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Jungs, wie sollen wir euch anmachen?
Die mutigste Tat meines bisherigen Lebens beging ich in der 9. Klasse auf dem Weg zur Schule. Mein Plan war recht simpel: Wenn dieser eine mit den Locken und den Vans aus der Straßenbahn steigen sollte, wollte ich hinterherlaufen und ihn auf der Straße anhalten. Es zwar sieben Uhr morgens, aber ich baute auf den Überraschungseffekt, darauf, dass der Van-tragende Lockenjunge sich mir in einem Zustand der Schockstarre ausliefern würde. Stadttheater. Er raus. Ich hinterher. Tippe ihm von hinten auf die Schulter. Er dreht sich um. Ich: „Hallo, gibst du mir deine Telefonnummer?“ Er öffnet langsam die Augen. Schreibt etwas auf einen Zettel. Ich sage „Tschüss“ und renne weg. Zwei Tage später ging tatsächlich die richtige Person ans Telefon, und davon beflügelt wurde es mir in diesem Moment sonnenklar: Man kann immer und überall jeden angraben. Leider hat sich so ein Erfolg nie mehr wiederholt. Würde ich heute irgendwen ansprechen wollen, müsste ich a) sehr betrunken sein und b)… keine Ahnung, ich würde es einfach nicht tun. Von Charles Darwin stammt die vielzitierte Weisheit „It’s always the womens choice“, welche besagt, dass ihr euch erst dann traut, nach unserem Namen zu fragen, wenn wir euch bereits mit Augenkontakt und Gegrinse die Erlaubnis erteilt haben. Schon anstrengend auf Dauer, finden viele emanzipierte Jungen von heute. Und so versichert ihr uns ständig mit Nachdruck, wie sehr ihr mehr Initiative aus der Damenwelt willkommen heißen würdet: Das passiert leider so selten, sagt ihr, aber prinzipiell, prinzipiell gesehen fändet ihr es voll super, öfter von Mädchen angebaggert zu werden… Warum das selten passiert? Ganz einfach: Nicht, weil wir uns dafür zu schade sind. Nein, deshalb, weil ihr in der Praxis doch meistens schreiend davonrennt, sobald Mädchen euch eindeutig „Achtung: Anmache“ signalisieren. Dann ist ganz schnell Schluss mit neu entdeckter Beuterolle, der letzte Schluck vom Bier wird runtergespült, gefolgt von „Ich muss mal aufs Klo“-Gegrummel. Und Abgang. Ja, was denn nun? Wollt ihr wirklich angebaggert werden? Seid ihr gelangweilt, wenn ihr selbst keinen Finger mehr rühren müsst? Schrecken euch deshalb offensive Mädchenavancen ab? Wollt ihr doch euren antiquierten Jagdschein zurück haben? Und: Was ist der goldene Weg, den Jungen beim Schopf zu packen? Auf der nächsten Seite die Antwort der Jungs.
In Köln sagt man: „Jeder Jeck ist anders“ und meint damit: Diese Frage kann man nicht beantworten. Jedenfalls nicht für alle Jungs pauschal. Es gibt da nämlich zwei Typen Jungs: Einerseits die lauten Brüllaffen (Variante: Bomberjacke oder Klassenclown), die ganz und gar zusammenbrechen, wenn ein Mädchen deines Formats sie frontal anmacht. Da stimmt deine Beobachtung. Es gibt aber auch die Sanftmütigen, Verständnisvollen unter uns (Typ: Ich), die zunächst skeptisch reagieren, wenn ein Mädchen deines Formats sich für sie interessiert. Da muss doch, so ist ihr (also mein) Gedanke, etwas falsch laufen. Die verwechselt mich, will über mich an meinen Brüllaffen-Belgeiter rankommen oder ist einfach nur zu besoffen, um zu merken wie sanftmütig und gewöhnlich ich eigentlich bin. Aber natürlich steigen diese Jungs (also ich) allein schon aus Höflichkeit auf jede Form der stilvollen Anmache ein. Denn hey, wenn man auf ein Getränk eingeladen wird, kann man ja erstmal einen Schluck nehmen. Niemand verlangt, dass man auch austrinkt.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Das Problem ist aber - und hier kann man deine Frage sogar für unsere Brüllaffen-Kumpels beantworten - es kommt auf den Stil beim Stilvollen an. Denn wenn tatsächlich ein Mädchen den guten Darwin Ernst und einen Jungen ins Visier nimmt, dann legt sie meist den Schwerpunkt auf den zweiten Teil des Wortes stilvoll. Von besoffenen Menschen will aber niemand gerne angemacht werden, von angetrunkenen jedoch schon. Das lockert die Zunge und führt zu sympathischen Versprechern und Rausrutschern, die die Sanftmütigen erfreuen und die Brüllaffigen ganz wild machen. Wenn euch zum Beispiel rausrutscht, dass ihr mit euren Freundinnen über uns gesprochen habt, dann ist das – peinlich, aber leider wahr – schon mal ziemlich spitze für uns. Auch finden wir es gut, wenn ihr uns beiläufig ein Bier in die Hand drückt oder unsere Position in einer Diskussion eloquent unterstützt. Doch vorsichtig, wir sind dabei nur scheinbar so einfach gestrickt, wie Ihr jetzt vielleicht mädchenschlau schlußfolgert. Es gibt nämlich nichts, was uns mehr abturnt als eine junge Dame, die sich kalkuliert verspricht, uns wortreich ein Bier aufdrängt und in einer Debatte mit peinlichen Quatsch-Argumenten unsere stringente und richtige Position aufweicht. Einfach ausgedrückt: Ihr könnt die Form der guten Anmache nicht üben oder einstudieren. Sie funktioniert nämlich nur, wenn sie ehrlich ist. Und das merken wir. Denn eine gute Anmache basiert auf einer Fähigkeit, die man ebenfalls nicht einüben kann: auf Humor. Den gibt es einerseits in der Ausprägung schlagfertig-sexy und andererseits in der Variante gespielter Witz. Und wenn Ihr tatsächlich an die sanftmütigen, verständnisvollen Jungs rankommen wollt (also an mich), dann müsst Ihr schon den schlagfertigen Weg einschlagen. Denn mit einem gespielten Witz kriegt er höchstens die Brüllaffen – wenn die schon betrunken sind. stefan-winter