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Jungs, mögt ihr jetzt eigentlich Lippenstift oder nicht?

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Nicht, dass es ein weltbewegendes Thema wäre, aber es gibt da eine Sache, die müssen wir jetzt noch mal aufrollen: Lippenstift. Ich glaube, das letzte Mal, dass wir mit euch darüber sprachen, war irgendwann so mit 16. Damals habt ihr uns knallhart unserer Sexy-Illusion beraubt, indem ihr sagtet: „Eh voll strange, dass ihr euch da immer so viel klebriges Zeug ins Gesicht tut, also wegen uns muss das ja nicht sein, aber ist eure Sache...“

Wir hatten aus so einem ganz generellen Tatendrang Richtung Erwachsenenrituale, Eitelkeiten und der Suche nach Selbstbewusstsein damit begonnen, uns einen kleinen Make-up-Tisch zu Hause einzurichten und natürlich gehofft, dass ihr das genauso cool, erwachsen und geheimnisvoll findet wie wir.

Schminkzeug für die Lippen war dabei in unseren Augen schon immer das Beste, sei es der bebe-Perlglanz mit zwölf, das Body-Shop Mangobalm mit 13 oder der erste Glitzergloss mit 14.  All das konnte man nämlich ständig nachtupfen und sogar in der Schule tragen, ohne gleich auszusehen wie eine abgedrehte Lolita oder ein Supergrufti. Es gab sogar Mädchen, die behauptet haben, sie würden ihren Lipbalm vom Bodyshop nur deshalb kaufen, weil er ihnen so gut schmecke, sie seien regelrecht süchtig danach, ja, manchmal kauften sie ihn nur, um ihn fingerweise zu schlecken. Krass, oder? Und dann kommt ihr und sagt: Bleib mir weg mit dem ekligen Kram.

Dass billig-klebriges Manhattan-Gloss tatsächlich ganz schön eklig ist, finden wir mittlerweile auch. Ansonsten aber haben wir uns von euch nicht wirklich beeinflussen lassen, noch immer finden wir Make-up eine gute Notlösung für Scheißtage und haben überdies ein recht zeitloses Faible für Lippenzeug. Es ist damit wie mit dem Handcremefetisch, eine kleine, unkomplizierte Freude mit Selbstsorgeaspekt. Die Möglichkeit, sich immer mal kurz aufzufrischen halt. Bei unserer gelegentlichen Verwendung von Knallfarbenlippenstift ist es die Faszination des einfachsten und gleichsam maximale Elegance-erzeugendsten Schminkwerkzeug, die uns daran so gefällt und ich will wirklich nicht klingen wie eine Vogue-Frau, aber: Mit Lippenstift ist man halt einfach immer gut angezogen und tanzteefertig, auch wenn man eigentlich gar nicht gut angezogen ist oder sogar ungeduscht. 

Jetzt ist halt nur die Frage: Wie seht ihr das denn mittlerweile eigentlich alles so? Es gibt noch immer das Gerücht, Männer sei Make-up völlig egal und sie fänden eine Frau im Zweifel ohne schöner, glaubwürdiger und im Falle von Lippenstift vor allem knutschtauglicher. Stimmt das? Oder hat sich eure Einstellung dazu vielleicht auch verändert, habt ihr mit voranschreitendem Alter die Faszination dezent eingesetztes Make-up zu schätzen gelernt? Und wenn ja, machen Lippenfarben für euch dann auch einen Unterschied, preferiert ihr gewisse Texturen, Konsistenzen, Geschmäcker? Wie wirkt eine Frau mit Lippenstift auf euch, in welchen Situationen findet ihr es angemessen, wann fehl am Platz und wie ist das denn jetzt eigentlich mit dem Küssen? Weil auch wenn nicht mal Farbschmiergefahr herrscht, irgendwas haben wir ja eigentlich immer drauf – und wenn es nur irgendein Balm ist oder der Honiglabello. Nervt das total und ihr wollt euch am liebsten immer gleich danach den Mund abwaschen oder seid ihr das schon so gewohnt, dass es euch eher komisch vorkommt, wenn auf den Lippen mal so gar nichts drauf ist?

