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Jungs, warum seid ihr immer so krank?

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Die Mädchenfrage Alle meine Freundinnen, Kolleginnen und Mütter haben exakt den gleichen Erfahrungsschatz zum Themenkomplex „Männer und Krankheit“– aber eine Stellungnahme von männlicher Seite blieb bislang aus. Die klassische Situation: Ich bekomme eine SMS von meinem Freund, es ist acht Uhr abends. „Ich gehe jetzt ins Bett, fühle mich sehr schwach. Habe nichts zu essen.“ Ich rufe an, sage: „Oooh, du Armer, was hast du denn?“ .“ Er sagt: „Halsweh, vielleicht eine Mandelentzündung.“ Ich muss lachen, vor allem weil er mit einer albernen Fistelstimme spricht, die sein Leiden demonstrieren soll. Ich sage: „Moment, du hast doch seit 25 Jahren keine Mandeln mehr.“ Er sagt: „Tut trotzdem weh.“ Ich bekomme also Mitleid –vielleicht ist er dieses Mal ja wirklich einer heimtückischen Grippegattung zum Opfer gefallen – und fahre also zu ihm. Er liegt im Bett, unrasiert, neben ihm eine Packung Aspirin. „Soll ich dir einen Tee machen?“ „Nein.“ „Soll ich dir was aus der Apotheke besorgen?“ „Nein“ „Hast du Hunger?“ „Nein.“ Genau die Antworten, die ich erwartet habe. Ich setze Teewasser auf, krame meine mobile Hausapotheke aus der Handtasche und koche Spaghetti mit Spinat-Gorgonzola-Sauce. Er schlingt den ersten Teller Nudeln herunter, bittet um einen zweiten, und während ich in der Küche stehe und das Essen wärme, ruft er „Wo bleibt mein Essen?“, und vergisst sogar, seine Krank-Stimme zu benutzen. Und genau so läuft es jedes Mal ab. Erst übertreibt er, macht aus Heiserkeit Cholera und aus Schnupfen Pest. Sobald er ein bisschen Aufmerksamkeit bekommt, vergisst er seine Krankheit, mutiert zum undankbaren Ekel und genest innerhalb von ca. zwölf Sekunden. Zum Vergleich: Ich hatte trotz Pfeifferschem Drüsenfieber keinen einzigen Fehltag, und als ich wegen einer Nierenentzündung einundvierzigeinhalb Grad Fieber hatte, habe ich noch mit dem Arzt gewitzelt – der mir wiederum gestand, dass er mich höchst bewundernswert fände; er lag wegen siebenunddreißigeinhalb Grad zwei Tage im Bett – sicherlich auch nur, um seine Frau zu schikanieren. Also, Jungs, was ist da los? Tut euch ein kleiner grippaler Infekt wirklich mehr weh als uns? Oder nutzt ihr jede Gelegenheit, um einmal von uns von vorne bis hinten bedient, bemitleidet und bemuttert zu werden?


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die Jungsantwort Wenn ich jetzt britischer Populärwissenschaftler wäre, würde ich vor die Mikrofone treten und auf Englisch sagen: „Sehr verehrte Damen und Herren. Im Rahmen einer Langzeitstudie konnte mein Team herausfinden, dass Männer tatsächlich mehr leiden, wenn sie krank sind. Wir führen das wie, hüstel, immer, auf die menschliche Evolution zurück. Sehen Sie, wenn der Steinzeit-Mann nicht auf die Jagd gehen konnte und krank in der Höhle bleiben musste, war das nicht nur für seine Familie schlimm, sondern auch ehrenrührig, die anderen Jäger verspotteten ihn. Deswegen gewöhnten es sich die Neandertaler an, ihre Krankheitssymptome übertrieben darzustellen und mit theatralischen Einlagen ihren Ausfall zu rechtfertigen. Auch in der heutigen Zeit ist es für Männer immer noch schwer, Schwäche einzugestehen und mal nicht volle Leistung zu bringen. Deswegen benutzen sie heute noch dasselbe übertriebene Krankheitsverhalten, um ihre Gebrechlichkeit vor sich und anderen zu rechtfertigen. Zum physischen Leidensdruck gesellt sich ein psychischer." Klingt doch plausibel oder? Wenn ich jetzt mal nur ein Mann wäre, würde ich sagen: Kopfweh tut wirklich ganz schön weh. Und bei Bauchweh muss man zusammengerollt auf der Seite liegen und die Zunge heraushängen lassen. Und bei Halsweh kann man nichts mehr sagen, sondern nur noch ganz zerbrochen hinterm Kissen vorgucken. Ach, ich weiß auch nicht. Wir Jungs sind sehr daran gewöhnt, dass unser Körper wartungsfrei und klaglos funktioniert – zumindest bis wir 30 sind. Bis dahin knallen wir ihn gegen Halfpipe-Böden, wir fluten ihn wöchentlich mit zwanzig Liter Bier und einem Berg Fettessen, wir ersticken ihn beinahe bei Tauchwettbewerben und verrenken ihn ekstatisch auf Bühnen von Jugendzentren. Falls wir uns bei diesem Programm äußere Verletzungen holen, macht das gar nichts (Mammutzahn-Verletzungen waren schon immer ehrenhaft) - wir würden euch selbst mit zwei gebrochenen Senkfüssen noch ein Sprite holen gehen. Äußere Verletzungen gehen also okay, aber wehe, wehe, wenn der liebe Herr Body von innen zu schmerzen beginnt. Das können wir dann logisch nicht herleiten. Ihr dürft nicht vergessen, Mädchen, dass ihr in Bezug auf innerliche Erscheinungen wesentlich besser trainiert seid als wir, dass ihr eine ganze Kindsfabrik und Hormonmanufaktur mit euch tragt, wo wir nur recht minimalistisch ein paar Organe versammeln. Und wenn die zu schmerzen anfangen, gehen uns sehr schnell die Fähigkeiten zur Relativierung aus. Bauchweh ist uns immer gleich Blinddarm, Kopfweh ist uns immer gleich Tumor. Drunter machen wir es nicht. Das Ganze kommt der heimtückischen Revolte einer sonst treuen Schiffsbesatzung gleich - wir, als Kapitän, erklären uns sogleich bereit, mitsamt Schiff unterzugehen. Ein bisschen ist es auch wie mit dem Weinen. Wir kommen ziemlich lange drumherum, aber wenn es uns dann doch erwischt, dann gibt es keine halbe Sachen, dann zählt nur totales Drama. Wir wollen dann natürlich angemessen bemuttert werden, was eben auch nur mit einer gewissen Tragik funktioniert. Zweimal im Jahr sollt ihr Angst um uns haben und dampfende Suppen auf unserem Bettbauch platzieren. Ihr sollt besorgt ins Zimmer schleichen und gucken ob wir schlafen, und wenn ihr seht, dass wir völlig verwüstet, das Fieberthermometer halb im Mund und schwer schnaufend schlummern…dann findet ihr das doch auch mal ganz süß, oder? max-scharnigg

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