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Jungs, was soll die Telefonstimme?
Liebe Jungs,
drei Brüder zu haben, hat ziemlich viele Vorteile. Größter: Man muss nie die Anziehsachen seiner Geschwister auftragen. Zweitgrößter: Man darf als kleine Schwester relativ früh mit Jungs abhängen. Weil man irgendwie zum Inventar gehört. Man ist keine potenzielle Heiratskandidatin, sondern einfach nur „die Schwester vom Haunhorst“. Das führt dazu, dass die Jungs sich um einen herum relativ natürlich verhalten, hoffe ich zumindest. Sie ignorieren, wenn man beim Biertrinken daneben sitzt, pöbeln über den HSV und grölen nach Mitternacht ungehemmt Lieder von den Toten Hosen auf der Dachterrasse. Manchmal ziehen sie sich auch ohne Grund aus, aber diese Frage wurde hier ja schon weitreichend beantwortet. So viel also zum natürlichen Verhalten von Jungs.
Und dann gibt es da diesen Moment, in dem das ganze natürliche Verhalten zerbricht. Situationen, in denen Männer, die eben noch mit kehliger Stimme die Vorzüge der Sky-Moderatorin erläutert haben, auf einmal zu klebrigen Toffee-Bonbons werden. Und dieser Moment ist, wenn das Telefon klingelt.
Innerhalb von Sekunden erkennt man bei euch, ob ein Mann oder eine Frau am anderen Ende der Leitung ist. Wird eure Stimme süßlich langgezogen („Heeeeeey“) oder glucksend-samtig („Na du?“) weiß man: Eure Freundin ist dran. Nicht zu verwechseln mit dem süßlich-abgehackten „Ha – (die Stimme erreicht ihren Höhepunkt) - llo!“ – dann ist es eher eure Mutter. Ist hingegen ein Mann am Telefon, verzichtet ihr auf diese Stimmverstell-Nummer. Dann könnt ihr ganz normal reden.
Interessanterweise gilt diese Beobachtung auf für den Job: Männer, die am Telefon etwas von einem wollen, verfallen automatisch ins Flötende. Man kann sich dann nicht wirklich vorstellen, dass sie im wahren Leben zu ihrer Kollegin auch immer sagen „das wäre total toll“ oder „ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn Sie Lust hätten...“. Aber am Telefon scheint es euch ein inneres Bedürfnis zu sein, eine Karamell- bis Schleimspur hinter euch herzuziehen.
Was soll das? Denkt ihr, am Telefon sollte man höflicher sein als beim direkten Kontakt? Oder ist das eine Form des Überspielens von Unsicherheit, weil ihr Telefonieren eigentlich hasst? Und warum ist es euch vor euren Freunden und Kollegen eigentlich nicht peinlich diesen Singsang am Telefon aufzuführen? Was ist da los?
Auf der nächsten Seite liest du die Jungsantwort von elias-steffensen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Liebe Mädchen,
der Sexismus kommt zum Schluss. Glaube ich. Ich probiere heute mal einen Dreisprung zur Lösung. Erstens: Jobcoaching. Eine kraft- und klangvolle Stimme, das sagen Karriereratgeber einvernehmlich, überzeugt nicht nur mit dem ersten Eindruck, sie schafft auch langfristig Vertrauen. Damit das klappt vorm Telefonieren nacheinander laut und deutlich diese Silben sprechen: Mam. Mem. Mim. Mom. Mum.
Zweitens: Ein Lob an uns selbst. Ein vergiftetes leider nur (siehe unten), aber immerhin. Denn unser flötiges Gesäusel, das ich mit großer Überzeugung bestätigen will, spricht für unsere Empathie, unsere (wahrscheinlich erst über die vergangenen Generationen gewachsene) Fähigkeit, die Schwingungen des Gegenübers aufzunehmen. Also von euch. Wenn wir den Ton in unserer Stimme farblich Richtung Lavendel dimmen und losgurren, dann haben wir nämlich etwas gelernt: Wir müssen euch gar nicht immer in unserer vollen Grobschlächtigkeit überrumpeln, um Souveränität zu simulieren – sei es beim Umgarnen oder im professionellen Rahmen eines Jobs.
Es ist derselbe Impuls, der uns noch mal flüchtig die Frisur überprüfen lässt, bevor wir euch treffen, oder den Atem. Ein Versuch, unsere gefühlte Kantigkeit etwas rundzuklopfen, Scharten auszuwetzen. Euch auf Augenhöhe zu begegnen und nicht im brünftigen Sturm. Man könnte einen Fortschritt annehmen. Evolution gar.
Leider ist es am Ende des Tages drittens: wahrscheinlich doch wieder eine kleines bisschen Sexismus-Kacke. Unterbewusst wohl eher, aber doch eindeutig. Wer mit seinem Gegenüber spricht wie mit einem kleinkalibrig verwundeten Bambi, ist überheblich. Er verniedlicht. Verniedlichung ist eine Waffe. Leider funktioniert die sehr gut. Ich bekomme jedenfalls eher positive Reaktionen aufs Flöten. Ein Kreislauf, an dem nicht nur wir schuld sind. Trotzdem tut’s mir leid. Ich gelobe Besserung, warne aber: Die Flötstimme muss sich ausschleichen. Ein kalter Entzug wäre zu viel. Bitte seid so lange nicht böse – das wäre total toll.
Guru-guru,
Elias
Text: charlotte-haunhorst - Illustration: katharina-bitzl