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Jungs, warum seid ihr beim Sport so komisch zu uns?

Foto: larszahner / photocase / Bearbeitung: Daniela Rudolf

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Liebe Jungs,

ihr erinnert euch mit Sicherheit ebenso lebhaft wie wir an den gemeinsamen Sportunterricht. Es ist vielleicht schon eine Weile her, aber die Peinlichkeiten und Demütigungen sind zumindest uns noch immer sehr präsent. Sie haben sich in unsere Erinnerung eingebrannt wie ein deftiger Pferdekuss.  

Das schlimmste ist dabei immer das Fußballspielen. Der Horror beginnt mit dem Wählen der Teams: Natürlich schart ihr immer zunächst eure „Jungs” um euch. Wir Mädchen bleiben bis zuletzt übrig und werden dann zähneknirschend und nur sehr widerwillig den Teams zugeteilt. Im Spiel gibt es dann die, die ihren gesamten Kreisliga-Ehrgeiz zusammenraffen und zeigen wollen, was sie so drauf haben. Sie wollen so richtig ballern! Sie ziehen so hart ab, dass am Ende jemand mit einer Gehirnerschütterung vom Platz getragen werden muss oder sie bolzen einfach alles um, was ihnen in den Weg kommt.

Und dann gibt es die, die irgendwie nicht so richtig Bock haben gegen uns Mädchen zu spielen, oder sich auch einfach nicht trauen, mit uns in den Zweikampf zu gehen. Und das finden wir ziemlich uncool und verstehen auch nicht so recht warum.

Es ist nämlich echt bescheuert, wenn wir das Gefühl haben, dass ihr euch nicht mehr anstrengt, sobald ihr gegen uns spielen müsst. Wenn ihr im Zweikampf den Ball nur halbherzig verteidigt oder uns einfach durchlasst. Denn hier, liebe Jungs, kommt ein kleines Geheimnis: Eigentlich macht es uns ziemlich stolz, im Zweikampf gegen euch zu gewinnen. Es macht uns stolz, wenn wir es schaffen, einen Ball geschickt rauszuspielen oder euch vielleicht auch mal zu tunneln. Schließlich wird uns ja immer erzählt, ihr seid uns körperlich überlegen. Wenn ihr es dann nicht einmal versucht und lässig vor euren Freunden behauptet, „Naja, ich hab ja auch nicht alles gegeben, sie ist ja immerhin ein Mädchen”, ist das ziemlich frustrierend.

Egal welcher Typ ihr seid, es ist immer irgendwie komisch mit euch zusammen Sport zu machen. Warum ist das so? Habt ihr Angst, vielleicht wirklich einmal gegen uns zu verlieren? Glaubt ihr, dass ihr uns wehtut, wenn ihr mal alles gebt? Oder ist das einfach so ein verkapptes Macho-Gehabe, dass ihr meint, ihr müsstet uns gewinnen lassen? Erzählt doch mal.

Eure Mädchen 

Die Jungs-Antwort: 

jungsfrage text

Liebe Mädchen,

Ich beginne die Antwort mal mit einem Ereignis aus der Zeit, als ich 15 Jahre alt war. Damals spielte ich Fußball und kam in den Genuss, mit der Bayern-Auswahl (das ist eine Art Jugend-Nationalmannschaft von Bayern) in einem Trainingslehrgang ein Spiel gegen die Deutsche Mädchennationalmannschaft zu spielen. Ich weiß nicht mehr, wie das Spiel genau ausging, nur noch, dass wir ziemlich untergegangen sind. Tut aber auch nichts zur Sache. Interessanter ist, dass ich mich noch sehr genau dran erinnere, dass ich dieses Spiel unglaublich unangenehm fand.

Ich spielte nämlich Verteidiger. Meine Aufgabe war also, die gegnerische Stürmerin zu decken. Ja, das heißt wirklich so. Und ja, alle haben davor Witze gemacht. Diese Witze nahm ich mit aufs Spielfeld ­in Form eines unangenehmen Gefühls. Ich konnte eigentlich nur verlieren. Denn die Stürmerin zu decken, das hieß, immer sehr nah an ihr dran zu stehen. Meistens hinter ihr. Meistens mit direktem Körperkontakt in der Körpermitte. Als 15-Jähriger ist das eine Position, von der man nachts zwar sehr häufig träumt, aber in ganz anderem Kontext. Und die Position hat optisch natürlich auch einiges von dem Decken, das Teil der oben genannten Witze ist.

Also: Wenn ich meine Aufgabe ernst nehmen wollte, hieß das, unangenehme Berührungen in Kauf zu nehmen, die garantiert später wieder Inhalt weiterer Witze werden würden. In dieser Hinsicht war das ganze Spiel ein einziges Minenfeld. Ein Sprintduell? Da geraten rudernde Arme auch mal an die Brüste der Gegnerin. Eine Grätsche? Da purzelt man zu Boden und liegt plötzlich aufeinander.

Die zweite Option: Das mit dem engen Kontakt mal nicht so ernst wie sonst nehmen. Vermeidet zwar die angesprochenen Unannehmlichkeiten, führt aber dazu, dass man verliert. Und eventuell auch dazu, dass die Gegnerin so denkt wie ihr in der Frage: dass sie nicht für voll genommen wird.

Ein Teil der Antwort lautet also: Die körperliche Nähe beim Sport macht uns unsicher. Weil sie uns als 15-Jährigen schlicht peinlich und unangenehm ist. Später vielleicht auch, weil wir Angst davor haben, dass ihr denken könntet, wir würden die Situation ausnutzen, um euch an gewisse Körperstellen zu fassen.

Diese Unsicherheit kompensieren manche von uns dann sicher auch mit dem Gebolze, das du beschreibst. Kennt man ja: Je unsicherer pubertierende Jungs sind, desto lauter lassen sie oft den Macho raushängen. Und der bolzt im Schulsport eben rücksichtslos drauflos.  

Und was das Gewinnenlassen angeht: Wenn das nicht auch mit dem oben beschriebenen Problem zusammenhängt, hat es glaube ich mit zwei Dingen zu tun. Erstens gibt es dann doch nicht sooo viele von euch, die oft und gerne Fußball mit uns spielen. Wenn ihr es dann doch mal tut, freut uns das – und wir wollen euch nicht gleich wieder dadurch verschrecken, dass wir euch mit einer Klaus-Augenthaler-Gedenk-Grätsche niederstrecken. Ich weiß, das ist vielleicht kein sonderlich kluger Gedanke, weil er voraussetzt, dass ihr schwächer und weicher seid als wir und deshalb nicht so viel Brutalität vertragt. Dafür an dieser Stelle: Entschuldigung.

In eine sehr ähnliche Richtung geht der zweite Grund: Wir werden – Fortschritte in Sachen Gleichberechtigung hin oder her – nach wie vor dazu erzogen, uns Frauen gegenüber zuvorkommend zu verhalten. Tür aufhalten, schweren Koffer abnehmen, sowas. Und das können wir eben nicht vollständig ablegen, wenn wir mit euch sporteln. Es gibt da eine innere Barriere, die uns davon abhält, euch anzurempeln oder abzudrängen. Und eine innere Stimme, die sagt: Lass ihr auch mal den Ball.

 

Aber wir geloben hiermit Besserung. Und werden in Zukunft keine Gnade mehr walten lassen. Kauft euch schon mal Schienbeinschoner. 

 

Eure Jungs

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