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Jungs, was macht euch an pinkelnden Frauen unglücklich
Es ist und bleibt ja eine fürchterlich unpoetische und ganz und gar sozial inkompatible Angelegenheit, dass Menschen auf Toilette müssen. Natürlich kann das Verrichten der Notdurft etwa sehr Erleichterndes sein. Wenn man es allein erlebt. Zu zweit aber ist es beklemmend.
Nun ist es aber so, dass man nicht immer hinter geschlossenen Türen pinkeln kann. Dass man es manchmal auch draußen tun muss und dass man dabei Gefahr läuft, dass einen dabei jemand sieht. Mindestens derjenige, mit dem man unterwegs ist, zum Beispiel der eigene Freund.
Je nachdem, wie lang eine Beziehung schon währt und wie weit gediehen die Fäkalgelassenheit zwischen beiden ist, gehen die Beteiligten außer Haus entweder nicht eher pinkeln, bevor sie komplett außer Sichtweite sind. Oder aber es ist ihnen zunehmend egal und sie pinkeln einfach voreinander los. Weil sie denken: Ach, bei dem ist es nicht schlimm. Der liebt mich ja. Und es ist ja nur Pinkeln. Und es ist draußen. Sich beim Draußenpinkeln sehen ist okay, wenn man einander liebt. Man sieht doch ständig Menschen draußen pinkeln. Zugegebenermaßen meistens Männer. Weil die es dabei nun mal einfacher haben.
Was ist am Pinkeln der Frau so viel befremdlicher als am Pinkeln des Mannes?
Jetzt gibt es aber, wie mir zu Ohren kam, Typen, die ein Problem damit haben, wenn sie Frauen zu oft beim Pinkeln sehen müssen. Ja, auch ihre eigene Freundin. Das finden sie „einfach befremdlich“. So „ein bisschen iiiiih, und das irgendwie mehr als bei Männern“. Obwohl sie wissen, dass sie es ja selbst andauernd da tun, wo es ihnen gerade passt.
Und das finde jetzt wiederum ich befremdlich. Wie gesagt: Ja, es gibt Romantischeres. Und ja, es ist etwas sehr Schönes, auch in einer langjährigen Beziehung noch ein Mindestmaß an Anstand und Contenance an den Tag zu legen.
Aber was findet ihr am gelegentlichen Notsituation-weil-nirgends-Klo-und-blickdichtes-Versteck-Pinkeln denn bitteschön so „iiih“-mäßig? Was ist am Pinkeln der Frau so viel befremdlicher als am Pinkeln des Mannes? Ist es die hockende Position? Seht ihr da zu viel von etwas, das ihr nur aus einem sehr viel, sagen wir, anregenderen Kontext kennt? Aber Jungs, ganz egal, wie es ist: Wenn die Freundin eine coole Sau ist, ist sie dann nicht sogar noch wahnsinnig charmant, wenn sie auf ein weites Feld pinkelt? Raus damit also: Was macht euch an in der Öffentlichkeit pinkelnden Frauen so unglücklich? Bitte aufklären.
Die Jungsantwort:
Ich kannte mal ein Mädchen, nennen wir sie Dana. Mit der konnte man sehr gut Biere trinken und verrückte Dinge tun, und wenn man mit ihr auf einer Gartenparty oder irgendeinem illegalen Fest unter einer Brücke war, fragte sie manchmal: Kommst du kurz mit Pinkeln? Nur, damit es keine Missverständnisse gibt: Sie fragte das nicht nur ihre weiblichen Freundinnen. Sondern auch Jungs. Auch mich. Wenn sie überhaupt fragte – es kam auch vor, dass man mitten in einem Gespräch am Rande eines Lagerfeuers plötzlich beiseite gezogen wurde, weil Dana pinkeln musste, das Gespräch aber nicht unterbrechen wollte. Sie tat dann also, was sie tun musste, und redete einfach weiter, als wäre nix. Und ich glaube, wir Jungs wären in Sachen weibliche Wildpinkelei nicht so verschämt und verklemmt, wenn ihr alle ein bisschen mehr wie Dana wärt.
Denn die meisten von euch sind ja weit entfernt von dieser Scheiß-drauf-Attitüde (oder hier wohl: Piss-drauf-Attitüde). Ihr verhaltet euch eher wie diese ängstlichen Huftiere in einer Serengeti-Doku, die immer ganz arg Obacht geben müssen, weil ja jederzeit ein Gepard aufkreuzen und sie zerfleischen könnte. Und ich glaube, diese Vibes übertragen sich auf uns. Weil es euch unangenehm ist, ist es uns unangenehm, dass es euch unangenehm ist. Und wir verkrampfen, schauen verschämt weg, wenden uns ab. Weil wir euch nicht zu nahe treten oder weiter verunsichern wollen. Das soll jetzt keine Schuldzuweisung sein, ihr habt euch eure Scham ja nicht selbst ausgesucht, sie ist eher ein Produkt aus Normen, Erziehung und Geschlechterrollenquatsch.
Eure Haltung verstärkt dieses grundsätzliche Problem noch. Ihr seid beim Pinkeln nackter als wir, ihr hockt da in einer Position, die wohl nur Wenige als würdevoll bezeichnen würden. Ein pinkelnder Typ hat, haha, die Sache in der Hand. Wörtlich, aber auch im übertragenen Sinne. Wir können uns da als Herr der Situation fühlen, wir können jederzeit weglaufen und wir können aus unserer Wildpinklerei einen Spaß machen, vor allem, wenn wir betrunken sind. Wir können unsere Namen in den Schnee pinkeln und wir können dabei Wörter wie "Feuerwehrschlauch" benutzen. Bei euch geht das alles nicht – oder zumindest wirkt es auf uns nicht so. Und das macht dieses Unwohlsein bei uns und euch noch ein bisschen größer, glaube ich. Deshalb: Mehr Dana-Haftigkeit bitte!
Natürlich heißt all das auch: Je näher wir der Neben-uns-Pinklerin stehen, desto weniger kommen diese Faktoren zum Tragen. Je größer die Vertrautheit, desto größer die Fäkalgelassenheit, wie du es nennst. Da verwandelt sich die Scham dann, glaube ich, eher in einen Beschützerreflex. Wir schieben Wache, schauen, dass nicht ein Fremder um die Ecke biegt und euch erwischt. Dass Typen ihre eigene Freundin beim Pinkeln eklig finden, kann ich nicht bestätigen.
Womit wir beim letzten von dir angesprochenen Aspekt wären. Der Sache mit dem Zu-viel-Sehen. Dem würde ich nicht so viel Bedeutung beimessen. Kann schon sein, dass uns ein bisschen mehr präsentiert wird, als wir sehen wollen. Und vielleicht erinnert uns das daran, dass euer Untenrum nicht nur zu unserem gemeinsamen Vergnügen da ist, sondern auch andere Zwecke zu erfüllen hat. Das ist aber nicht weiter schlimm, weil wir das ja meistens ganz erfolgreich ausblenden können und da so ein kurzer Pinkelmoment keine erheblichen Erschütterungen nach sich zieht. Wir essen ja auch Leberkas, obwohl wir manchmal im Fernsehen sehen, wie er zusammengepanscht wird. Gleichzeitig würde man wohl kaum neben eine Wursttheke einen Großbildschirm mit Livestream in die Leberkäse-Fabrik stellen.
So. Bevor mir jetzt irgendjemand vorwirft, ich würde euch mit Leberkas gleichsetzen, halte ich lieber die Klappe. Könnte eh mal austreten.