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Mächtige Online: Die Datenbank "Keine Lobbyisten in Ministerien"

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Einige der Lobbyisten im Bundeswirtschaftsministerium Der Empfang auf der Seite: Sachlich und übersichtlich mutet die Startseite an, die im Stil eines Wikis gehalten ist. Zwar kann hier nicht jeder mitschreiben, aber die Macher von „Keine Lobbyisten in Ministerien“ wollen die Datenbank „laufend ergänzen und erweitern, wenn es neue Informationen gibt“, erklärt Ulrich Müller, geschäftsführender Vorstand der Initiative Lobby Control, gegenüber jetzt.de. Links führt einen die Navigation in die tieferen Ebenen der Datenbank, doch schon auf der Startseite wird klar, worum es hier geht: „Das Fernsehmagazin Monitor deckte im Oktober 2006 auf, dass in Bundes- und Landesministerien in großem Umfang MitarbeiterInnen von Unternehmen und Unternehmensverbänden arbeiten und in der Regel von diesen weiter bezahlt werden.“ In diesen Ministerien, so der Vorwurf, stricken diese Mitarbeiter an Gesetzen mit, die eigentlich ihre Firmen regulieren sollen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Das erfahren wir: „In den Bundesministerien und im Bundeskanzleramt sind insgesamt 100 externe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig gewesen“, heißt es in einem Statement der Bundesregierung. Bezahlt von ihren Unternehmen. Aufgrund der Monitor-Berichterstattung hat es Anfragen der Oppositionsparteien an die Regierung gegeben. Ein Teil der Fälle basiert auf dem Personalaustauschprogramm „Seitenwechsel“, das seit zwei Jahren Beamte in die Wirtschaft und Mitarbeiter aus der Wirtschaft in die Verwaltung bringen soll. Ziel: Erfahrungsaustausch und Wissenstransfers. Die Regierung betont aber, dass die Mitarbeiter „keine Aufgaben zur selbstständigen Erledigung“ zugewiesen bekämen, sondern mit ihrem Fachwissen nur die laufende Referatstätigkeit unterstützt hätten. Eine politische Einflussnahme sei ausgeschlossen. Zudem seien die Personen zur Verschwiegenheit verpflichtet worden. Im November 2006 musste das Gesundheitsministerium jedoch einen Mitarbeiter der DAK entlassen, der Papiere an seine Krankenkasse weitergereicht hatte. Aus einem Monitor-Bericht geht hervor, dass auch ein DaimlerChrysler-Mitarbeiter im Verkehrsministerium Informationen an seinen Arbeitgeber weitergegeben hat. Zudem wurde bekannt, dass ein AOK-Bundesvorstand sogar Referatsleiter im Gesundheitsministerium war. Inzwischen überprüft der Bundesrechnungshof die Ministerien, weil er ihre Neutralität durch die Beschäftigung der Lobbyisten gefährdet sieht. Das soll beim Leser hängen bleiben: „Das Ausmaß, in dem Externe in den Ministerien mitarbeiten, erzeugt Machtungleichgewichte und begünstigt bestimmte Interessen. Unter demokratischen Gesichtspunkten ist das nicht vertretbar“, erklärt Ulrich Müller den Ansatz von Lobby Control. Damit sich die Bürger schnell einen Überblick über das Ausmaß dieser Mitarbeit verschaffen können, hat die Initiative alle bisher bekannten Informationen nach Ministerien, Firmen und Bundesbeamten hin aufgeschlüsselt und zugänglich gemacht. Siemens hat es zum Beispiel ins Auswärtige Amt geschafft, die Kreditanstalt für Wiederaufbau ins Kanzleramt, ein Mitarbeiter der Fraport AG, die den Flughafen in Frankfurt/Main betreibt, wirkte im Verkehrsministerium bei Bestimmungen zum Nachtflugverbot und Lärmschutz mit.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Weil seit den Anfragen der Oppositionsparteien nichts geschehen ist, will „Keine Lobbyisten in Ministerien“ aber nicht nur informieren, sondern auch eine Kampagnenseite sein. „Die Regierung", so Ulrich Müller, "soll offen legen, wer wo zu welchen Themen mitgearbeitet hat und wer davon profitierte. Da sind die Angaben völlig unzureichend und unkonkret.“ In vielen Fällen heißt es denn auch in der Datenbank in Bezug auf Zeitraum, Mitarbeiter und bearbeitetes Thema bisher: unbekannt. „Natürlich muss die Regierung im Austausch mit gesellschaftlichen Interessen stehen, aber nicht auf diese Weise und nicht so einseitig.“ Denn auffallend ist laut Ulrich Müller: "Bis auf zwei Fälle, an denen Gewerkschaften beteiligt waren, handelt es sich ausschließlich um Mitarbeiter von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden." Verbraucherorganisationen tauchen bei diesem Erfahrunsaustausch nicht auf. „Das ist kein fairer politischer Wettbewerb mehr, denn es schafft für diese Unternehmen einen privilegierten Zugang zu Politik, während die Bürger und andere Interessenvertreter in die Röhre schauen.“ Lobby Control fordert deshalb, dass externer Sachverstand durch andere, demokratischere Austauschformen eingeholt werden sollte - zum Beispiel über Anhörungen oder Gutachten. Für wen ist die Seite gedacht? Lobby Control sagt: „Für die breite Öffentlichkeit“, die über diesen Misstand informiert werden soll. Wahrscheinlich wird die Seite aber nur die politisch sehr Interessierten erreichen. Bestes Feature: Der Menüpunkt Quellen, unter dem man alle Monitor-Beiträge sowie andere Medienberichte und die Satements der Regierung auf die Anfragen des Bundestags lesen kann. Sehenswertester Beitrag: Die Liste, die erscheint, wenn man auf den Punkt Fälle nach Firmen klickt: Sie ist sehr lang, und alle Großen sind dabei. Interessantes Detail: Wenn man auf Fälle Bundesbeamte klickt, sieht man, dass der Mitarbeiteraustausch in die andere Richtung eher schleppend läuft: Gerade mal sechs Beamte schnuppern in Unternehmen und Verbänden rein. Fotos: keine-lobbyisten-in-ministerien.de

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