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Jungs, warum könnt ihr euch so schwer entschuldigen?

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Es kommt ja auch in den allerbesten Familien und Beziehungen hin und wieder vor, dass einer einen großen Mist baut und ein anderer gerne wüsste, was das Ganze denn nun wieder sollte. So eine unschöne Situation beendet der Mistbauer am schnellsten, wenn er den Mist ehrlich bedauert und sich anschließend entschuldigt – ebenfalls, wenn möglich, ehrlich und aus tiefstem Herzen. Ganz einfach, eigentlich. Aber aus irgendeinem Grund gibt es ziemlich viele Jungs, die – so sieht es jedenfalls für den Zuschauer aus – lieber einen Eimer voller Regenwürmer verspeisen würden, als die paar Worte herauszuwürgen, auf die das Gegenüber wartet. Dabei ist es wirklich nicht kompliziert, sind ja nur drei Worte namens „Tut. Mir. Leid.“ Gestern wieder durfte ich einem Bekannten dabei zusehen und –hören, welche verbalen Umwege er befuhr, um nur ja nicht seiner Freundin sagen zu müssen, dass es ihm wirklich leid tut, sie auf der Autobahnraststätte vergessen zu haben (oder so etwas in der Art). Stattdessen mümmelte er viertelstundenlang Brezenstücke in sich rein, um nicht reden zu müssen und als er dann doch den Mund aufmachte, erklärte er ihr ausgiebig, warum sie eigentlich verantwortlich war für diesen dummen Umstand und was sie in Zukunft tun könnte, um solche Situationen zu vermeiden. Und das so lange, bis es seiner Freundin wirklich zu blöde war, ihm auch nur das kleinste Wort des Bedauerns aus der Nase zu ziehen. Das war wirklich, wirklich unschön mit anzusehen. Wobei ich zugeben muss, dass es wiederum bei uns Damen einige Exemplare gibt, die oft gar nicht mehr aufhören können, sich andauernd zu entschuldigen – ebenfalls eine sehr unschöne Angewohnheit unter der ich zum Beispiel leide. Folgender Dialog zwischen meinem Freund und mir kommt immer wieder gerne vor: Freund: „Ich reg’ mich gerade so dermaßen über irgendeine Kleinigkeit auf, für die niemand etwas kann!“ Ich: „Oh Mist, tut mir echt leid für dich, entschuldige bitte. Kann ich was tun?“ Freund: „Warum entschuldigst du dich, wenn du doch gar nichts dafür kannst?“ Ich: „Oh je, entschuldige bitte!“ Freund: „Grrrrr!“ Ich: „Sorry, ich entschuldige mich mehr so automatisch für Dinge.“ Freund: „Lass das lieber bleiben, das ist nicht gut.“ Ich: „Okay, ja stimmt, tut mir leid.“ ... Ich: „Sorry, supersorry, sorrysorrysorryentschuldige!!“ Freund: „quod erat demonstrandum.“ (Er ist wirklich sehr intelligent!) Das also wäre es dann auch nicht. Aber manchmal zu sagen „Das war großer Mist, den ich da gebaut habe, es tut mir leid“ – und zwar nicht, wenn es schon fast zu spät ist: Warum kriegt ihr das oft nicht hin? Auf der nächsten Seite kannst du eine männliche Entschuldigung lesen. Oder auch nicht.


Die Jungsantwort:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ach wirklich, das Entschuldigen fällt uns schwer? Ich würde ja spontan sagen, das ist eher eine Typfrage als eine der Geschlechter. Allerdings gebe ich dir nicht zuletzt angesichts der Nachrichtenentwicklung in den Fällen Käßmann und Mixa recht: der männliche Typ entschuldigt sich vermutlich zögerlicher als der weibliche. Dein kleines Theaterstück hat mir gut gefallen und ich habe darin viele Mädchen in meiner näheren Umgebung erkannt. Ich glaube, der Unterschied ist tatsächlich, dass man als Junge von klein auf eben doch immer näher dran ist, an einer gewissen Rücksichtslosigkeit als die lieben Mädchen. Als Junge macht man ständig Dinge kaputt, prügelt sich, baut legendär guten Scheiß und muss ins Büro des Rektors kommen. In all diesen Fällen werden Entschuldigungen erwartet und ganz wie von selbst entwickeln wir eine Abneigung gegen diese Eingeständnisse – weil man ja nun mal vor dem Rektor oder dem Nachbarn dem die zerbrochene Scheibe gehörte ungern einknickt. So werden wir also kleine Meister im Winden und Leugnen, im Abstreiten und Ablenken. Noch viel öfter als ihr werden wir nämlich in dieser prägenden Phase auch falsch verdächtig und pro forma verurteilt, was uns zu besonders wachsamen und leicht traumatisierten Schuldverweigerern macht. Ein bisschen was von diesem Verhalten ist bis heute geblieben, tief verwurzelt in unseren rationalen Hirnen ist etwa das Prinzip: Ich bin so lange im Recht bis mir einer das Gegenteil beweisen kann. So fahren wir ja auch bisweilen Auto, weil das andere Jungs dann sportlich finden. Stark und richtig sollen wir sein, sagt das Männerbild, selbst in unseren postaufgeklärten Zeiten noch. Eine Entschuldigung, egal ob vor dem ganzen Lehrerkollegium oder nur vor der Freundin ist aber eben immer ein Moment der Schwäche und darin fühlen wir uns evolutionär unwohl. Deswegen halten wir den Aufenthalt darin so kurz wie möglich, drücken uns darum herum und springen schnellstmöglich weiter. Ein Suhlen in der Entschuldigung, oder gar eine voreiliges Flüchten in diesen Welpenschutz der Selbstbezichtigung, wie ihr es oft betreibt, kennen wir eher nicht. Uns fehlt einfach die Erfahrung, dass ein schnelles Geständnis des eigenen Versagens vor allem nachsichtige Reaktionen auslöst. Stattdessen wähnen wir uns viel öfter umgeben von Menschen die uns sofort abhängen und abschätzig behandeln, wenn wir Fehler eingestehen. In einer Beziehung ist das natürlich nicht so aber sorry, da können wir halt auch nicht gleich raus aus unserer Haut. Und das war jetzt fast eine richtige Entschuldigung. fabian-fuchs

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