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Jungs, steht ihr heimlich auf dicke Frauen?
Liebe Jungs,
Lindy West ist Amerikanerin, Autorin und fett. Das sagt sie selbst so, weil sie will, dass dieses Wort endlich nicht mehr negativ verwendet wird, sondern als reine Beschreibung, so wie „blond” oder „klein”. Lindy West hat ein Buch darüber geschrieben, wie es ist, fett zu sein. Es heißt „Shrill” und meistens ist es eher lustig und laut („shrill” halt), aber manchmal ist es auch traurig. Vor allem, wenn sie von ihren ersten Dates erzählt.
Denn erst mal wollte lange Zeit kein Junge mit ihr zusammen sein. Sie war ja fett. Als sie älter wurde, gab es nach und nach immer mehr Männer, die etwas mit ihr anfingen und die vor ihr auch offen zugaben, dass sie sie extrem attraktiv fanden. Nicht trotz Fett, sondern unter anderem deswegen. Das Traurige an der Geschichte ist, dass diese Männer die Existenz Lindys komplett verschwiegen: Sie nahmen sie nicht mit auf Partys, sie stellten sie nicht Freunden und Familie vor, sie wollten nicht mir ihr gesehen werden.
An diese Geschichte haben wir uns erinnert, als wir kürzlich noch mal von Seth Stephens-Davidowitz hörten. Der hat das Buch „Everybody Lies” geschrieben, in dem es darum geht, dass das Internet und Big Data verraten, wer wir wirklich sind. Und darin behauptet er eben auch, dass sehr viele Männer, wenn sie nach Pornos suchen, explizit nach solchen mit dicken Frauen als Protagonistinnen suchen (eine Analyse des Porno-Portals Pornhub hat das ebenfalls ergeben). In einem Interview mit Vox sagte Stephens-Davidowitz: „Ich bin mir sicher, dass mehr Männer auf übergewichtige Frauen stehen als auf dünne. Aber sie versuchen, dünne Frauen zu daten, um ihre Freunde und ihre Familie zu beeindrucken.”
Und da haben wir uns gefragt (und geben diese Frage hiermit an euch weiter): Stimmt das? Denn man sieht ja wirklich selten Jungs oder Männer mit dicken Freundinnen – zumindest keine, die selbst nicht auch dick sind. Verstecken die die etwa alle, wie die Typen in Lindy Wests` Jugend?
Andersherum sieht man das nämlich gar nicht mal so selten: ein Paar aus gertenschlanker Frau und weniger schlankem Mann. Und da freuen sich immer alle und sagen: „Schau, was der für eine schöne Frau abbekommen hat” und „Schau, die schöne Elisa schert sich selbst gar nicht um Schönheitsideale und ist einfach mit einem Mann zusammen, der klug und sympathisch ist. Die achtet halt echt noch auf innere Werte!” Irgendwie scheint es akzeptierter zu sein, dass eine dünne Frau einen dicken Mann hat als andersherum.
Warum, liebe Jungs, ist das so? Gibt es da irgendeinen vom frühen Porno- oder Was-auch-immer-Konsum eingepflanzten Zwang zum „Trophy Wife”, also zur Frau, mit der ihr euch schmücken könnt – und die darum den gängigen Schönheitsidealen entsprechen muss? Leidet ihr unter denen für Frauen also genauso sehr wie wir, weil ihr nicht anfassen und lieben dürft, was ihr gerne anfassen und lieben wollt? Gilt man nur als „echter Mann”, wenn man eine Frau mit einem kleinen BMI hat? Hat das Ganze gar nichts mit dem Körpervolumen zu tun, sondern irgendwas mir diesen abgegriffenen Klischees, die man damit verbindet, dass also dicke Frauen „laut und lustig” sind, ihr aber eine leise Frau wollt (die dann theoretisch auch dick sein dürfte)? Was passiert denn überhaupt, wenn einer von euch mit einer dicken Freundin aufkreuzt? Gibt’s dann schiefe Blick? Tuscheln die Kumpels dann und machen bescheuerte „Höhö, die muss aber einen ganz schön tollen Charakter haben”-Witze? Klärt uns doch bitte mal auf.
Eure (dicken und dünnen) Mädchen
Die Jungs-Antwort:
Liebe Mädchen,
sicher stehen viele Menschen auf dicke Frauen, aber aufgrund von aggregierten Porno-Suchbegriffen eine Art „schweigende Mehrheit“ zu vermuten, erscheint uns eher als wackelige These. Um Pornos von schlanken Frauen abzurufen, muss man wohl kaum dezidiert „skinny“ eingeben, sind ja eh fast alle schlank. Wer aber Lust auf Dicke hat, muss eben schon „fat“ eingeben, weswegen diese Suchanfragen wahrscheinlich höher liegen. Und dass der Geschmack in Pornofragen nicht immer den sexuellen Alltagsgepflogenheiten entspricht, ist ja irgendwie auch eine Binse.
Aber genug davon, ihr habt ja noch mehr Fragen: Wenn wir mal länger nachdenken, fallen uns tatsächlich Freunde ein, die ihre nicht gerade superschlanken Freundinnen nicht unbedingt verstecken, aber eben doch mit einer anderen Haltung „präsentieren“, als das bei einer dünnen Frau der Fall wäre. Die beim gemeinsamen Erstalken der Facebook-Präsenz ihrer neuen Flamme beim Klick auf die Fotos ein vorsorgliches „sieht in echt dünner aus“, oder ein „ist ja normalerweise nicht mein Typ“ mitschicken. Im Klartext: In diesen Momenten hat der Freund Angst, dass wir den Körper seiner Freundin nicht heiß genug finden. Auf wie vielen Ebenen das scheiße ist, ist schon recht spektakulär. Aber es passiert. Und das ist schade und natürlich auch absolut unloyal der eigenen Freundin gegenüber.
Warum geht der Freund nun davon aus, dass wir so denken? Wahrscheinlich wegen des wenig überraschenden Umstands, dass der Großteil der Männer eben Frauen bevorzugt, die dem gängigen Schönheitsideal entsprechen. Und das ist in der westlichen Hemisphäre eben ein sehr stark auf Schlankheit reduziertes Bild. Wer da bei seiner Partnerwahl aus dem Schema fällt, fühlt sich offensichtlich dazu verpflichtet, sich zu erklären.
Wo wir dieses Idealbild eines weiblichen Körpers aufgeschnappt haben, müssen wir euch wohl nicht erklären, penetriert es uns doch alle tagtäglich auf Plakaten, auf Bildschirmen, überall. Und obwohl ihr natürlich mehr darunter leidet, hat es doch auch einen Effekt auf uns: Wo es euch sagt „ihr müsst dünn sein!“ sagt es uns „ihr müsst eine dünne Freundin haben!“.
Dass Schönheitsideale alles andere als manifest sind, ist mittlerweile Gott sei Dank auch eine Binse. Sicherlich werden nie alle Männer auf dicke Frauen stehen, aber sollte es hier nicht eigentlich um alle erdenkbaren Körperformen gehen und nicht den Quasi-Schwarzweiß-Gegensatz dick vs. dünn?
Vielleicht sagt es ja auch minimal etwas über einen Wandel zum Besseren aus, wenn mehr Typen Pornofilmchen mit dicken Frauen gucken. Man muss sich dann aber auch fragen, ob männliche „Fatgirl“-Wichsfantasien der schönste Beleg für wachsenden Respekt vor der Vielfältigkeit weiblicher Körper sind.
Eure Jungs