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Jungs, kennt ihr eure Hormone?
Liebe Jungs,
wenn man's genau nimmt, kennen wir uns jetzt auch nicht sooo gut aus mit unseren Hormonen. Zumindest können die meisten von uns (wenn sie nicht gerade Medizin studiert haben) auch nicht mehr benennen als Östrogen und Testosteron, manche vielleicht noch Progesteron und HCG. Trotzdem sind Hormone für uns sehr regelmäßig ein Thema. Zum einen, weil viele von uns hormonell verhüten oder verhütet haben, und dabei gelernt haben, dass es das eigene Befinden und den eigenen Körper ziemlich stark verändern kann, wenn man zum Beispiel die Pille nimmt. Zum anderen, weil die meisten von uns einen Zyklus haben, in dem sich die Konzentration der daran beteiligten Hormone immer wieder verändert – und damit auch unsere Stimmung (gut vs. schlecht) oder unser Aussehen (gute Haut vs. schlechte Haut). Bei der einen mehr, bei der anderen weniger. Aber gibt's halt, und das wissen wir.
Diese Schwankungen sind leichter zu ertragen, wenn man sich wenigstens ein kleines bisschen auskennt. Wenn man mal nachliest, was da so im Körper passiert, und dann versucht, darauf zu achten, ob es zutrifft. Das kann dabei helfen, sich selbst distanzierter zu betrachten, die eigenen Gefühle einzuordnen und am Ende besser zu verstehen. Wenn man sagen kann: "Irgendwie klar, dass ich jetzt grade so unverhältnismäßig aggro auf meinen lauten Nachbarn bin", hilft das zum Beispiel dabei, dieses in dem Moment sehr nervige und eher störende Gefühl nicht allzu ernst zu nehmen.
Es deeskaliert. Hin und wieder nutzen wir unsere Hormone darum auch als Ausrede – was solange okay ist, wie wir die Oberhand über diese Ausrede haben! Wenn wir beim Anblick schlafender Kinder weinen müssen, dürfen wir "Das sind nur die Hormone" sagen. Wenn uns allerdings ein Mann irgendwas von "Sind das jetzt deine Hormone oder wie?" reindrückt, werden wir sauer (und zwar völlig zurecht).
Man darf das jetzt nicht überbewerten. Wir denken natürlich nicht bei jedem Glücksgefühl und jeder Wut "Sind ja eh nur die Hormone!" Aber wir wissen einfach, dass sie da sind. Wir sind uns ihrer bewusst und spüren ihnen manchmal nach. Wir wissen, dass es verschiedene gibt und mal das eine, mal das andere die Oberhand hat. Dass stärkerer Haarausfall oder plötzlich sehr schlechte Haut oder sogar übermäßige Angst eventuell von einer Hormonstörung kommen können. Dass, sollten wir schwanger werden oder sein, noch mal ganz andere Zusammensetzungen zum Tragen kommen und uns verändern werden. Dass sie einfach verdammt viel ausmachen und sehr, sehr mächtig sind. Manchmal finden wir sie deswegen sogar gruselig. Oder scheiße (denn, wie die Kollegin es mal so schön aufgeschrieben hat: Ja, manchmal fühlen wir uns von der Natur verarscht.
Aber ihr? Wir haben das Gefühl, dass ihr nur ein einziges Hormon kennt und für relevant haltet: Testosteron. Und dass das in eurem Leben auch eher nur als Witz vorkommt. In "Höhöhö, haste wohl Testosteron-Überschuss/Hormonstau"-Sprüchen oder wenn ihr über "Frühlingsgefühle" spekuliert. Oder über Bodybuilding. Hormone sind für euch anscheinend was total Abstraktes, von dem ihr mal gehört habt, aber das mit eurem echten Leben nichts zu tun hat. Solange ihr kein Problem mit einem eurer Hormone habt (mit Testosteron oder dem aus der Schilddrüse oder irgendeinem anderen) und deswegen zwangsweise darüber nachdenken müsst, denkt ihr anscheinend überhaupt nicht darüber nach.
