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Jungs, habt ihr Angst vor dem Alleinverdienen?

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Die Mädchenfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


„Alleinverdiener“ – das klingt komisch. So überholt. Man stellt sich sofort einen Aktentaschen-Krawattenmann vor, der den ganzen Tag in irgendeinem Büro arbeitet. Zuhause wartet die Frau, die ihm die Krawatte gebunden hat, dann hauptberuflich auf ihren „Schatz“. Währenddessen kocht, putzt und bügelt sie, schluckt Antidepressiva und zieht die Kinder groß. Ein Bild wie aus den Sechzigern und kein schönes. Zum Glück sind wir heute weiter: Der male breadwinner hat schließlich schon für die Generation unserer Eltern nicht mehr funktioniert. Das Thema ist durch – sollte man meinen.   Denn dafür, dass das Ganze ein Modell von vorgestern ist, kommt es in meinem Freundeskreis verdächtig oft zur Sprache. Zugegeben, das passiert meistens später am Abend, also dann, wenn wir alle unser Herz schon etwas arg ungefiltert auf der Zunge tragen. Und  das meiste davon ist natürlich ironisch gemeint, aber manchmal möchte jemand auch ernsthaft darüber reden. Meistens ist das dann ein Mädchen.

  Sarah, zum Beispiel. Sarah, die Werbetexterin ist, sagt ab und zu komplett unironisch, dass sie sich das schon vorstellen kann, ganz zu Hause zu bleiben, wenn sie und Sebastian mal Kinder haben. Dann würde sie Nigella-mäßig Leckereien zaubern, hätte Lavendel-Bügelwasser und würde den Nachwuchs zum Fußball fahren. Danach ginge es dann zum Pferd und später nach Hause, zu Dawanda. „Das könnte schön sein“, sagt Sarah dann. „Und der Sebi verdient ja auch ganz gut.“ Auf die Frage, ob das nicht auch eine ziemlich abhängige Angelegenheit werden kann, fällt Sarah dann nicht mehr so viel ein. Und ob sie wirklich den Anschluss verlieren will, während ihr Freund entspannt Karriere macht, weiß sie dann doch noch nicht. Irgendwo ahnt nämlich sogar Sarah, dass das Alleinverdiener-Modell für Frauen mehr Nachteile als für Männer hat.

  Komisch bloß, dass die oft nicht so scharf auf ihre Vorteile wirken. Sebastian schaut zumindest gar nicht begeistert, wenn Sarah mit ihren Hausfraufantasien loslegt. Und auch andere Jungs, die ich kenne, werden auffallend still, sobald ihre Freundinnen mit dem Daheimbleiben liebäugeln. Kann es sein, dass euch Jungs, der Gedanke, irgendwann einmal eine Familie ernähren zu müssen, nicht gefällt? Glaubt ihr, dass ihr dann vielleicht überfordert wärt? Weil dann zu viel von euch und eurem Gehalt abhängt? Jungs, habt ihr Angst vor dem Alleinverdienen?          


      


Die Jungsantwort:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



 Die Frage klingt spannend, ist aber eigentlich langweilig. Sie klingt wie: Jungs, kämt ihr mit der alten Versorgerrolle überhaupt noch klar, wo wir starke Frauen sie euch in den letzten Jahren doch extra dringend ausgeredet haben?

 Diese Problemstellung – und auch dein Beispiels-Sebastian legen eine Entwicklung nahe, nach der sehr schnell eine kollektive Rückgraterweichung über die Männer gekommen wäre und sie jetzt einem Druck nicht mehr standhalten könnten, den ihre Vorfahren doch die letzten 4000 Jahre ausgehalten haben. Die Antwort ist aber: Nö, stimmt nicht. Das passt schon, wenn wir für euch mit arbeiten. Vielleicht ist es ja nur die Prägung durch einen Vater als Hauptverdiener und eine Mutter als Familiendompteurin: Ich finde es jedenfalls noch keine allzu kuriose Vorstellung, Mühen auf mich zu nehmen, um mein Geld dann mit den Menschen zu teilen, die ich liebe, im Gegenteil, es ist schön. Männer teilen ihr Geld lieber als Frauen, das kommt in Statistiken immer wieder raus und ist ziemlich komisch, wo ihr doch sonst in allen sozialen Belangen so fortgeschritten seid. Aber diesmal sind wir es wohl, die erklären müssen: Auch eine doofe Arbeit macht Sinn, wenn man weiß, davon heizen wir eben unser klein’ Häuschen und haben sonntags feinen Kirschkuchen. Den tollen Menschen die man ergattert hat, soll es ja nicht nur gut gehen, man will ihnen doch eigentlich noch mehr Freude bereiten als sich selber, und es ist befriedigender für sie zu arbeiten, als immer nur für den neuen BMW und großen Fernseher.
Soll heißen: Ich fände es eigentlich sogar fast schwieriger, mich für Arbeit zu motivieren, wenn ich immer nur der einzige Nutznießer wäre.

