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Jungs, ist es schlimm, wenn wir auf euer Klo gehen?

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Die Mädchenfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Es liegt an meinem nervösen Wesen, meiner launischen Blase und auch ein bisschen an meiner Unverträglichkeit gegenüber öffentlichem Geschnatter, wie es in Mädchenwarteschlangen seinen Höhepunkt findet: Wenn ich länger als eineinhalb Minuten vor einer Frauentoilette warten muss, biege ich ins Männerklo ab. Dort ist es schön leer, meist so überraschend leer, dass man laut und erleichtert seufzen möchte. Lässt man dann natürlich lieber, denn von den offenen Pissoirs und dem vielen Danebenpinkeln riecht es immer eher nach, äh, streng fermentiertem Hai. Aber ich bin gut im Luftanhalten und mittlerweile auch ein ziemlicher Profi im hygienischen Hockepinkeln. Ich finde, es ist überhaupt nichts dabei, dass ich ab und zu eure Toilette benutze. Getrennte Toiletten sind mir, wie getrennter Sportunterricht, immer ein Rätsel gewesen. Das zu-den-Jungs-sneaken ist unter den wartenden Mädchen nicht besonders gern gesehen, denn, um mit ihrer einstimmigen Empörtheit zu sprechen: Was, wenn das alle machen würden? Ja, was wäre, wenn es alle machen würden? Wäre das wirklich so schlimm? Zwei Unisexklos würden die Warteschlange doch immerhin halbieren.

In meinem Egoismus blende ich aber das Wichtigste aus - die Betroffenen. Ihr Jungs ignoriert meine Kurztrips ins männliche Toilettengebiet meist diskret. Ernte ich doch mal einen schrägen Blick, schäme ich mich zwar gleich ein bisschen, würde aber trotzdem gern zurückrufen: Stellt euch halt nicht so an, ich würde auch gern gegen die Wand pinkeln können! Also: Wie ist das für euch, wenn wir in eure Sanitärgemächer huschen, vorbei an euren, naja, entblößten Penissen? Immerhin ist das Pissoir doch ein Ort, an dem ihr euch nicht unerheblich frei macht und zwar ohne Kabine oder Trennwand. Nehmen wir an, es gäbe ein weibliches Pendant zum Pissoir: Ein chinesisches Bodenklo ohne Sichtschutz beispielsweise. Hockte ich dort und ihr kämt mit einem knappen Sorry hereingelatscht, ich würde mich sehr bedanken.

Findet ihr uns also unhöflich, gar dreist, beschämend? Oder seid ihr sogar auf der Toilette echte Gentlemänner und sagt: Ach, ihr armen Mädels, klar, kommt rein, Unisex für alle, ist doch auch blöd, das ewige Gewarte, verstehen wir schon! Oder ist es euch einfach nur egal?

Rückt uns doch bitte mal das Toilettengemüt zurecht, damit wir's für's nächste Mal wissen.

Auf der nächsten Seite liest du die Jungsantwort von christian-helten.



Die Jungsantwort von christian-helten:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Um deine Frage zu beantworten, muss ich zunächst mal auf einen grundsätzlichen Unterschied der Regionen Jungs- und Mädchentoilette hinweisen. Die mögen zwar im Normalfall direkt nebeneinander liegen, sind aber atmosphärisch doch ziemlich unterschiedliche Klimazonen.  

Bei euch ist die Toilette ja ein Ort, wo noch allerlei anderes erledigt wird als die Verrichtung der Dinge, für die Toiletten ganz grundsätzlich vorgesehen sind. Stichworte: Frischmachen, Nachschminken, Haare richten. Und natürlich in der Schlange stehen und die Wartezeit mit Unterhaltungen überbrücken. Die Mädchentoilette ist viel mehr Aufenthaltsort als das Jungsklo. Wir gehen zielstrebig auf die Pieselwand zu, müssen dort keine langwierigen Auszieh- und Auspack-Manöver hinter uns bringen, sondern sind spätestens nach einer Minute plus Händewaschzeit wieder raus. Das Jungsklo hat als Ort viel weniger Bedeutung. Wir müssen uns da nicht wohlfühlen, sogar der von dir angesprochene Hai-Geruch fällt deshalb kaum ins Gewicht. 

Es hat also nicht wirklich was von einem Eindringen oder einem Tabubruch, wenn da plötzlich ein Mädchen in unser Territorium spaziert. Wir fühlen uns nicht beleidigt oder eines Rückzugsortes beraubt. Manchmal ist es sogar ganz lustig zu sehen, wir ihr euch bei uns einschleicht. Ihr tragt dann ja oft ein unterhaltsames Geschau mit euch herum, weil ihr mit einem Blick den schnellsten Weg zu einer freien Kabine auslotet und gleichzeitig scannt, ob eure Anwesenheit irgendjemanden erschreckt alles natürlich in dem Bestreben, am besten gar nirgends hinzuschauen und einen entschuldigenden Gesichtsausdruck aufzusetzen.  

Was unsere entblößten Penisse angeht, besteht auch kaum Grund zur Sorge. Wir fühlen uns beim Pinkeln recht angezogen sonst würden wir uns ja auch nicht beim Spazierengehen an einen Baum oder auf dem nächtlichen Heimweg an eine Hinterhof-Mauer stellen. In einer handelsüblichen Herrentoilette stehen wir zudem noch mit dem Rücken zu euch, wenn ihr in Richtung Kabine vorbeihuscht. Das senkt das Scham-Potenzial nochmals.

Ein bisschen legt euer Erscheinen den Atmosphärenschalter auf dem Jungsklo aber schon um. Das sieht man schon daran, dass dort die Neigung zum ausgiebigen Händewaschen rapide ansteigt, sobald Weibsvolk anwesend ist. Wir sind dann auch ein bisschen stiller, halten uns mit Erleichterung ausdrückenden Geräuschen zurück und achten darauf, dass der Wiederverpackungsprozess gänzlich abgeschlossen ist, bevor wir uns von der Pinkelrinne abwenden, und wir nicht noch auf dem Weg zum Waschbecken mit irgendwelchen Knöpfen in unserem Schritt hantieren. Natürlich gibt es auch Ausnahmen: Etwa wenn es sich bei der Örtlichkeit um ein Pissoir auf dem Oktoberfest oder ähnlichen bierseligen Festivitäten handelt. Da verändert eure Anwesenheit auch etwas - in die andere Richtung: Zu dem üblichen alkoholschwangeren Klogeprolle kommt dann noch Gejohle und anzügliches Geprolle in eure Richtung hinzu. Dafür an dieser Stelle mal: Entschuldigung!

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