Ist das wirklich so? Oder googelt ihr doch irgendwann mal, was sich in eurem Körper wie die Waage hält und in welchen Momenten welche Rolle spielt? Denkt ihr bei Schlafstörungen wirklich nie an euer Melatonin und beim Glücklichsein nie an Serotonin – einfach nur, weil euch diese grundlegende, Zyklus-bedingte Beschäftigung mit Hormonen abgeht und darum auch kein Interesse für den Rest geweckt wurde?
Erklärt das doch mal bitte euren (falls da ein falscher Eindruck entstand: wirklich nicht nur hormongesteuerten!) Mädchen
Die Jungsantwort:
Liebe Mädchen,
es stimmt schon. Beim Gedanken an Hormone wandert mein erster Blick nicht in mich selbst, sondern in den Testosteron-Spiegel. Ich sehe ein Muskelmonster in einer shady Sportumkleide, das mir sein Spritzenarsenal im Spind präsentiert. Somatropin, Trenbolon, Nandrolon - der Stoff, aus dem Adonisträume und Hodenkrebs sind. Oder ich sehe Bob – den Dicken aus Fight Club. Dem man Hormone für Rennpferde reingejagt hat und dessen Brüste deswegen, O-Ton Edward Norton, "so gewaltig waren, wie man sich die von Gott vorstellen würde." Und ich höre die Sprachnotiz von meinem besten Freund von heute morgen: "Ich hab gestern den neuen Rocky-Film geguckt. Hab richtig Bock jetzt. Lass mal zum Boxen treffen. Dann gibt’s ein paar auf die Mappe."
Die Verknüpfung Hormon, Testosteron, Kraftmeierei lässt sich also nicht wegleugnen. Und das entspringt offenbar nicht nur dem verdammten Van-Damme-verdummten Areal meines Hirns, das Hau-Fecht-Schieß-Filme, wie meine Mutter sagen würde, für ein respektables Genre hält. Denn schon beim Rumgooglen über "männliche Hormone" ist der prallgespannte Bizeps zur Illustration Pflicht. Bloß keine falsche Assoziation aufploppen lassen. Hormone? Nur Hand in Hand mit Hantel. Und zwar nicht in kruden Bodybuilder-Foren, sondern auf der Seite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Politik mit plumpem Pump.
Abseits von jener testosteromantischen Vorstellung sind Hormone für uns ein Urban-Myth. Ein Großstadtmärchen, eine Party-Sage. Etwas, von dem uns der Cousin eines Freundes erzählt hat (oder eben: die Cousine eines Freundes). Klar, bei Östrogen und Seratonin erinnert sich irgendwas in meiner Großhirnrinde an die Doppelstunde Bio-Grundkurs. Aber schon bei Melatonin war ich felsenfest überzeugt: Das ist dieser Wert aus "Star Wars"! Ihr wisst schon. Der definiert, wie gut ein Jedi-Ritter sein Laserschwert schwingen kann. Also schon wieder Kampf und Gewalt.
Wenn also manchmal doch alles unerklärlich ätzend ist – wenn Menschen nerven, Luft nervt, wir nerven –, liegt das nicht an den Stoffen, die in unserer Blutbahn rumwabern. Würden wir zumindest nicht in Betracht ziehen oder gar zugeben. Wir sind ja wohl noch Herr über unsere Gefühle! Wir sind schlecht gelaunt. Fertig.
Dabei würden wir es uns doch so viel leichter machen, wenn wir uns manchmal einfach eingestehen, dass man einen miesen Tag hat wegen der Hormone. Wenn wir uns selber mal die Frage stellen, ob die eigentlich gerade "verrückt spielen" und sie nicht als dusseliges Todschlag-Argument im Streit benutzen.
Stattdessen benutzen wir Hormone nur als stallonsche Ausrede, wenn wir Bock haben rumzubrettern, Hau-Fecht-Schieß-Filme zu gucken oder eben "uns einen auf die Mappe zu hauen". Als Ausrede für den Wunsch nach ein wenig Primitivität. Aber nie als Begründung für undefiniertes Unwohlsein oder spontane Euphorie.
So richtig zufrieden bin ich mit der Antwort nicht. Der Text nervt. Ich überlege, ob das an den Hormonen liegt. Ich finde, das ist ein Anfang.