Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Jungs, wer macht den Heiratsantrag?

Teile diesen Beitrag mit Anderen:



Manchmal treten wir von unserer Ich-heirate-eh-nie-und-wenn-erst-in-500-Jahren-Haltung ab und denken drüber nach, wie es wohl aussehen könnte, wenn wir es doch eines Tages täten. Für die meisten von uns hat das Konzept der Vermählung längst nichts mehr mit Sektempfang am Stehtisch, Brautschleier und weißer-Tauben-Romantik zu tun. Was wir heute mit dieser ganzen Hochzeits-Sache meinen ist, wenn überhaupt, eine eher pragmatische Entscheidung für Steuervorteile gekoppelt mit einem willkommenen Anlass für eine große Party. Einen Dresscode gibt es dabei nicht zwingend und wenn doch, dann nur im kokettierenden The-Great-Gatsby-Style-Sinn.

Was uns bei all diesen Heiratsszenarioumkreisungen tatsächlich Grübeleien beschert, ist das wohl entscheidendste Glied der Vermählungskette: Der Heiratsantrag. Wenn das Hochzeitsfest zu einem großen Rave mit Freunden geworden ist, was ist dann eigentlich aus dem Ritual des Um-Die-Hand-Anhaltens geworden? Man hat ja bei dem Gedanken daran immer nur zwei Situationen vor Augen: Entweder die Kai-Pflaume-Aktion im Rapsfeld, bei der die zitternd fragenden Männer immer aussehen, als hätten sie gerade eine Geburt hinter sich - oder zwei nett aussehende Menschen auf dem Balkon, die sich im vernünftigen Gespräch zum nächsten Schritt entscheiden.

So bescheuert die erste Variante ist, so unromantisch ist die zweite. Wie also machen? Irgendwo tief in uns drinnen sitzt ja schon noch die Vorstellung vom Mann als Antragmacher, gleichzeitig geht uns das als modernen Frauen aber auch gewaltig gegen den Strich. Soll es halt kommen, wie es kommt, wenn wir eines Tages Bock haben zu fragen, machen wir es halt. Ganz so leicht ist es dann aber auch wieder nicht: Bei aller Abkehr von Kirchenkitsch und Verlobungsring sollte dieser winzige Moment des Füreinanderentscheidens ja doch irgendwie noch besonders sein. Oder ist er das sowieso, weil so eine Entscheidung immer besonders ist?

Wie ist das bei euch, denkt ihr über so etwas nach? Tragt ihr „den Heiratsantrag" noch als so ein natürliches männliches To-Do-Ding in euch herum? Habt ihr Angst davor? Oder denkt ihr: Emanzipation hallo-oh-hoooo, völlig klar, dass ihr Frauen das macht?! Wie stellt ihr euch die Sache mit dem Antrag vor?

Auf der nächsten Seite liest du die Jungsantwort von jan-stremmel.



Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Deine These ist mir ja erstmal sympathisch. „Eigentlich nie, und wenn doch, dann in 500 Jahren", das beschreibt ganz gut meinen eigenen Gefühlshaushalt, wenn ich ans Heiraten denke. Das Sonderbare ist aber: Egal wie fern mir das ganze Trallala rund um Hochzeit, Nachwuchsplanung und Ankauf von Volvo-Kombis sein mag – zum Thema Antrag hab ich doch seit längerem eine einigermaßen klare Blaupause vor Augen. Die definiert sich allerdings zunächst vor allem ex negativo. Denn egal wann oder wie oder wem ich wo einen Antrag mache – auf keinen Fall wird er so ablaufen, wie mir das in letzter Zeit andauernd irgendwelche ambitionierten Youtube-Dämlacks ins Hirn zapfen: mit inszeniertem Sturz vom Walmart-Dach oder Live-Performance unter Beteiligung der halben Stadtbevölkerung.

Ein Antrag sollte bitte immer noch vor allem eins sein: die höfliche Bitte um ein Upgrade vom Boyfriend zum künftigen Verlobten, möglichst sogar mit der Option auf ein dahin gemurmeltes „Nein", was solche durchchoreografierten Geiselnahmen ja gar nicht mehr einplanen. Abgesehen vom genaueren Prozedere – wenn es in besagten 500 Jahren tatsächlich soweit sein sollte, will ich auf jeden Fall selbst den Antrag stellen. Eher nicht auf Knien, eher nicht im eilig angezogenen schwarzen Anzug und hinter einem drallen Rosenbouquet – aber machen will ICH ihn, Emanzipations-Hallo hin oder her.

Vielleicht ist das die kleine Prise preußischer Macho-Schule, die ich aus meiner ansonsten löblich durchemanzipierten Erziehung zum Sitzpinkler mitgenommen habe, vielleicht ist das auch alles Quatsch und es geht da ähnlich wie beim Aufhalten von Taxitüren einfach um Höflichkeit gegenüber eurem Geschlecht – jedenfalls ähnelt meine Vorstellung vom Heiratsantrag ein bisschen der Idee, meinem irgendwann vielleicht auch mal vorhandenen Kind ein Baumhaus zu bauen. Das will nämlich auch unbedingt ICH machen, sogar dann, wenn meine Frau Bauingenieurin mit Schwerpunkt Holzkonstruktion ist.

Von der genaueren Dramaturgie des Antrags habe ich allerdings noch keine Vorstellung. Es ist nicht so, als trügen wir Jungs da eine Checkliste in der Brusttasche mit uns, für die dann zwingend ein wogendes Kornfeld oder ein Krachtenboot organisiert werden müssten. Meine Idee von diesem Moment pendelt eher so vage zwischen einer Flasche guten Rotweins auf dem Balkon (Minimum) und einem versteckten Ring unter der Serviette am Frühstückstisch in der Toskana (Maximum). Aber wer weiß, ob es in 500 Jahren noch Servietten gibt oder die Toskana. 

  • teilen
  • schließen