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Jungs, fühlt ihr euch manchmal von uns ausgenutzt?

Foto: kallejipp / photocase.de; Bearbeitung: jetzt

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Liebe Jungs,

die folgende Frage mag sich ein wenig altmodisch anhören, aber ich glaube, sie hat in einigen Bereichen des Zwischenmenschlichen durchaus noch Aktualität: Fühlt ihr euch manchmal von den Frauen in eurem Leben ausgenutzt?

Ich habe eine Freundin, die ausgesprochen attraktiv und sich dessen auch bewusst ist. Diese Freundin hat geradezu eine Wissenschaft daraus gemacht, so wenig Geld und Einsatz zu erbringen wie möglich - schließlich gibt es immer genug Typen, die bereit sind, ihre Drinks zu zahlen und den Umzug für sie zu organisieren. Ihre Rechtfertigung für dieses Verhalten ist streng marktwirtschaftlich: sie sei nunmal im Besitz eines sehr gefragten und seltenen Angebots, ihres guten Aussehens, für das es eine hohe Nachfrage gebe. Also sei sie es dem Markt geradezu schuldig, den Preis nach oben treiben.

Wie man sich vermutlich vorstellen kann, habe ich schon sehr viele Abende mit dieser Freundin gestritten. Ich finde dieses Verhalten den Männer gegenüber ziemlich gemein. Meine Freundin nutzt diese Typen ohne einen Anflug von Skrupeln aus. Andererseits verstehe ich auch ihre Argumentation: niemand zwingt diese Typen dazu, ihr Drinks auszugeben oder ihr hinterher zu glotzen, bis ihnen die Augen aus dem Kopf kullern. Meine Freundin gaukelt keinem dieser Männer Gefühle vor, sie fordert einfach Dinge, Dienstleistungen oder Drinks ein - und bekommt sie auch.

Und wenn die Typen so doof sind, sich von ihrem Äußeren blenden zu lassen, ohne einen Millimeter unter die Oberfläche zu schauen, dann haben sie es vielleicht auch nicht anders verdient, als dafür bestraft zu werden.

Mich würde in diesem Fall sehr eure Perspektive interessieren. Nicht immer sind die Situationen so eindeutig wie bei meiner Freundin, aber ich könnte mir vorstellen, dass ihr euch schon manchmal ausgenutzt gefühlt habt. Oder habt ihr auf Situationen wie diese eine ganz andere Sicht? Rechnet ihr so etwas mit ein - ähnlich wie Investoren, die gewisse Verluste schon in die Kalkulation einplanen? Erzählt mal eure marktwirtschaftlichen Betrachtungen!

Eure Mädchen

Die Jungsantwort:

Jungs

Illustration: Dirk Schmidt

Liebe Mädchen,

Erst mal will ich euch danken, dass ihr euch so um uns sorgt und so lieb nachfragt, ob wir uns ausgenutzt fühlen. Gleichzeitig will ich euch aber auch verfluchen für diese Frage. Denn ich finde die Antwort ziemlich schwer. Sie ist eine Gewissens-Zwickmühle. Denn eigentlich können wir Jungs das Verhalten deiner Freundin natürlich nicht gutfinden. Sie verarscht andere Menschen, sie nutzt sie aus. Aber können wir es verurteilen? Wir, als Angehörige des Geschlechts, das mit seinem Verhalten jahrhundertelang dazu beigetragen hat, dass Frauen nach ihrem Äußeren beurteilt und unterdrückt werden? Wäre es da nicht mindestens seltsam, wenn wir jetzt beleidigt und wimmernd deine Freundin anklagen, weil sie uns ausnutzt? Haben wir es nicht vielleicht sogar verdient, dass sie uns derartig verarscht?

Wahrscheinlich heißt die Antwort wie so oft: Kommt drauf an.

Nehmen wir mal einen Typen, wie man ihn vor allem in Clubs trifft, in denen man VIP-Bereiche cool findet und wo Frauen dienstags nur die Hälfte Eintritt zahlen, oder an Orten wie dem Käfer-Zelt auf der Wiesn - überall da also, wo die Kombination „geldiger Mann plus jüngere, aufgebrezelte Tussi“ eine ganz normale ist. Dieser Typ würde deiner Freundin wahrscheinlich einen Drink oder gleich ‘ne ganze Pulle ausgeben. Und wenn das nichts bringt, fände er das wahrscheinlich nicht weiter schlimm. Denn er weiß: Irgendwann wird es wieder klappen. Vielleicht nicht bei deiner Freundin, vielleicht auch nicht bei der nächsten, bei der er es versucht, aber irgendwann dann doch. Für ihn ist dieses Verhalten eben die von dir beschriebene Investition: Man setzt was ein und entweder gewinnt man oder halt nicht. Das Prinzip kennt er vorher, damit kann er relativ cool kalkulieren. Ausgenutzt fühlt sich der eher nicht. Wenn deine Freundin ihn ausquetschen würde, hätte niemand etwas verloren. Aber es hätte auch keiner was gewonnen. Denn er wird sein Verhalten und sein Frauenbild wahrscheinlich auch nicht ändern, solange er hin und wieder damit Erfolg hat. So gesehen bräuchte es vielleicht viel mehr Frauen wie deine Freundin: Wenn auf blöde „Na Baby, darf ich dir einen Drink ausgeben“-Anmachen alle mit einem „Ja klar“ antworten und den Typen dann eiskalt stehen lassen, würde dieser Anmachspruch vielleicht irgendwann aussterben.

Natürlich sind aber bei Weitem nicht alle Jungs und Männer so kalkuliert. Viele würden Frauen wie deiner Freundin wahrscheinlich in die Falle tappen und enttäuscht sein, weil sie gar nicht so streng in solchen Geben-und-Nehmen-Kategorien denken, sondern die Situation anders interpretieren. Die Frage, ob man beim Umzug hilft, setzt ja zum Beispiel eine gewisse Nähe voraus. Niemand bittet entfernte Bekannte, an einem Samstag stundenlang Bücherkisten in den dritten Stock zu schleppen. In den Kreis der Umzugshelfer aufgenommen zu werden, kann man also als ein Signal werten, dass die Umziehende findet, man stehe sich nahe. Was einem dann schmeichelt und einen dazu bringt, einzuwilligen. Wenn man danach nie wieder was von der Frau hört, wird man sich verarscht vorkommen und sich ausgenutzt fühlen. Und ich glaube, auch ein bisschen zurecht. Denn zumindest in diesem Umzugsbeispiel nehme ich deiner Freundin nicht ab, dass da gar keine Zuneigungsgaukelei stattgefunden hat. Und sehr wahrscheinlich ging die Initiative - und damit das Ausnutzen - von ihr aus.

Vielleicht kann man nach diesen beiden Beispielen jetzt zusammenfassend sagen: Grundsätzlich ist beides nicht gut: Weder, wenn Typen glauben, sie könnten Frauen kaufen, noch, wenn ihr uns vorgaukelt, dass was gehen würde, um damit irgendwas aus uns rauszupressen. Wenn ihr aber das dämliche Verhalten eines dieser Baby-noch-ein-Drink-Typen ausnutzt, habt ihr unseren Segen. Ist wie bei Robin Hood: Ihr tut etwas eigentlich Unmoralisches, das aber dadurch gerecht wird, dass der Geschädigte selbst unmoralisch handelte.

Also, lasst euch den Drink schmecken,

Eure Dr.-Dr.-Rainer-Erlinger-Jungs

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