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Jungs, warum schweigt ihr, wenn wir reden wollen?
Liebe Jungs, wir müssen reden.
Na? Was hat dieser Satz mit euch gemacht? Haben sich eure Innereien zusammengezogen vor lauter Panik? Wurdet ihr von einer unerklärlichen Müdigkeit überfallen und wollt euch am liebsten schnell aufs Sofa hauen, um dort stumpfsinnig RTL II zu glotzen, nur um uns nicht ins Gesicht zu schauen?
Irgendetwas scheint dieser Satz in vielen Vertretern eures Geschlechts auszulösen, denn von nicht wenigen Freundinnen und Kolleginnen höre ich, dass es ihnen allen gleich geht: Sobald sie mit ihren Freunden reden wollen, verstummen die auf einmal.
Wir beschreiben das Ganze mal anhand einer (nicht) völlig aus der Luft gegriffenen Situation: Ein Junge und ein Mädchen sitzen zusammen am Küchentisch, wo sie gerade gemeinsam zu Abend gegessen haben. Die beiden sind jetzt schon eine gute Weile zusammen und mögen einander immer noch extrem gerne. Es ist ein sehr netter Abend, sie haben über den Nachbarn gelästert, das Wochenende geplant und ansonsten ziemlich viel albernen Unsinn gelabert. Und da denkt sich das Mädchen: Jetzt ist genau der richtige Moment, diese eine Sache anzusprechen, die mir schon seit einger guten Weile auf die Nerven geht. Also sagt es diesen vermaledeiten Satz, weil es eben keinen besseren zur Hand hat, um zu einem ernsteren Thema überzuleiten. "Hör mal, wir müssen mal reden."
Und schon ist die Stimmung, der Abend, einfach alles im Eimer. Denn das Mädchen sieht, wie der Junge ganz steif wird, sein Blick, der gerade noch entspannt auf ihrem Gesicht geruht hat, schweift abwesend in die Ferne und der Mund wird ganz schmal, so schmal, dass kein einziger Buchstabe mehr hindurchpasst. Aber das Mädchen denkt: Was soll's, ich sag jetzt einfach, was mich nervt, sonst bleibt das für immer so.
Sie sagt also: "Hör zu, mich nervt schon seit einer Weile, dass du deine Klamotten überall in meiner Wohnung auf den Boden schmeißt und es nicht für nötig hältst, sie wieder mit zu dir nach Hause zu nehmen. Das ärgert mich, weil ich dann denke, du hältst mich für deine Mutter, die dir deine Schmutzwäsche brav wäscht. Aber da hab ich keine Lust drauf." Der Junge: "..." Das Mädchen: "Was sagst du dazu?" Der Junge: "Mmmmjaok." Das Mädchen: "?? Was soll das bitte heißen?" Der Junge: "..." Das Mädchen: "??" Der Junge: "Okaydannlassichshalt."
Der Junge geht ab, legt sich irgendwo hin und redet für die nächsten zwei Stunden gar nichts mehr, bis er aus seinem katatonischen Zustand plötzlich erwacht und wieder genauso ist wie vorher. Als wäre nichts gewesen. Das Mädchen hingegen hat in dieser Zeit sehr viel nachgedacht, die Beziehung mehrfach auf den Prüfstand gestellt und ernsthaft erwägt, sich jetzt zu trennen. Weil es sie einfach unfassbar nervt, dass sie anscheinend nicht mit ihrem Freund reden kann.
Zugegeben, dieses Beispiel ist recht zugespitzt und die Rollen sehr klar verteilt. Die meisten von uns Mädchen sind auch nicht gerade die geborenen Kommunikations-Profis und auch uns unterlaufen immer wieder die altbekannten Fehler in Konflikt-Gesprächen: Wir verallgemeinern, wir bleiben nicht bei den so wichtigen Ich-Botschaften, wir vergessen, dass wir immer einen Ausweg offen lassen sollen. Aber (auch hier verallgemeinern wir wieder des Formats zuliebe) irgendwie schaffen wir es doch besser als ihr, über Probleme zu reden, oder?! Und dass man Probleme möglichst früh besprechen sollte, bevor sie sich zu richtigen Beziehungskillern entwickelt haben, das wissen wir doch mittlerweile wirklich alle!
Warum weigert ihr euch also, mit uns zu reden, wenn wir das Bedürfnis haben? Gibt es da irgendwelche frühkindlichen Prägungen? Ist das die berühmte toxische Männlichkeit, die da zum Ausdruck kommt? Oder findet ihr, dass wir da irgendeinen Fehler begehen, der uns nur nicht auffällt? Ich glaube wirklich, dass wir jetzt mal reden müssen. Also: Antwortet uns gefälligst.
Eure Mädchen
Die Jungsantwort
Liebe Mädchen,
Ich gebe zu: Ich bin maximal versucht, diese Frage einfach mit Schweigen zu beantworten. So wie der Schüler, der in der Abituraufgabe „Was ist Mut?“ angeblich ein leeres Blatt Papier abgab. Aber den hat es vermutlich nie gegeben. Und genau so fantastisch ist auch eine Welt, in der mit Schweigen irgendetwas erreicht werden könnte. Wenn du geschwiegen hättest, wärst du vielleicht ein Philosoph geblieben, mag sein. Aber auch doof geblieben – und irgendwann sehr verlassen worden. Das wissen wir.
