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Jungs, können wir einfach nur Freunde sein?
Es ist so: ich lerne gerne neue Leute kennen. Nicht etwa, weil ich schrecklich einsam bin oder mich dringend verlieben möchte. Ich lerne gerne neue Leute kennen, weil ich immer auf der Suche nach spannenden Menschen bin, deren Charaktere und Geschichten auf irgendeine Art und Weise mein Leben bereichern. Da gehören sowohl Begegnungen mit dem neuen Nachbarn im Hinterhof, das flüchtige Gespräch in der S-Bahn, als auch das mittagliche Kantinenessen mit einem bis dato eher unbekannten Kollegen dazu. Ich würde bei solchen Begegnungen im Leben nicht darauf kommen, sie in irgendeiner Art und Weise sexuell bedeutsam zu finden. Vielleicht liegt es daran, dass ich mich ohnehin selten verliebe, beziehungsweise wenn überhaupt, dann sofort und richtig. Auch zur Zeit bin ich demnach in einer sehr glücklichen, beständigen Beziehung. Was sich nebenher an Bekanntschaften in mein Leben streuselt, passiert für mich auf einer ganz anderen Ebene: einer geschlechtslosen. Das fremde Mädchen, mit dem ich mich letztens so toll auf einer Party unterhalten habe, frage ich genauso unbeschwert, ob wir mal einen Kaffee oder ein Bier trinken gehen, wie den lustigen Nachbarn, der neu eingezogen ist und mir von der Fensterbank herunterwinkt. Fragen sie andersherum mich, sage ich genauso euphorisch: Ja!, und denke mir nicht viel außer: Oh, toll, vielleicht ein neuer Mensch in meinem Leben. Für mich ist das eine öffnenswerte Tür, hinter der andere Gedanken und neue Perspektiven warten. Jetzt ist es aber so, dass jedes Mal, wenn eine ‚neue Person’ männlich ist, und mich beispielsweise jemand mit ihr sieht oder ich beiläufig von ihr erzähle, mir gleich mit hochgezogenen Augenbrauen und bedeutungsschwangere „Aha’s“ begegnet wird. Vor allem mein Freund erklärt mich in diese Hinsicht für total verrückt und fragt, ob ich tatsächlich so naiv sei, nicht zu kapieren, dass jener Junge, den ich da auf ein Bier gefragt habe (oder er mich), mich quasi schon in seinem Bett liegen sieht. Wenn ich wiederum einen alten Freund treffe, oder mich ein männlicher Jemand aus meinem Heimatort in der neuen Stadt besucht, reicht das Argument, wir würden uns ja schon ewig kennen. Das heißt schließlich so viel wie: Wir haben uns schon abgecheckt, da geht nichts, keine Sorge! Natürlich besteht bei jedem Jungen, den ich neu kennenlerne, eher das Risiko, dass ich mich in ihn verliebe, als bei einem, den ich schon seit Jahren kenne. Aber soll das jetzt ein Grund sein, keine Männer mehr kennenzulernen? Wer weiß, womöglich verliebe ich mich eines Tages ja auch in eine Frau - trotzdem denkt sich niemand etwas bei meinen weiblichen Bekanntschaften. Ich weiß, ich mache gerade ein gefährliches Klischeefaß auf, aber: Geht es euch Jungs wirklich immer nur um’s Vögeln? Scheint es euch wirklich so abwegig, dass man einfach nur ein ehrliches Interesse daran haben kann, sich mit interessanten Menschen zu umgeben, wobei es völlig gleich ist, ob der interessante Mensch nun ein Mädchen oder ein Junge ist? Darf ich als vergebenes Mittzwanzigermädchen nun also nur noch mit Jungs verkehren, die entweder mein fester Freund sind oder jene, die ich noch aus Schul- oder sonstigen Urzeiten kenne? Ist jedes gänzlich neue Kennenlernen zwischen einem Jungen und einem Mädchen gleich eine potentielle Liebelei? Sollen wir euch demnach in Zukunft einfach in Ruhe lassen, wenn wir nicht auch mit euch schlafen wollen? Ja? Oder sollen wir der klaren Fronten halber nun immer so unverschämt eingebildet dahergekommen und sagen:„Hey, ich würde gerne mit dir Bier trinken, aber nur dass du es weißt: Ich habe einen Freund und wirklich kein sexuelles Interesse an dir.“ Und andersherum auch eure Versuche der Kontaktaufnahme vorsorglich abwatschen? Nennt mich die Naivität in Person, aber ich kapier’s einfach nicht! Wie sollen wir euch begegnen, wenn wir nur mit euch befreundet sein wollen? Eine klare Anleitung, bitte!
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Dass wir diesen Satz mal in der Jungs-Antwort lesen würden, hätte ich nicht gedacht. Dass ich ihn aber wirklich gleich schreiben werde, zeigt, dass die Klischees dann doch nicht so wahr sind, wie mancher denkt. Und jetzt, Achtung, kommt der Satz, den ich sonst immer nur von Mädchen höre: „So einfach ist das nicht.“ Meist sagt ihr ihn, wenn Jungs wollen, dass ihr weniger Theater um Freundschaften, Abendgestaltung oder ganz simpel um das Verhältnis von Aussehen und inneren Werten macht. Meist holt ihr dann aus und sagt weiter: „Es geht doch um den Zauber, um das Dazwischensein, um die Andeutungen und die Möglichkeiten. Das kann man mit einem einfach Ja/Nein oft nicht ausdrücken.“ Deshalb, so lernen Jungs, sollen sie nicht einfach auf Mädchen zugehen und sagen: „Du siehst super aus, ich würde Dich gerne küssen.“ Denn das zerstört den Zauber. Das Besondere ist aber: Gleiches gilt auch für das Gegenteil. Auch der Satz: „Es ist mir egal, wie du aussiehst, ich will dich eh nicht küssen“, zerstört den Zauber und ist gelogen. Denn natürlich denkt niemand diesen Satz, bevor er gemeinsam in die Mensa, eine Bar oder einfach ausgeht. Niemand schließt so kategorisch – wie du es schreibst – aus, was ich den Dreisatz der Liebe nenne: dass da Sympathie ist, dass Sympathie sich bei einer guten Gelegenheit auch zu Anziehung entwickeln kann und dass Anziehung die Grundlage für Zauber und vieles mehr sein kann. Mit diesem Dreisatz rechnen wir alle. Mindestens alle Jungs, aber ich glaube sogar auch ihr Mädchen. Der Unterschied ist hier in Wahrheit gar nicht so groß. Ich glaube, es fällt euch lediglich leichter, Bekanntschaften als geschlechtslos einzuordnen. Bei uns gelingt das nur dann, wenn ein Mädchen tatsächlich überhaupt nicht unseren Interessen entspricht (was übrigens durchaus vorkommt). Stell dir einfach vor, der eine Typ aus dem Uniseminar, den du ganz insgeheim als das Gegenteil von geschlechtslos einstufen würdest, käme mit der Kaffee-Idee auf dich zu. Dann würde bei dir auch der Dreisatz der Liebe anspringen – und plötzlich sind wir wieder bei eurem Lieblingssatz: „So einfach ist das nicht.“ Zum Glück! stefan-winter