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Jungs, wie klare Ansagen wollt Ihr?

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Im großen und verwirrenden ABC des romantischen Anbandelns glaubte ich, eine Konstante erkannt zu haben in den Jahren zwischen „Willst Du mit mir gehen?“ und ernsthafter Lebensabschnittserfahrung: Wer zuviel will und das zu früh sagt, ist raus. Einfach schon aufgrund seiner Verfügbarkeit. Zwar fand ich die Regel nie schön, weil Menschen, die offen sagen, dass sie jemanden toll finden, mutig sind, und wer blöde reagiert, ist unfair. Aber doch haften diesem Verhalten die Adjektive „verzweifelt“ und „unerfahren“ und „strategisch blöd“ an. Und wenn ich genau überlege, habe ich mich auch von dem ein oder anderen jungen Mann abgewandt, weil er es zu früh zu ernst meinte, und das auch sagte. Während es also einerseits bei Desinteresse oder temporärem Spaß leicht war, das in deutlichen Worten zu formulieren, nahm ich mir die Zurückhaltung bei ernsten Gefühlen zu Herzen, zumal sie sich gut mit der demselben innewohnenden Schüchternheit verbinden ließ.  

Dieses ideologische Grundgerüst, das nicht selten mein eigenes präromantisches Taktieren bestimmt hat, wurde in letzter Zeit mehrfach in Frage gestellt: Allen voran von Clara, einer Freundin, die einem jungen Mann noch vor dem ersten Kuss, aber nach dem ersten Händchenhalten, sagte: „Hör zu, ich spiele keine Spielchen mehr, ich will Kinder und zwar bald, und wenn Du Dir das mit mir nicht vorstellen kannst, können wir uns den Quatsch hier sparen.“ Oder Franziska, eine andere Freundin. Wenige Monate, nachdem sie den von ihr begehrten Kollegen zu ihrem Freund gemacht hatte und die beiden bereits über eine gemeinsame Wohnung sprachen, legte sie nach mit dem Satz: „Ich ziehe nur mit Dir zusammen, wenn innerhalb des nächsten Jahres der Heiratsantrag folgt.“  

In beiden Fällen war ich in dem Moment, als mir die Freundinnen von den Gesprächen erzählten, sicher, dass nun der Satz „Jetzt sind wir getrennt“ kommen würde, oder mindestens „Nun haben wir eine Denkpause.“ Aber Pustekuchen. Clara wohnt mit ihrem Freund zusammen, Kinder sind eine Frage der Zeit, und bei Franziska durfte ich mit eigenen Augen das Ja-Wort verfolgen. All das stellte meinen Ansatz, ernste Themen wie Zusammenziehen, Hochzeit oder gar Kinder auch im Fall, dass wir daran interessiert sein sollten, zum Erhalt der Leichtigkeit nicht anzuschneiden. Offenbar sind klare Ansagen in Richtung gemeinsame Zukunft gar nicht so abschreckend, wie ich dachte. Und eigentlich ist es von Vorteil, zu sagen, wenn wir uns schon ganz schnell vorstellen können, mit Euch mit 80 auf der Gartenbank sitzen zu können, zumindest in diesem Moment. Dann könnt Ihr nämlich sagen: so nicht, oder her damit? Oder ist das eine ganz doofe Idee?


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Stellen wir uns mal kurz eine Beziehung vor wie einen Gang zur Bäckerei. Der Grundsatz in einem Backwarenbetrieb lautet: Geld gegen Semmeln. Ich gehe in das Geschäft und sage: zwei Semmeln bitte, und die Bäckerin antwortet: macht 50 Cent. Beide Geschäftspartner sind mit dem Ergebnis zufrieden. Was aber wäre, jetzt nur mal angenommen, wenn der Bäcker sagen würde: Gib mir Geld und ich pack dir irgendwas in die Tüte. Vielleicht eine Butterbreze, vielleicht 25 Donuts, vielleicht aber auch nur zwei mürbe Kümmelsemmeln? So ein Gang zur Bäckerei mag ab und zu mal ganz spannend sein, doch auf Dauer kann so keine Geschäfte machen.

Eine Beziehung ist natürlich keine Bäckerei. Aber irgendwie geht es doch um Austausch. Beide wollen vom anderen Aufmerksamkeit, Nähe, Sex, Wertschätzung, Perspektiven, Sicherheit. Der eine will vielleicht ein bisschen mehr Sicherheit, der andere öfter mal Oralsex. Aber unter dem Strich muss die Bilanz bei beiden stimmen. Wenn einer das Gefühl hat, zu wenige Semmeln für sein Geld zu bekommen, wird er unzufrieden und bei dauerhaftem Mangel ohne Aussicht auf Besserung die Beziehung beenden.  

Wenn ein Mädchen, nennen wir sie Anna, gar nichts sagt, was irgendwie den Beziehungsstatus definiert, wir aber händchenhaltend, knutschend und verliebt einen Zoobesuch machen, dann kann das Probleme geben. Spätestens nämlich dann, wenn Anna nach sechs Wochen fragt: „Von welcher Beziehung redest du eigentlich? Ich habe mir vorgenommen, in den nächsten zwölf Monaten mit 30 Männern zu schlafen, du bist Nummer 17.“ Das ist, wie wenn wir beim Bäcker drei Euro hingelegt hätten und anstatt 25 Donuts nur eine vertrocknete Laugenstange bekommen hätten.  

Doof auch, wenn Anna kurz nach dem Kennenlernen sagt, sie wolle nur ficken und wirklich überhaupt nichts anderes, und erst recht keine Gefühle und kein Gedöns, sondern immer nur harten, kompromisslosen Rammelsex. Sechs Wochen später, behauptet Anna immer noch, sie wolle nur Sex, schickt uns aber Fotos von „supersüßen“ Katzenbabys, freundet sich auf Facebook mit unserer Mama an und will vor dem Rammelsex unbedingt noch kurz mit uns in den Zoo.  

Eine gewisse Transparenz also halten wir in Gefühlsdingen durchaus für angebracht und notwendig. Wer vorher weiß und sagt, was er will, wird nicht so leicht enttäuscht. Deswegen finden wir es prinzipiell gut, wenn wir vorher eine klare Ansage bekommen. (Auch ein „Ich bin mir noch nicht so sicher, ich will noch etwas abwarten“ kann eine Ansage sein.)  

Um aber auf den Satz „ „Hör zu, ich spiele keine Spielchen mehr, ich will Kinder und zwar bald, und wenn Du Dir das mit mir nicht vorstellen kannst, können wir uns den Quatsch hier sparen,“ zurückzukommen – das wäre in etwa so, wie wenn die Bäckerin bei Betreten des Ladens sagen würde: Hör mal, du kannst jetzt zwei Semmeln kaufen, aber wenn du das tust, musst du auch morgen, übermorgen und den Rest deines Lebens hier Backwaren - auch wenn sie dir gar nicht schmecken. Wenn du darauf keinen Bock hast, hau ab!“
In diesem Fall würden wir uns vielleicht doch nochmals nach einer anderen Bäckerei umsehen. Es gibt ja zum Glück mehrere.   

philipp-mattheis

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