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Jungs, warum zitiert ihr so gerne?

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Die Mädchenfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Jungs, eigentlich verwirrt ihr uns ja ständig. Tag für Tag mühen wir uns ab, die Welt um uns herum im Allgemeinen und euer Verhalten im Speziellen ein bisschen besser zu verstehen. Aber manche Sachen sind nach wie vor nicht zu kapieren und eine davon ist eure Vorliebe für Zitate. Neulich zum Beispiel unterhalte ich mich so mit meinem Freund J. über die Zukunft der Menschheit, ganz schön heavy, das Thema also. Auf einmal meint er: „Wir wissen eh, dass sich die Menschen in den nächsten Jahrhunderten total verändern, kein Skelett, mehr Finger!“ Auf meine fragegroßen Augen angesichts dieser Diagnose zuckte J. nur mit den Schultern und fragte zurück: „Hast du die Simpsons-Folge nicht gesehen?“ Nein, hatte ich nicht. Aber selbst wenn, hätte ich mich wohl kaum an sie erinnert. Geschweige denn daran, was Marge zu Homer sagt und was der daraufhin für ein Geräusch von sich stößt. Ihr aber könnt das. Ihr könnt Kill Bill auswendig mitsprechen, macht Anspielungen auf obskure Westernfilme mit einer Selbstverständlichkeit, als würdet ihr vom Wetter sprechen. Und wenn ihr euch gerade richtig sportlich fühlt, verwandelt ihr euch vor unseren Augen in bedeutungsschwanger faselnde Wesen, die wir als seltsam, ihr aber als Faceman vom A-Team identifiziert. Manchmal, wenn ihr in uns verliebt seid, bombardiert ihr uns mit kryptischen Phrasen. Erst lassen wir uns von euren lyrischen Anwandlungen schwer beeindrucken und dann, wenn ihr uns tief genug in eure Plattensammlung eingeführt habt, stellen wir fest, dass durch eure romantischen Kurzmitteilungen vor allem der Sänger von Tomte zu uns gesprochen hat. Jetzt kann man wirklich nicht behaupten, wir würden uns nicht für Popkultur interessieren. Wir haben auch Lieblingsfilme und kennen übrigens eine Menge Bands. Was wir allerdings in den wenigsten Fällen besitzen, ist eine enzyklopädische Ansammlung von Zitaten und Referenzen. Ihr schon, und ihr tragt sie stolz vor euch wie der Homer seine Wampe. Nicht falsch verstehen, Jungs: wir finden eure Zitieranfälle meistens überaus charmant und durchaus faszinierend. Begreifen tun wir sie aber trotzdem nicht. Erklärt ihr es uns, bitteschön? Besten Dank. Die Jungsantwort

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Spontan fällt mir dazu die Szene in „Batman Forever“ ein, wo der Riddler sagt: „Zu viele Fragen, zu viele Fragen.“ Oder – noch besser – „Hard to be a girl, so nice to be a boy“ von Adam Green. Was soll man sagen - es stimmt schon. Viele Jungs stecken neben diversen überaus nützlichen Eigenschaften voller scheinbar unnützer Zitate. Wie zum Beweis kann ich mich, seitdem die Mädchenfrage hier in der Redaktion gestellt wurde, vor „guten Tipps“ von ausschließlich männlichen Kollegen kaum retten. „Hey, da muss in die Antwort unbedingt die Szene aus ‚Stirb Langsam zwei’ rein, wo der Willis so total blutverschmiert zu diesem schwarzen Lieutenant sagt:...“ Nun ist es nicht so, dass wir diese ganzen Zitate bloß ein einziges Mal hören müssen, um sie fehlerfrei wiedergeben zu können. Die Worte müssen uns faszinieren. So sehr, dass wir bereit sind, die Repeat-Taste am Abspielgerät zu drücken. Immer und immer wieder. Aber zurück zur eigentlichen Frage: Warum tun wir das? Erstens: Weil wir es können. Jungs tun eine ganze Menge Dinge nur aus diesem einzigen Grund – weil sie es können. Vielleicht müssen wir einfach permanent unsere Grundfunktionen überprüfen, vielleicht gibt es auch ein genetisches Programm, das uns einflüstert: „Frauen finden Männer mit großem Speicher sexy“. Zweitens: Weil wir uns mit den zitierten Figuren identifizieren. Jungs müssen ausprobieren, welche Rolle zu ihnen passt. So wie ihr hin und wieder einen "Look" oder wie das heißt an euch ausprobieren müsst, um zu sehen, ob er zu euch passt, müssen wir hin und wieder testen, ob uns der Good Guy oder der Bad Guy besser steht, indem wir diese Figur quasi von innen erschließen und ihren Text aufsagen. Drittens: Weil man immer einen Spruch auf Lager hat und im Zweifelsfall mit verwegenen oder geistreichen Bemerkungen sein Gegenüber – je nach Intention - entweder lahm- oder flachlegen kann. Toll. (Geübte Jungs wissen übrigens, dass sie dabei keine allzu populären Zitate verwenden sollten.) Viertens: Der Zitatschatz eines Mannes ist ein Indikator für seine kulturellen Vorlieben, die wiederum auf seinen Charakter schließen lassen. Stellvertretend für viele soziale Symbole und Werte, die zur eventuellen Verbrüderung oder Konfliktentstehung kommuniziert werden müssen, gibt die Art und der Umfang unserer Zitatsammlung einen Überblick über versteckte Charaktereigenschaften, die den Freund vom Feind trennen. Wenn also einer beispielsweise permanent aus „Das Haus am See“ zitiert und dabei mit einer Haarsträhne spielt, wird er aller Voraussicht nach nicht mit dem dosenbiertrinkenden Hell’s Angels-Vorsitzenden harmonieren, der ein „Easy Rider“-Zitat nach dem anderen aus dem Lederjackenärmel schüttelt. Übrigens wäre dies auch für euch ein interessanter Weg, Jungs endlich wirklich zu verstehen. Allerdings braucht man dafür jahrelanges Training. Man muss unendlich viele Filme zwei bis drei Mal gucken und beim Musikhören am besten mitschreiben. Außerdem ist es ja auch nicht wirklich erstrebenswert eine wandelnde Zitatsammlung zu sein. Dessen sind wir uns bewusst. Wir können eben nur nicht anders. henrik-pfeiffer

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