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Jungs, was soll der Hut da auf der Ablage?
Jungs, heute mal ganz kurz und schmerzlos: In acht von zehn Fällen finden wir bei unseren Herrenbesuchen an eurer Garderobe oder auf eurem Kleiderschrank einen Hut. Und zwar kein Baseball-Cap, keinen Doherty-H&M-Minihütchen, keine Wollmütze mit Bommel. Sondern einen sehr klassischen, um nicht zu sagen: spießigen Herrenhut. Noch nie haben wir euch in dem Hut gesehen und nach unserer Erfahrung werdet ihr den auch in den nächsten Jahren kein einziges Mal tragen. Darauf angesprochen reagiert ihr fast immer mit einer reizenden Mischung aus Stolz und Verlegenheit und verweist mit wichtigtuerischer Stimme darauf, dass es sich bei dem Kopfdeckel um „einen echten Borsalino“ handelt. Jungs, was hat es mit diesem Hut auf sich? Handelt es sich dabei um eine Art käuflich erworbene Selbstvergewisserung, dass ihr tatsächlich noch echte Männer seid? Musstet ihr den bei einer Zeremonie für euren Initiationsritus in die Erwachsenenwelt tragen? Bekommt ihr den als obligatorisches Geschenk des Vaters zum 18. Geburtstag? Oder kauft ihr euch den selbst? Und warum? Damit wir uns hier nicht falsch verstehen: ihr sollt tragen, was und wann ihr es wollt. Und wir wollen euch in der Hinsicht auch gar nichts vorschreiben. Wir wundern uns nur ein kleines bisschen darüber, dass so viele von euch einen Hut besitzen, den sie aus gutem Grund nie aufsetzen. Und wüssten gerne, nach wie vielen Jahren wir das verstaubte Dings ohne schlechtes Gewissen in den Altkleidersack stopfen dürfen. Auf der nächsten Seite kannst du die Jungs-Antwort lesen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Der Hut ist ein Männlichkeitssymbol. Wie ihr schon zu Recht erwähnt habt, geht es bei der Beantwortung dieser Frage nicht um den Pete-Doherty-Hut. Denn der Pete-Doherty-Hut spielt in einer ganz anderen Liga als der richtige, der echte Herrenhut. Erstere hat eine leicht ironische, wenn nicht gar eine verniedlichende Konnotation. Letzterer hingegen ist eine verdammt ernste Angelegenheit. Der P-H-Hut ist eine modische Spielerei und seines Zeichens der Vergänglichkeit ausgesetzt. Der H-Hut hingegen ist ein zeitübergreifendes Symbol der Würde, der Macht und Reife. Er erhöht seinen Träger, stattet ihn mit Bedeutung aus und stellt ihn in eine Reihe mit anderen bedeutenden Hutträgern: Humphrey Bogart, den Papst oder John Wayne. In nahezu jeder Jungsbiografie gab es Momente, in denen wir mindestens zwei dieser Personen schon einmal gern gewesen wären. In solchen Phasen klemmen wir uns die Zigarette in den Mundwinkel, lehnen uns an die gläserne Wand einer Bushaltestelle und blicken visionär in die Ferne. Wir neigen den Kopf schräg nach unten, um euch mit großen, vielsagenden Augen lässig anzusprechen und verkneifen uns dabei gerade noch, ein „Süße“ dranzuhängen. Wir machen einen auf einsamen Wolf und setzen uns alleine an eine Bar. Auf unseren Schultern lastet der Schmerz der Welt, doch den ertragen wir wie ein Mann. Es sind diese Phasen, in denen wir der Meinung sind: Alles, was uns jetzt noch fehlt, ist ein Hut. Allein: Ist der Herrenhut einmal auf unserem Kopf gelandet, sieht alles anders aus. Der Rauch der Zigarette im Mundwinkel brennt plötzlich im Auge. Die schräge Kopfhaltung führt zu einer ekelhaften Nackenverspannung und nach dem zweiten Bier alleine an der Bar wird es echt langweilig und wir schreiben allen Freunden eine SMS mit „Machst du heute was?“ Dieser Hut auf unserem Haupt macht dann alles noch schlimmer. Er erinnert uns daran, wie wir sein wollen und dass wir es noch nicht sind. Wenn dann noch ein Mädchen vorbei kommt und fragt: „Seit wann trägst du denn einen Hut?“, bricht dieses Kartenhaus an verworrenen Männlichkeitsidealen in sich zusammen und wir schrumpfen schlagartig auf Jungsgröße zurück. Das Hutprojekt verschieben wir dann bis zu unserem 40. Geburtstag. philipp-mattheis