Außerdem ist ja, wie du selber schon sagst, die Rolle des Geldanschleppers eigentlich meist bequemer als die des Kinderherumschleppers – ist die Karriere erstmals aufs Gleis gebracht und geschieht kein arbeitnehmerisches Unglück, kommt jeden Monat doch hoffentlich genug Pecorino aufs Konto, um Frau und Kindlein mitzuernähren. Nicht so schwierig, jedenfalls wenn man Ingenieur ist und seine Arbeit gerne macht. Anders sieht es natürlich in Anbetracht unserer prekären freiberuflichen und jahresvertraglichen Jobs aus, die zwar Spaß machen, aber die Zukunft nicht besonders zuverlässig vorhersagen. Ein fragiles Einkommen ist da kein Thema, so lange Braut und Bräuterich in ihrer 2-Zimmer Berliner Billigwohnung in einem finanziellen Konstrukt aus Bafög, Kellnerjob, bisschen DJ-Kohle, bisschen vorzeitiges Oma-Erbe und gelegentlichem Praktikantengehalt leben. Damit kann man, das habe ich selber ausprobiert, fünf bis zehn Jahre auskommen und fühlt sich dabei sogar eher wie die Mittelschicht als wie das bettelarm, was man eigentlich ist. Da ziehen beide am gleichen kleinen Strang und sind glücklich wie Strolchi, auch wenn es durchs Dach tropft, weil das wird dann unter Romantik abgelegt.

Aber am Ende einer solchen Episode ist man nicht nur älter und ein klein bisschen anspruchsvoller, irgendwie haben sich auch Fixkosten und Verpflichtungen eingeschlichen. Wenn es dann mit tatsächlicher Familie, größerem Wohnraum und interessanten Versicherungen losgeht, kommt es schnell zu einem unübersichtlichen Minus-Haufen, von dem leider nur eines ganz sicher ist: Er wird am Ende des Monats abgebucht. Diese Fixkosten sind es, die mir schon bisweilen Angst machen, das gebe ich gerne zu. Schaffen ich und meine kreative Selbstständigkeit das in einem halbe Jahr noch? Also Miete, Handy, Internet, Haftpflicht, GEZ, Riester, Berufsunfähigkeit, Fahrkarte etc plus X, das auch jeden Monat mehr wird? Ich weiß es nicht. Aber diese Dinge würden mir auch ohne Anhang zu schaffen machen. Die Panik, die sie mir in manchen Nächten bereiten, rührt nie daher, dass ich denke, meine Freundin würde zu viel essen oder zu wenig arbeiten. Nein, ich mag da evolutionär noch übel was verschleppen, aber ich laste die Verantwortung für all diese Dinge schon in erster Linie mir an und überlege, wie ich sie meistern könnte. Weil ich auch als Single ungern obdachlos werden würde, dürften sich diese Überlegungen in ihrer Dringlichkeit doch ungefähr mit denen decken, die ich auch als junger Familienvater hätte. Es tut gut, in solchen Nächten das Licht anzumachen und jemanden zu haben, mit dem man die Dinge durchgeht und plant und gemeinsam ausdenkt, wie man es meistern wird, was man bis dahin ja noch immer geschaft hat: Leben.
  Die Idee, meine Freundin zu bitten, sich einen lukrativeren Job zu suchen, damit ich meinen evtl. verlieren kann, hatte ich dabei jedenfalls noch nie. Aber es gibt schon einen Unterschied zu meinen Großeltern. Zum einen liegt er in meinem Wunsch, dass es zumindest jederzeit denkbar wäre, dass in einer Beziehung einer für eine Zeit das Auskommen gleichstark des anderen mit trägt. Beispiel: Meine Freundin macht noch einen Aufbaustudiengang und danach Praktika, während ich schon was verdiene – ganz klar, dass ich in dieser Lebensphase mehr bezahle und mehr für uns investiere, meinetwegen auch alles. Wenn ich aber in fünf Jahren einen Burn Out oder das Verlangen nach einem Sabbatical habe, würde ich mir wünschen, dass sie dann selbstverständlich für eine Zeit auf den Vordersitz springt. Es müssen nicht immer Kinder der Grund sein - ich finde, jeder in der Lebensgemeinschaft soll das gleiche Recht haben, auch mal nicht zu arbeiten, wenn er es will.
Das andere ist natürlich eine Phrase, aber mit wahrem Kern – ich will gerne für fließend Wasser und Licht in der Höhle sorgen, aber ich will nicht der Don-Draper-Dad werden, der seine Kinder am Sonntag mal auf die Schulter nimmt, aber sonst der fremde Mann mit verrauchten Mantel bleibt, der abends spät kommt und morgens früh weg ist. Diese Gefahr besteht, wenn wir uns allzu leichtfertig wieder in die Rolle des Alleinversorgers stürzen. Wir reden uns dann ein, dass wir schließlich unseren Teil der Familienarbeit leisten, indem wir zehn Stunden am Tag auf den Computer eintippen. Aber Kind und Vater haben zwischenmenschlich nicht viel von dieser Aufopferung. Deswegen finde ich es auf eine Art auch ziemlich egoistisch, wenn Frau von vornherein bestimmt, dass sie gern beim Kind bleiben will, während der Mann die Säcke schleppt. Egoistisch, weil wir damit zwar zum Ernährer erster Klasse geadelt, aber zum Elternteil zweiter Klasse abgestempelt werden. 
fabian-fuchs

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