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„Jungs, müssen wir immer perfekt rasiert sein?“
Liebe Jungs, Es ist eine alte Frage, jedoch warten wir bis heute auf eine ehrliche Antwort. Eingeleitet sei sie mit folgender Anekdote: Aufgelöst stürmte einst eine gute Freundin von mir ins Café und setzte sich mit empörtem Blick mir gegenüber. Sie echauffierte sich lautstark, dass ihre aktuelle Affäre sich über Dreitagesdichte ihrer Intimbehaarung beklagt habe. Es sei ja wohl inzwischen üblich, sich regelmäßig entweder beim Brazilian Waxing oder zumindest bei morgendlichen Duschverrenkungen seines Gestrüpps zu entledigen. Nur ein kleiner Landestreifen, ein sinnlicher Wegweiser quasi sei legitim. Unerhört! Schimpfte sie, er sei schließlich auch nicht täglich babypopoglatt rasiert, außerdem kriege sie von den scharfen Klingen immer so fies juckende…Von wegen „Venus, erwecke die Göttin in dir!“ Der Typ ist inzwischen weg, aber er hat es geschafft, dass sie nun immer für eine Sekunde an ihre aktuelle Haarlänge an Beinen und sonst wo denken müsse, sobald sie mit einem männlichen Wesen intimer würde. Diese beschwichtigen ihren entschuldigenden Blick (im Falle dass der letzte Klingenbesuch schon eine Weile zurücklag) in der Regel: „Macht doch nichts. Bist trotzdem noch sexy“, aber sie wird das Gefühl nicht los, dass Mann es im Grunde doch am liebsten frisch gemäht und aalglatt mag, am besten sogar komplett haarfrei. Diese Wünsche haben ihr so schon das ein oder andere Schäferstündchen versaut. Wenn wir uns umschauen, bemerken wir schnell, dass der Bedarf an Enthaarungseinrichtungen exorbitant zu sein scheint: Waxing Studios aller Art zieren die groß- und kleinstädtische Gewerbelandschaft und versprechen glatte Haut in Nullkommanix in „heimelige Atmosphäre“ oder während der „Bikinizonen-Waxing-Special-Tage“. Autsch. Wir wollen hübsch aussehen. Keine Frage. Vielleicht wollen manche unter uns auch euch zuliebe hübsch aussehen. Legitim. Aber wenn wir ehrlich sind, ist diese Rasiererei alles andere als ein netter Zeitvertreib. Fakt ist: Es nervt uns mindestens genauso wie euch. Und ich behaupte kühn, dass die Quadratzentimeter der zu enthaarenden Fläche am weiblichen Körper auch mindestens zehnmal so groß ist, wie die bei euch. Vorausgesetzt, man macht den Firlefanz mit und legt sich unters Messer. Oder unter den Wachsstreifen. Wieder Autsch. Wir proklamieren hier nicht den generellen Wildwuchs. Schließlich sind wir nicht alle Ökos und auch nicht alle Charlotte Roche. Es geht nur um die Frage: Ist es okay, auch mal ein paar Rumlümmel-Stoppel-Tage zu haben? Mögt ihr es vielleicht sogar ein klitzekleines bisschen, wenn euch beim Streicheln unserer wohlgeformten Waden das ein oder andere Härchen in den Weg stellt? Weil es sympathisch unperfekt ist? Weil es Vertrautheit demonstriert? Oder steht ein unrasiertes Bein gleich dem völligen erotischen Phlegma?
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Liebe Mädchen, durch dieses Land geht ein Riss, auf dessen einen Seite die Verfechter der Kahlheit stehen und sich in dem sicheren Glauben wähnen, die Ästhetik und den besseren Sex auf ihrer Seite zu haben. Auf der anderen Seite steht die Haarfraktion, die sich als Kämpfer für Natürlichkeit, Sexualduftstoffe und ungereizte Haut verstehen. Die Haarfraktion wirft ihren Gegnern einen latenten Hang zu Pädophilie vor und sieht sie als Opfer der Industrie, die seit dem Siegeszug der Internetpornografie ihr Schönheitsideal propagiert. Blödsinn, sagen die Haarentferner, Intimrasur praktizierten schon die Ägypter vor 5000 Jahren. Wildwuchs ist ein Relikt aus den 70ern mit ihren radikalfeministischen Ideen und Gleichberechtigung hat schließlich nichts mit Körperbehaarung zu tun. In Deutschland ist dieser Riss übrigens besonders ausgeprägt. Während sich laut einer Studie eines Rasierapparatherstellers in England 90 Prozent der Frauen epilieren, sind es Deutschland nur 40 Prozent – und damit am wenigsten in ganz Europa. Aber: Der Trend geht zur Enthaarung: 1993 haben sich nur 12 Prozent der Frauen in Deutschland die Körperhaare entfernt. Was uns das sagt? Vor allem eines: Ob wir Körperhaare schön oder nicht schön oder sogar eklig finden, hängt vor allem von der jeweiligen Mode ab. Momentan stehen die Zeichen auf Kahlschlag. Was in den Siebzigern noch ein Zeichen für „rassige Schönheit“ war, gilt heute im besten Fall als Ausdruck romantischen Hippietums (welches sich traditionell an der Grenze zum Ungepflegten bewegt). Die Mehrheit von uns kann sich diesem Trend nicht entziehen. Hinzu kommt, dass sich rasierte Haut – und da könnt ihr uns angesichts diverser Kratzerfahrungen mit unserem Gesicht und anderen Körperteilen wahrscheinlich beipflichten – einfach besser anfühlt als eine Tingeltangelbobfrisur am Bein, untenrum oder sogar auf der Brust. Letzteres mag komisch klingen, aber gibt es. Auf euren Brüsten kann ein einzelnes Haar tatsächlich zu massiven Irritationen führen. An allen übrigen Körperpartien wird unsere Begeisterung für euch von dem einen oder anderen Haar nicht getrübt werden. Alles andere ist Haarspalterei. stefan-winter