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Jungs, wie fühlt ihr euch, wenn ihr das Kondom überzieht?
Die Mädchenfrage
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Wenn man sich in den Laken wälzt und kribblig wird, wenn man also zur Tat schreiten will, wenn man schon nichts mehr anhat und es wirklich ganz, ganz bald losgeht, dann kommt der Moment, der ein bisschen so ist wie dieses Geräusch, das romantische Musik in blöden Sketchen unterbricht: Die Nadel wird von der Platte gehoben, es knarzt ganz unerträglich und vorbei ist die schöne Stimmung. Dieser Moment ist der, in dem das Kondom hervorgekramt, ausgepackt und übergezogen werden muss. Das ist naturgemäß eure Aufgabe und wir müssen ein Weilchen warten. Meistens liegen wir dann rum, genießen, dass es warm ist, und freuen uns auf das, was da kommen mag. Sehr selten nur schauen wir hin, weil es ja doch eher sachliche Handgriffe sind, die ihr da machen müsst, ihr hantiert mit Plastik und Gummi und eurem Geschlechtsteil, müsst präzise und doch schnell sein. Das passt alles nicht so besonders gut zu dem kuscheligen, erhitzten Ambiente, das uns doch eigentlich gerade umgibt. Wir müssen uns ja schon Mühe geben, dass der sterile Gummigeruch, der kurz zu uns hinüberweht, uns nicht vom Hang, der zum Höhepunkt führt, hinab ins Tal der Nüchternheit stößt.
Darum fragen wir uns: Wie ist dieser Moment, dieses Verhütungshandwerk, das ihr ausüben müsst, für euch? Wie fühlt ihr euch, wenn wir uns dann kurz mal in unsere eigene Wohligkeit zurückziehen und ihr ganz alleine mit der Aufgabe seid? Seid ihr genervt, habt ihr manchmal vielleicht sogar Sorge, es könne was schiefgehen, im Eifer des Gefechts? Oder seid ihr von Beginn eures Sexuallebens an damit beschäftigt, die Handgriffe bis zur Perfektion einzuüben und eine Art erotischen Überbrückungsfilm zu entwickeln, der sich vor eurem inneren Auge abspielt, damit ihr auf Kurs bleibt? Sagt doch mal, wie ihr euch beim Kondomüberziehen fühlt!
Die Jungsantwort
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Ach, das olle Kondom. Wie du den Moment beschreibst, also mit der knarzenden Nadel, das stimmt schon, genauso fühlt sich das an. Auch wenn man Nadel und Kondom ungern in einem Satz zusammenbringt, natürlich. Es ist, gegen die wohlmeinenden Ratschläge von Schöner-Sexeln-Büchern, tatsächlich kaum möglich diese paar Handgriffe in den geschmeidigen Ablauf einzubauen oder mindestens genauso schwer, wie sich elegant die Socken auszuziehen. Es ist eine Unterbrechung, die für uns aber schon ein paar Minuten vorher angefangen hat, wenn wir nämlich langsam mal und immer intensiver überlegen, wann wohl der richtige Zeitpunkt für das Gummi-Intermezzo gekommen ist. Je nachdem, wie vertraut man mit dem Bettpartner ist, ist diese Frage gar nicht unheikel, schließlich ahnt man zwar in den meisten Fällen, dass sexual intercourse geplant ist, aber trotzdem schafft der Griff zum Kondom auch Fakten. Man zieht es ja nicht mal einfach so über, nur für den Fall. Es wäre also das Allerschrecklichste was passieren könnte, dass man mit der Aufsatzarbeit beginnt und feststellt, dass die Frau vom One-Night-Stand gar nicht die Frau vom One-Night-Stand sein will. Aber diesen Sonderfall lassen wir mal beiseite.
Gehen wir davon aus, es ist wie du sagst, das gegenseitig wohlig-erhitzte Ambiente ist eingetreten, das nun sehr deutlich nach Fortsetzung im nächsten Level schreit. Wir wissen, wir brauchen jetzt ein Kondom. Wir wissen, im Nachtkästchen sind Kondome. Nun führt eigentlich nichts daran vorbei, als zur hitzenden Dame zu sagen: „Merken Sie sich bitte, was sie machen wollten, Fräulein Else!“ und gleichzeitig maximal konzentriert und schnell im Halbdunkel das Kästchen zu durchwühlen, das Päckchen zu greifen und das unwürdige Zeug herauszuwursteln. Ja, es geht jetzt ein bisschen um Übung, eigentlich ist es wie bei den Boxenstopps der Formel Eins, die wir atemlos verfolgen seit wir kleine Jungs sind: Mitten im schönsten Rennen muss man plötzlich auf Null runterbremsen und jeder Handgriff muss dann sitzen, damit es möglichst schnell weitergeht. Es darf nichts schiefgehen, es dürfen zum beispiel da wo Kondome sein sollten nicht keine Kondome sein.
Natürlich ist auch ein guter Boxenstopp eine Unterbrechung und natürlich ist jede Unterbrechung beim Sex gefährlich, das gilt auch für Kaugummi raustun, Brille absetzen, „Mir tut da was weh“ sagen oder das Telefonklingeln nicht ganz ignorieren können. All diese weltlichen Momente haben es in sich, den Zauber des Geschehens zu relativieren, das wollüstige Treiben zu etwas Komischem herabzumindern. Sex ist eigentlich ein geschlossenes System und es braucht ein wenig Selbstbewusstsein, um dieses System auch mit Störung aufrecht zu erhalten.
Nun wird das Kondom, im Gegensatz zu den anderen Dingen, ja aber tatsächlich sehr bald Teil des Systems, deswegen wollen die unseligen Sexberater es ja auch ins sog. Liebesspiel mit einbeziehen. Ich will nicht in Abrede stellen, dass das gelegentlich auch funktionieren kann, das wäre dann aber vor allem eurer Initative zu verdanken, die das Ganze zu einem irgendwie lässigen Zwischenschritt werden lässt. Viel eher aber scheint es mir ratsam, das prosaische Entpacken und Aufrollen nicht zu zelebrieren, sondern es schnellstmöglich hinter sich zu bringen und dann gleich wieder zu vergessen. Der Geruch, das Vorsichtige, das Penible und Fremde, das mit dem Kondom einhergeht ist nichts, was uns in diesem Augenblick Freude macht.
Es ist uns auch nicht direkt peinlich, schließlich dient das Ganze ja einer guten Sache, aber es ist eben ein Moment großer Nacktheit, in dem wir kurz allein mit unserem Körper sind, obwohl Alleinsein das Gegenteil von dem ist, was vor 30 Sekunden noch war. Komisch! Annähernd vergleichbar nur mit dem ungleich selteneren Moment, in dem eine Frau sich zum Zwecke der Vögelei verschämt ihres Tampons entledigt. Keine Schande, nicht peinlich, trotzdem insgesamt so, dass man schnell ein bisschen vorspulen möchte. Nur gut, dass es in der Natur der natürlichsten Sache der Welt liegt, dass wir alles Unerfreuliche dabei sehr schnell ausblenden können.
fabian-fuchs