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Jungs, warum schämt ihr euch in langen Unterhosen?

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Die Mädchenfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Frostige Witterung und die Wäschekollektion von David Beckham für jenen bekannten schwedischen Modehändler haben dieser Tage ein diskussionsbedürftiges Sujet zurückgebracht: die lange Unterhose. Ein grundsympathisches Kleidungsstück, schließlich ist es so nett, euch bei Temperaturen wie im Tiefkühlfach warmzuhalten, so wie uns Mädchen unsere Strumpfhosen – ohne sich dabei wie andere rein funktionale Garderobenbestandteile (Trekkingsandalen, Radlerhosen) eitel an die Oberfläche zu drängen. Blendet man einmal das populäre Urteil aus, dass die lange Unterhose nicht von ausgesuchter Schönheit sei, könnte man gar zu dem Schluss gelangen, dass es sich bei diesem Wäschestück um ein Musterbeispiel gelungenen Designs handele, ganz dem Bauhaus-Mantra „Form follows function“ verpflichtet. (Dass es so einfach nicht ist mit dem ansprechenden Design, beweisen wiederum Trekkingsandalen und Radlerhosen.)

Ihr jedoch verschmäht die lange Unterhose sogar bei zweistelligen Minusgraden. Zumindest behauptet ihr das lautstark – ein paar Exemplare scheinen sich ja doch losschlagen lassen, sonst gäbe es sie wohl nicht jedes Jahr wieder zu kaufen – und lasst euch uns gegenüber auch nicht in ihr blicken. Jedenfalls habe ich das bei den mir intimer bekannten Herren festgestellt. Das ist zugegeben noch keine repräsentative Stichprobe für männliche Wäschevorlieben. Doch auch Nicht-Stichproben-Bestandteil Beckham posierte für die Kampagne zu seiner Schlüpferkollektion zwar in diversen Modellen, nicht aber in der langen Unterhose. Es scheint uns daher, als schämtet ihr euch darin.

Seid ihr nur vor uns oder auch vor den anderen Jungs so gschamig? Und vor allem: Warum denn bloß? Wir Mädchen kämen bei dieser Eiseskälte doch auch nicht auf die Idee, auf unsere Strumpfhosen zu verzichten. Ästhetisch beurteilt dürften sie ähnlich abschneiden wie das von euch abgelehnte Beinkleid, trotzdem habe ich noch keinen von euch Strumpfhosenträgerinnen verschmähen sehen. Im Gegenteil, mancher von euch findet die Strumpfhose an uns sogar ansehnlich (Quelle: Stichprobe). Warum sollten wir es also umgekehrt bei euch verdammen, wenn ihr euch gegen die Kälte wappnet? Wenn irgendjemand dafür Verständnis haben dürfte, dann doch wir bekennenden Frostbeulen mit dem ungünstigen Fettmasse-Muskelmasse-Verhältnis. Nicht zuletzt wollen wir ja am Ende des Tages unsere trotz Strumpfhose und dicker Wollsocken immerkalten Füße an eurer Körperwärme auftauen!

Auf der nächsten Seite: Die Jungsantwort


Die Jungsantwort:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Wenn du schon mit David Beckham kommst, werde ich zu Beginn einen anderen Fußballer zur Erklärung der Unterhosenfrage heranziehen: Arjen Robben. Momentan sitzt der zwar auf der Bank und lässt keine Aussagen über sein Unterkleid zu. Aber im Winter 2010 / 2011 war das anders. Da spielte er, und das ziemlich gut. Dennoch berichteten die Medien weniger über seine Tempodribblings als über seine langen Unterhosen, die in grauer Farbe zwischen roter Bayern-Hose und -Stutzen zu sehen waren. Er musste sich dafür rechtfertigen, dass er seine teure Muskulatur vor der Kälte schützte, seine Spielerkollegen hänselten ihn (soviel schon mal zur Frage, ob uns die Unterhosen nur vor Mädchen peinlich sind oder auch vor anderen Jungs), in Interviews fragten ihn Journalisten, was seine Frau denn davon halte. Sie fand die Unterhosen „nicht schön“ und „etwas komisch“.

Das zeigt schon: Die lange Unterhose genießt nicht gerade die größte gesellschaftliche Akzeptanz. Sobald die Öffentlichkeit eines solchen Kleidungsstücks ansichtig wird, ist dessen Träger vom Gespött nicht mehr weit entfernt. Nicht umsonst gibt es auch genügend Szenen aus Westernfilmen, in denen die Herren Cowboys, Sherrifs und Bandidos in langen Unterhosen auftauchen, und nicht umsonst sind das immer Szenen, die den Protagonisten in einer peinlichen Situation oder einem Moment der Schwäche zeigen. Jüngstes Beispiel ist Jeff Bridges, der in „True Grit“ in langen Unterhosen seinen Rausch ausschläft.

Klar, da könnten wir drüber stehen. Wenn uns kalt ist, setzen wir ja auch eine Mütze auf und nehmen in Kauf, dann mit derangierter Frisur vor den Kollegen zu stehen. Obwohl die Hemmschwelle dabei eigentlich noch höher liegen müsste. Im Gegensatz zur Unterhose ist die Mützenfrisur ja für jeden sichtbar.

Aber: Wir sehen uns in langer Unterhose. Wenn wir morgens in langer Unterhose auf der Suche nach der Jeans müde durchs Zimmer tapsen und uns dabei im Spiegel sehen. Dann wird mehr als deutlich, dass wir darin nicht sonderlich männlich aussehen, und das Gefühl der Hose auf unserer Haut erinnert uns dann den ganzen Tag an diesen Anblick. Die Konturen unserer Beine, zumindest unserer Oberschenkel sind sonst ja in allen Lebenslagen von weniger eng anliegendem Gewand umhüllt. Der Anblick ist ungewohnt, und daher auch ein bisschen erschreckend. Von „ansehnlich“ kann überhaupt keine Rede sein (Quelle: ebenfalls Stichprobe), und wir glauben einfach nicht, dass ihr uns in dieser Aufmachung tatsächlich hübsch finden könnt. Bei einer abendlichen Verabredung mit einem Mädchen, das wir gut finden, bleibt die lange Unterhose deswegen im Schrank. Nicht auszudenken, wenn sich der Moment nähert, in dem man sich vorfreudig des Beinkleides entledigt, und wir euch mit unserem verpackten Paar Beine gegenüberstehen und uns dann aus dieser Pelle schälen müssen.

Außerdem ist die lange Unterhose ein Kleidungsstück für Ausnahmesituationen. Wir tragen sie, wenn wir auf 2500 Metern Höhe Skifahren gehen oder in Eiseskälte auf zugefrorenen Seen Schlittschuh laufen. Nicht umsonst hat der Begriff „Funktionsunterwäsche“ der Bezeichnung „lange Unterhose“ längst den Rang abgelaufen. Wahrscheinlich war das ein ziemlich schlauer Marketing-Trick der Hersteller. Sie haben erkannt, dass wir fachsimpelnden Jungs uns leichter tun, ein Kleidungsstück zu tragen, das sich unter dem Sammelbegriff „Equipment“ einordnen lässt. Effizienzsteigerung ist okay, es gemütlich warm haben zu wollen, bedarf einer Rechtfertigung. Das hat auch Arjen Robben erkannt. Sein Statement zu seiner langen Unterhose war: „Es sieht nicht super aus – aber ist funktional.“

christian-helten

Text: juliane-frisse - Foto: al73 / photocase.com

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