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Jungs, warum findet ihr Radsport spannend?

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Die Mädchenfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Oh je. Schon wieder geht eine Saison dem Ende entgegen und schon wieder habe ich es nicht kapiert: Was, liebe Jungs, ist das bloß mit euch und dem Radsport? Radsport ist doch … seltsam. Gar nicht mal so sehr wegen Dr. Fuentes und seinem Dopingsumpf – eklatante Missstände gibt es in anderen Sportarten genauso. Es liegt auch nicht an den Rennställen mit ihren strengen Hierarchien, wenigen Stars und vielen Wasserträgern. (Ist ja nicht so, dass Fußballklubs Moralinstanzen wären.) Was mich verwirrt, ist das Rennen selbst.

Was da passiert, kommt mir so wenig mitreißend vor. Bei den großen Rennen fährt dumm gesagt nur eine Horde bunter und aerodynamisch optimierter Männer ziemlich schnell um ein Land herum. Dabei schwanken die Fahrer zwischen exakt zwei Gesichtsausdrücken: „Schmerz!“, wenn sie zum Beispiel einen Berg  hochstrampeln, und „Konzentration!“, wenn es nur entspannt geradeaus geht. Die Formationen sind ebenfalls überschaubar, die Profis fahren eben mal im Pulk, mal aufgereiht als Perlenkette. Gelegentlich setzt sich einer ab. Richtige Rennen dagegen gibt es kaum. Dafür jede Menge gelbe, grüne, gepunktete und andere bunte Trikots, die sich die Stars von Movistar oder Sky ProCycling für diverse Einzelleistungen anziehen dürfen. Verwirrenderweise hat jedes Rennen eigene Farben.

Weil die Rundfahrten in großen Ländern wie Frankreich, Italien oder Spanien ausgetragen werden, dauert das Ganze auch noch ewig. Die spanische Vuelta, die an diesem Sonntag zu Ende geht, besteht zum Beispiel aus ganzen einundzwanzig Tagesetappen. Drei Wochen Ödnis, sollte man meinen. Trotzdem kenne ich gar nicht so wenige (überhaupt nicht dumme) Jungs, die das ganz anders sehen. Sie mögen Radsport, und zwar so sehr, dass sie sich stundenlange Tour-Übertragungen ansehen und dabei richtig gebannt am Bildschirm hängen. Wichtigtuerische Off-Kommentare wie „Wiggins erwischte den richtigen Moment, um aus einer fünfköpfigen Ausreißergruppe abzuspringen“, schrecken sie nicht ab – im Gegenteil. Eher fangen sie selbst an, von „Hauptfeldern“ zu sprechen und von Trikots, die verteidigt werden müssen. Manchmal brüllen sie noch „Quäl dich, du Sau!“ Richtung Bildschirm. Und auch wenn sie es nicht gern zugeben, hat Jan Ullrichs Absturz sie damals ziemlich betroffen gemacht.

Vom Radsport scheint trotz allem eine ziemliche Faszination auszugehen. Und offensichtlich seid es vor allem ihr Jungs, die für sie empfänglich sind – zumindest kenne ich kein Mädchen, das sich für Rennen groß begeistern würde. Dumm nur, dass ich wie gesagt keine Ahnung habe, was diese Faszination ausmacht. Interessiert euch die Strategie hinter der Fahrleistung? Seht ihr die Fahrer als Helden, die sich in widrigen Umständen behaupten? Oder wärt ihr vielleicht gern selber so sportlich? Was ist es, liebe Jungs, das Radrennen für euch spannend macht?

Auf der nächsten Seite liest du die Jungsantwort:


Die Jungsantwort von eric-mauerle:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Hallo? Wenig mitreißend? Radsport? Meinen wir beide dieselbe Sportart? Die Sportart, in der sich Menschen mit dem Fahrrad Berge hinaufquälen, die so lang und steil sind, dass ich eine Pause machen würde, wenn ich sie nur mit dem Auto hinaufführe? In der sie die kurvigen Bergstraßen mit 80 Kilometern pro Stunde und mehr wieder hinuntersausen? In der sie mit nur zentimetergroßen Abständen zueinander durch Innenstädte fahren?

An meinen Ausführungen merkst du vielleicht schon: Wir Jungs sind anfällig für Heldentaten. Besonders für Heldentaten, die scheinbar außerhalb menschlicher Fähigkeiten liegen, aber gleichzeitig sehr gut vorstellbar. Das Schöne an diesen Fahrradheldentaten ist, dass sie so anschaulich sind: Ein Fahrradfahrer und ein Berg, von oben die Sonne, von hinten die Verfolgergruppe – dieses Verhältnis und die Herausforderung darin kann jeder nachvollziehen, im Gegensatz zu, sagen wir mal, zur Leistung eines Dressurreiters und seines trippelnden Pferdes. Und da ist ja noch mehr Heldentum: Die Helfer in den Teams, die aufopferungsvoll vor den Favoriten herfahren und ihnen Windschatten spenden, bis sie nicht mehr können und erschöpft zurückfallen.

Außerdem liegt gerade in der Länge der Etappen und der Rundfahrtrennen insgesamt der Anreiz. Man muss Zeit investieren, damit die Spannung ihre volle Wirkung entfalten kann. Das mögen die meisten von uns ganz gerne, das spielt unserer Vorliebe für Fachsimpelei und Expertentum in die Hände. Man kann eine ganze Etappe lang jeden Berg aufs Neue spekulieren, ob der Armstrong doch mal einbricht (Nein) oder ob sich der Ulrich endlich traut, anzugreifen (auch nein. Das hat mich damals übrigens tatsächlich getroffen). Man kann wochenlang spekulieren, ob Vorsprünge wieder schrumpfen, ob der steilste und längste Berg den Führenden seine Führung kosten wird, ob der Zeitfahrexperte seinem Ruf gerecht werden wird. Und zwischendrin, wenn nichts passiert – und ich bestreite gar nicht, dass das gar nicht so selten der Fall ist – hört man sich die Heldengeschichten von früher an, die der Kommentator zum Besten gibt.

Das alles finden wir Jungs so spannend, dass nicht mal die hässlichen Trikots und Sonnenbrillen uns abschrecken.

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