Der Reflex der inneren Zugbrücke
Das. Einzige. Was. Hilft. Ist. Reden. Diese sechs Wörter gelten für die Liebe, die Politik und die bemannte Raumfahrt gleichermaßen. Also für alles, was den Menschen in den letzten Jahrtausenden interessiert hat. Und wenn auch unsere Väter noch große Schweiger waren, und unsere Mütter den Fehler machten, sie schweigen zu lassen, sind doch die meisten von uns heute durchaus in der Lage, mit euch zu reden. Theoretisch. Denn es gibt einen Reflex in uns, eine innere Zugbrücke, die bei gewissen Signalwörtern hochgeht. Und da gehört „Wir müssen reden“ dazu.
Wir haben eine Allergie gegen das Modalverb „müssen“ in Verbindung mit „reden“ in Verbindung mit „wir“. Weil es, wenn man genau hinschaut, übergriffig ist. Fair wäre doch, einmal festzustellen: Niemand muss etwas.
Eventuell müsst ihr, und eventuell auch reden, fair enough. Aber den Weg von „Ich habe da etwas auf dem Herzen, das würde ich jetzt gerne klären, was meinst du?“ zu „Wir beide diskutieren das gemeinsam aus, und zwar jetzt, und zwar hier, und zwar in dieser Stimmung, auch und gerade nach einem lustigen Abend und zwischen Bolognese und Schokolade im Bett“, den würden wir gerne mitbestimmen können. Oder zumindest kurz dazu befragt werden.
Denn aus Erfahrung wissen wir: Nach diesem Satz kommt keine Urlaubsplanung, keine weitere Lästerei über die Nachbarn und schon gar kein Bett. Sondern ein Bedürfnis, ein Wunsch, ein „Problem“. Das kann anstrengend, traurig oder verunsichernd werden. Der Abend kann in Streit, Versöhnung oder irgendwas dazwischen münden.
Meistens müssen wir irgendwann eingestehen, dass ihr zu Recht ansprecht, was immer ihr ansprecht, und das anstehende schlechte Gewissen wirft seine Schatten auf uns. Denn ja, verdammt, wenn es die Dame unseres Herzens an uns heranträgt, wird es nicht völlig bescheuert sein und wir nicht völlig ohne Verantwortung. Sprich: Wir werden uns damit beschäftigen, uns einfühlen, uns entschuldigen, etwas ändern.
Das klingt nach: Du Holzkopf
Das alles machen wir für den richtigen Menschen gerne. Und freiwillig. Aber ein „wir müssen reden“, am besten noch mit dem Imperativ „hör mal“ davor, spricht uns das direkt ab, klingt nicht nach Partnerschaft auf Augenhöhe, sondern nach: Du Holzkopf, wenn ich dich nicht dazu zwingen würde, ab und zu vom Baum runterzusteigen und mit Messer und Gabel zu essen, dann wär hier längst Ende Gelände. Wie immer wäre das nicht weiter schlimm, berührte es nicht einen wunden, weil wahren Punkt. Denn so klischeehaft Dein Beispiel sein mag – er ist das verwöhnte Mamasöhnchen, sie die überreflektierende Kommunikatorin – es trifft.
Die meisten von uns, egal wie modern und emanzipiert und bla, gehen mit einem 4-Tore-Rückstand in das Spiel unserer Beziehung. Was Kommunikation angeht, bleiben wir ein Leben lang eifrige Lehrlinge. Und können uns ganz gut totstellen, wenn wir grade nicht weiter wissen. Und gerade weil ihr in diesen zwei Stunden, in denen wir schweigend so herumlagen, die Beziehung und alles einmal auf links dreht und wieder zurück, und wir indessen auf dem Sofa die lächerlichen von den halbwegs tragfähigen Argumenten zu unseren Gunsten trennen, wissen wir: Wenn das Gespräch wieder aufgenommen wird, kommt ihr mitunter aus einer Achterbahn gestolpert – halb aufgeregt, halb flau im Magen, und wir, trotz Vorwurf und Rechtfertigungsdrang, sollten erst einmal cool bleiben, damit hier keiner umfällt und sich weh tut. Und ganz manchmal, da würden wir gerne einfach frech sagen: Nein. Wir müssen nicht reden.
Wir können das abkürzen. Uns die Ansage, das Schweigen, den beiderseitigen Frust sparen. Manchmal ist es nämlich eigentlich völlig egal, was man bespricht und wer Recht hat. Manchmal reicht vielleicht eine Berührung, ein Lächeln gewordenes Stückchen Vertrauen, und so eine Sache wie schmutzige Wäsche, die ist ab morgen Geschichte, versprochen. Manchmal ist Reden nämlich erst das Problem, glauben wir, weil damit eine Sache einen Wert bekommt, den sie nicht verdient. Und wir wollen diese Abkürzungen mit euch finden. Darüber würden wir wirklich gerne mal mit euch sprechen, wenn ihr Lust habt.
Eure Jungs