Auf der nächsten Seite liest du die Antwort von elias-steffensen.



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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Nun ja, so unwichtig ist das Thema gar nicht. Erst recht nicht, wenn wir euch – wie du sagst –„knallhart“ eurer Sexy-Illusion beraubt haben. Das wollten wir garantiert nicht. Wir wussten’s nur einfach nicht besser. Weil, das vergesst ihr bei solchen Geschichten meistens: Du redest da ja von einem Alter, in dem wir in unserer Entwicklung noch mindestens zwei Jahre hinterher hingen. Wir haben da im Hauptberuf noch auf unseren Gameboys einen schnauzbärtigen Klempner über Pilze hüpfen lassen. Und sexy Illusionen, zumal klebrige, das musst du verstehen: Das war echt noch zu viel!  

Also haben wir reagiert, wie wir damals eben reagiert haben, wenn uns etwas überfordert hat: Ablehnung mit viel „Boah, seid ihr strange“-Brimborium. Eigentlich fast wie heute. Aber eben nur fast. Ein bisschen entwickelt haben wir uns ja doch seither, und dabei haben wir gelernt, wenigstens ein paar von den verwirrenden Gefühlen, die ihr bei uns auslöst, besser einzuordnen. Der Lippenstift gehört da in seinen gängigsten Varianten dazu.  

Was wir nämlich zum Beispiel kapiert haben: Damit wir unsere Begierden stillen, euch also küssen, an uns ziehen und alles sonst mit euch machen können, was so schön ist, müssen sie erst mal geweckt werden. Und das funktioniert, da sind wir einander wahrscheinlich nicht unähnlich, am besten über dieses so aufregende Spiel mit Nähe und Distanz, mit Anziehung and Zurückweisung. Und genau das ist er für uns heute, der Lippenstift. Zunächst!   Natürlich wird euer Mund ein Blick-Magnet, wenn er rot angemalt ist. Umso mehr, seit wir wissen, was ihr damit tolles machen könnt. Selbstverständlich bekommt er auch eine leicht geheimnisvolle Note, wenn ein dunklerer Ton ihn betont – Bordeaux, oder Herbst oder so. Weiß nicht genau, wie ihr das nennt. Das ist die eine Seite: die Anziehung.  

Gleichzeitig schafft so ein angemalter Mund aber auch Distanz. Wegen des Bisschen Farbe gleich einen Vergleich mit einem Gemälde zu bemühen, das man ja auch nicht berühren darf, ist etwas zu hoch gegriffen. Aber eben nur etwas. Denn wir haben schon das Gefühl, da etwas zu zerstören, wenn wir zu nahe kommen. Ein Stopp-Schild ist das damit nicht. Aber „Vorfahrt achten!“-Niveau kommt’s schon. Wir wollen also, dürfen aber nicht so richtig. Hin, her, ja, nein. Puh, aufregend!  

Heißt also: Ja, wir finden Lippenstift schon toll. Manchmal. Denn, da ist die Analogie zum Kunstwerk wieder ganz passend: Wir gehen ja auch nicht jeden Abend ins Museum. Manchmal ist uns eine rüpelige Buddy-Komödie im Kino lieber. Unkomplizierte, kurze Wege. Direktes Verständnis. Keine Spiele. Und dann, dann fänden wir bemalte Lippen anstrengend, einfach nur im Weg. Einfach nur kompliziert. Was wir nämlich auf gar keinen Fall glauben, ist, dass das Zeug bleibt, wo ihr’s aufgetragen habt. Das kann die Werbung uns nicht erzählen.  

Was übrigens Lipgloss und auch die ganzen fettigen Balmsachen anbelangt, da muss ich dich etwas enttäuschen. Das glänzige Zeug gehört in den Disney-Club und der Balm in die Hausapotheke: Bevor die spröden Lippen aufplatzen, kann man das nehmen – sonst klebt es einfach nur. Honig hin oder her.

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