hat er in dem einen Jahr, in dem wir nun das Bett teilen, maximal dreimal frisch bezogen. Anfangs habe ich auch immer seine Kleider mit gewaschen, wenn ich meine Wäsche gewaschen habe und noch Platz in der Maschine war. Er hat das nie getan – und ich mache es mittlerweile auch nicht mehr. Weil das Verhältnis beim Putzen ähnlich ausgeglichen war, haben wir inzwischen eine Putzfrau. Wir haben auch schon mehrfach darüber geredet, warum das eigentlich so ist, wie es ist und wie wir das ändern können. Ich nehme mir jedes Mal vor, nicht mit der Miene eines ans Kreuz genagelten Christus alles selbst zu machen, sondern ihm einfach zu sagen, wenn ich der Meinung bin, er sollte mehr aufräumen oder sonst was in der Art machen. Er nimmt sich jedes Mal vor, selbst mehr drauf zu achten und mitzudenken. Aber ich fürchte manchmal, tief in eurem Inneren, denkt ihr: „Ach, Mutti wird’s schon richten. So war es früher, als wir noch kleine, verwöhnte Jungs waren, doch auch immer.“ Und deshalb frage ich mich: Wie viel Mutti sind wir für euch eigentlich? Die Jungsantwort liest du auf der nächsten Seite


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Nach der Schule zog ich aus, um an einem anderen Ort in einem Zehn-Quadratmeter-Kabuff mein neues Leben und meine Ausbildung zu beginnen. Ich will dir zur Unterhaltung Details aus meinem ersten Jahr im eigenen Zimmer erzählen, in der Hoffnung, sie mögen dich trösten. 1. Die Dusche. Ich habe sie in dem Jahr meiner Anwesenheit kein einziges Mal geputzt. Das finde ich im Nachhinein nicht besonders lustig, aber: Ich war der festen Überzeugung, dass sich das Problem durch den Duschvorgang von alleine lösen würde. Zudem war die Duscheinheit im Keller untergebracht, die Fliesen waren in Siebziger-Jahre-Kack-Braun gehalten – ich hab den Dreck nicht gesehen. Ich habe erst inne gehalten, als mir nach einem halben Jahr Mietzeit etwas im Keller spanisch vorkam. Die Fliesen blitzten. Die Vermieterin hatte geputzt. Ich habe ihr nie dafür gedankt. 2. Der Teppich. Zuhause habe ich nur auf Anweisung meiner Mutter gesaugt. Immer ohne Murren. Aber nie habe ich mir Gedanken über die Putzzyklen gemacht, über die Notwendigkeit des Putzens an sich. Es geschah, Geisterhand, ich registrierte es nicht. Das Haus als Solches und die Instandhaltung desselben werden für einen Menschen eben erst ab einem bestimmten Zeitpunkt eine Frage. Und nun der Teppich. Nach einigen Monaten Ausbildung fragte ich eines Wochenendes - ich war Wochenendheimfahrer und Bei-Mutter-Wäscher – Mutter, wie oft saugst du eigentlich? Als ich meiner Mutter meine bisherigen Anstrengungen in Sachen Saugen darlegte, schlug sie, und das ist kein Spruch, die Hände vor dem Mund zusammen. An jenem Wochenende nahm ich erstmals einen Sauger mit in mein werktägliches Heim. 3. Das Bett. Es ist wie mit der Dusche und dem Teppich: den heimatlichen Bettenwechsel organisierte meine Mutter mit stierer Pünktlichkeit. Alle zwei bis drei Wochen lag ich in frischen Laken. Nach meinem Auszug änderte sich das. Nur sehr selten kreisten meine Gedanken um „das Bett als Solches“. Die bloß liegende Tätigkeit in der Nacht erachtete ich nicht als verschmutzend, so dass mich erst weiblicher Besuch auf folgenden Trichter brachte: Eine Wohnung putzt sich nicht vom Lüften allein. Denn das konnte ich. Lüften. Ich war nach der Lösung von meiner Mutter ein grundsolider Saubär. Dafür schäme ich mich heute. Was ich denke: In den Elternhäusern, in denen meine Generation groß wurde – und zu der zähle ich einfach mal auch deinen Freund – wurden Jungs nie von der Mutter an die Hand genommen. Es gab selten auch nur einen Grundkurs in „So lebst du sauber und richtig“. Ich war verwöhnt. Den Grundkurs haben entweder nur die Mädchen bekommen oder sie waren einfach immer so gescheit, die besprochenen Notwendigkeiten selbst zu checken. Oder sie können qua Genpool nicht im Dreck leben. Oder sie haben die noch nicht beschriebene Gabe, Staub und Muffel riechen zu können. Oder weiß der liebe Gott. So habe ich, und da kann ich jetzt mal nur für mich sprechen, so habe ich mir meine Lebenstauglichkeit in Sachen Haushalt und Organisationsvermögen von meinen Freundinnen abgeschaut. Zuerst lachte ich über ihre immer geleckten Zimmer (obwohl ich mich darin wohlfühlte), über die im Bad verbrachte Zeit (obwohl sie danach ja so toll aussahen), über ihre Kochambitionen (obwohl es ja so lecker schmeckte). Aber das änderte sich und meine Freundinnen wurden, in speziellen Situationen, zu meinen Müttern. Indem sie mir zuerst halfen und mir auch Dinge nachtrugen. Indem sie mir aber auch ordentlich und hin und wieder mit Zorn in der Stimme das Mutti-Programm zumindest einigermaßen austrieben. Ja, ihr seid im Schnitt und gefühlt zu etwa 30 Prozent auch Mutti für uns. Diese Zahl ist mal höher, mal niedriger, je nachdem, welche Mutter hinter einem Jungen steht. Bei mir war die Zahl jedenfalls mal sehr hoch. Heute ist sie so bei 15 Prozent. Ein bisschen was lässt man ja immer liegen. Ob sich dieser Prozentsatz im Laufe einer Beziehung ändert, liegt an der Lust am Dazulernen bei jedem einzelnen Jungen. Und an eurem Auftreten uns gegenüber. Von den Mädchen, die vielleicht einfach nur gern die 30-Prozent-Mutter ihres Freundes sind, rede ich jetzt mal nicht. stefan-winter

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