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Jungs, was habt ihr mit euren Skateboards?

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Die Mädchenfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Jungs, auch, wenn es wehtut, wir müssen über diese Skateboard-Kolumne sprechen. Mit einem Text auf Brigitte.de hat eine Autorin für den Shitstorm der Woche gesorgt und, viel schlimmer, euch Jungs anscheinend schwer verletzt. Aber von vorne. In ihrer Kolumne regt sich die Autorin über Männer auf, die ab 25 noch Skateboard fahren. „Das sind oft Typen, die eine schräge Pony-Frisur tragen, nie lächeln und nach der Party von letzter Nacht riechen“, schreibt sie, und das in einem befremdlich aggressiven Ton. „Am liebsten würde ich die am ergrauten Schopf packen und anschreien: ‚Hör auf damit! Dafür bist du zu alt.’“ Sie schlägt vor, dass sich Männer ab 30 doch bitte austoben, indem sie „schnelle Autos fahren, Fußball spielen oder auf Bäume klettern“, und wird am Schluss auch noch seltsam altklug: „Erwachsen sein ist gar nicht schlimm. Versprochen.“  

Mit der Reaktion, die darauf folgte, hat die Redaktion nicht gerechnet: Mehr als 1.500 wütende Kommentare wurden unter den Artikel gepostet, zumindest sind nach einer Lösch-Aktion noch so viele übrig. Der Text wurde erst von der Seite genommen und dann wieder online gestellt, inzwischen steht er, ein bisschen versteckt, unter fünf verschiedenen Stellungnahmen der Redaktion. Auf Twitter und mehreren Facebook-Seiten geht das Lästern weiter und artet zum Teil in unangemessene Drohungen aus.

Das Besondere an diesem Shitstorm ist, dass ihr Jungs dieses Mal so besonders allergisch reagiert. Wie kommt das? Was die Kolumnistin da schreibt, ist vielleicht ihre Meinung, die darf sie äußern. Klar, diese zu verallgemeinern ist einfach nur Quatsch und überhaupt, Skateboarden ist nicht nur ein Jungsding. Trotzdem hat der Artikel bei euch anscheinend einen sehr wunden Punkt getroffen. Sagt uns, was habt ihr mit euren Skateboards? Warum fühlt ihr euch so verletzt? Bewahrt ihr euch mit euren Boards am Ende doch ein Stückchen Jungsein?


Auf der nächsten Seite liest du die Jungsantwort von christian-helten. 



Die Jungsantwort von christian-helten:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Ich kann nicht sonderlich gut Skateboard fahren. Genau genommen bin ich nie wirklich über einen Ollie und einen 180 hinausgekommen. Ich kann also hier nicht für die Jungs sprechen, die wirklich Skateboard fahren, die Skaten als Sport betreiben. Für die muss ich aber auch nicht sprechen. Denn dass man Skaten als Sport lieben kann, wenn man über 25 ist, sollte außer Frage stehen.  

Spannender ist die Frage glaube ich in Bezug auf Jungs, die eigentlich keine wirklichen Skater (mehr) sind. Die meisten Jungs über 25, die ich kenne – und ich selbst ebenfalls – haben ein Skateboard im Keller stehen. Selbst wenn wir es nicht benutzen, werden wir es beim nächsten Umzug wieder mitnehmen und nicht in die Kiste mit der Aufschrift „Kann weg“ stopfen. Viele von uns holen es ab und an sogar hervor. Ich zum Beispiel fahre manchmal mit dem Skateboard zum Bäcker, die Strecke ist mir manchmal zu lang zum Laufen und zu kurz zum Fahrradfahren. Ein bisschen Fahrtwind, ein bisschen Rollengeräusch auf dem Gehsteig machen den notwendigen Bäckerausflug zu einem kleinen Genuss. Und ja, irgendwie auch zu einem Ausflug in die Zeit, als man sich noch nicht mit den Problemen und Sorgen eines Über-25-Jährigen (oder Über-30-Jährigen) herumschlagen musste. Als die Nachmittage aus Herumrollen und Ollies bestanden, aus Scheiße bauen und Beastie Boys hören, und Dinge wie Steuererklärungen noch ganz weit weg in der Welt der Erwachsenen lagen.  

Das Skateboard ist eine der unverzichtbaren Zutaten, aus denen wir Jungs unsere Vorstellung vom Jungsein – und vom Junge sein – zusammenrühren. In der Skatekultur waren immer Elemente des Rebellischen enthalten, das sah man im Auftreten der Skater, man sah es oder spürte es selbst, wenn wieder mal ein Wachmann eine Gruppe Skater von einem Vorplatz eines Bürogebäudes mit einladenden Stufen vertrieb, und man sah es in den Skate-Videos, die wir als DVD oder VHS-Kassette im Reagla hatten, zu denen lange Zeit auch dämliche Mutproben und pubertärer Jungsquatsch gehörten und die die geistigen Väter der Jackass-Serie waren. Skaten hat auch im Jahr 2012 noch einen Touch von Rebellion, und der gefällt uns und erinnert uns an die kleinen Rebellen, die wir mit 16 waren oder zumindest sein wollten. Das ist ein Grund, warum wir uns nicht verbieten lassen wollen, das Skateboard aus dem Keller zu holen, genauso wenig, wie wir uns verbieten lassen wollen, mal einen Abend vor einer Spielkonsole zu verbringen. Wir wollen uns ein bisschen Jungsein bewahren, ganz unabhängig vom Alter.  

Ein anderer Grund: Skaten hat es geschafft, ein ernst zu nehmender Sport zu werden und gleichzeitig echt zu bleiben. Auf einem Skateboard anständige Tricks hinzubekommen, ist schwer. Man lernt es nicht in ein paar Tagen, man muss es wollen und viel Zeit und einiges an aufgeschürften Ellenbogen und Knien investieren. Das gibt dem ganzen eine natürliche Exklusivität. Skaten ist nichts für jeden Dahergelaufenen (oder Dahergerollten) - und das imponiert uns irgendwie.


Text: kathrin-hollmer - Cover: han.lei / photocase.com

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