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Jungs, warum verschwindet ihr, wenn ihr verliebt seid?

Foto: David-W-/Photocase

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Liebe Jungs,

ich habe keine ausgeprägten hellseherischen Fähigkeiten, aber ich kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, dass Fabian eine neue Freundin hat. Obwohl wir uns seit zwei Monaten nicht mehr gesehen haben. Beziehungsweise: Weil wir uns seit zwei Monaten nicht mehr gesehen haben. Fabian ist ein alter, ein guter Freund. Eigentlich sehen wir uns alle zwei Wochen und telefonieren regelmäßig miteinander. Eigentlich. Nur wenn Fabian verliebt ist, dann scheine ich für ihn nicht mehr zu existieren - als ob ihn mehr als eine zwischenmenschliche Beziehung überfordern würde. Das nervt mich. Aber weil ich ihn schon so lange kenne und irgendwie ahne, dass er das nicht böse meint, halte ich es aus. Und er ist ja auch beileibe nicht der einzige Junge, der so handelt.

In Jungs-Kreisen scheint es eher der Normalfall zu sein, dass man sich grußlos von seinem sozialen Umfeld verabschiedet, sobald man in einer Beziehung ist. Ich kapiere das nicht und finde dieses Verhalten, ehrlich gesagt, sehr dumm.

Und deshalb würde ich gerne mal von einem Experten a.k.a. Jungen hören, welcher Mechanismus dahintersteckt, dass ihr untertaucht, sobald ihr verliebt seid, in Extremfällen sogar eure Familie vernachlässigt. Glaubt ihr, das ist gesund, sich nur auf einen Menschen zu stützen? Sind euch eure anderen Freunde in Wahrheit egal? Seid ihr mit eurem Gefühlshaushalt überfordert, sobald er von ein paar Hormonen überflutet wird? Wie rechtfertigt ihr euer Verhalten vor euch selbst? Und kapiert ihr das eigentlich, wie verletzend so ein Verhalten sein kann?

Fabian ist übrigens die letzten fünf Male nach ein paar Monaten wieder aufgetaucht. Jedes Mal war die Beziehung wieder vorbei, jedes Mal war es irgendwie doof und jedes Mal haben wir uns zum Glück wieder zusammengerauft. Aber meine Geduld geht langsam zur Neige. Und deshalb will ich ihn jetzt verstehen.  

jungsfrage text
Illustration: Katharina Bitzl

Die Jungsantwort:

 

Fabians Wochenendgestaltung stelle ich mir ungefähr so vor: Hals über Kopf verliebt, beste Frau seines Lebens, mit der er am Freitagabend die komplette Diskografie von Leonard Cohen durchhört, am Samstag frühstücken geht, dann auf alten Friedhöfen über Vergänglichkeit philosophiert, am Abend das alte Curry-Rezept mit Zutaten vom netten Indersupermarkt auspackt und danach frühe Noir-Filme guckt. Dazwischen und überhaupt: Rumliegen, küssen und all das, was ein verstetigtes Liebesleben so an Vorzügen mit sich bringt.

   

Merkst du was? Das ist erstens ziemlich schön und gesund und zweitens: ein 24-Stunden Job.

 

Du, mit der Fabian vorher nächtelang um die Häuser gezogen ist, um euch möglicherweise dann morgens beim Dönermann gegenseitig für eure Einsamkeit zu bemitleiden, passt da wohl oder übel erst einmal nicht rein. Fabian kann gerade einfach nicht. Ist so.

 

Unter uns Jungs gibt es da ein grundsätzliches Einverständnis: Frischverliebte haben Narrenfreiheit, niemand würde wegen ein paar Wochen Funkstille auch nur im Entferntesten daran denken, eine Freundschaft in Frage zu stellen. Jungs in dieser Phase lassen wir lieber in Ruhe. Klar, wer nach einem Jahr immer noch jede Einladung oder jedes mögliche Treffen mit den alten Freunden ausschlägt, wird irgendwann eben nicht mehr kontaktiert und nach dem dritten Bier mit anderen Freunden auch mal mit einem Seitenhieb bedacht. In einer frischen Beziehung ist allerdings nun einmal voller Einsatz und maximaler Genuss gefragt, wir kennen und verstehen das. Du auch?

 

Ist das „In-vier-Monaten-kommst-du-dann-wieder-angekrochen“-Pessimismus?

 

Nein? Solltest du aber. Was ich nämlich aus deiner Beschreibung auch ganz subtil heraushöre, ist eine gewisse Portion Neid und ein grundsätzlicher „In-vier-Monaten-kommst-du-dann-wieder-angekrochen“-Pessimismus.

 

Wäre ich Fabian, hätte ich unter diesen Vorzeichen ehrlich gesagt auch keine Lust auf ein Treffen mit dir. Eins kann ich dir nämlich versprechen: Wenn ihr echte Freunde seid, wird Fabian dich auch bald wieder treffen wollen und zwar ganz ohne Appelle an sein schlechtes Gewissen. Irgendwann ist nämlich auch das letzte Cohen-Album durchgehört, und wir Jungs beginnen uns wieder nach Kontakten nach außen zu sehnen. Außerdem ist uns das Aufeinandertreffen von Freundin und besten Freunden fast wichtiger als das Kennenlernen der Eltern. Und das findet ja schließlich auch nicht schon nach zwei Wochen Beziehung statt.

 

Und selbst wenn Fabian da anders tickt:  Wenn es schlecht läuft, braucht er dich nach vier Monaten als Schulter zum Ausheulen. Wenn es gut läuft in vier Jahren als Patentante.

 

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