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Liebespaare: Falk, Katja und die Sache mit dem Exfreund

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Katja, Bautzen und Cottbus, studiert Betriebswirtschaft in einer Berufsakademie, und arbeitet bei einer Bank "Schöner Mund", habe ich auf den Bewertungszettel geschrieben. "Große Zähne, tolles Lächeln." Falk und ich saßen im Hotelseminarraum, Stift in der Hand und Blicke aneinander geheftet, und mussten uns kennenlernen. Die Aufgabe: Einander anschauen und den ersten Eindruck aufschreiben. Unser Arbeitsgeber, eine große Bank, hatte die neuen Mitarbeiter zu einem gemeinsamen Ausflug verpflichtet. Also verbrachten wir ein Wochenende in einer kleinen Pension in Brandenburg und kamen uns in Gruppen- und Partnerarbeit näher. Falk und ich waren so ein Partnerpaar, aber nur für das Seminar. Zu Hause wartete mein Freund Erik auf mich. Unsere Beziehung hatte schon längst ihren Zenit überschritten, ein Ende war aber noch nicht ansatzweise in Sicht. Erik war einfach zu träge, um Schluss zu machen. Warum auch? Meine Anwesenheit in seinem Leben hat ihn, naja, zumindest nicht gestört. Sein Einser Golf Cabrio stand ganz weit oben auf seiner Prioritätenliste, dann kamen die Kumpels und dann, sehr viel später, ich. Erik tat mir nicht gut. Das wussten alle, mich eingeschlossen. Trotzdem hatte ich nicht den Mumm, ihn zu verlassen. Zum Teil, weil ich mich vor der emotionalen Haltlosigkeit fürchtete, zum Teil aber auch, weil Schlussmachen für mich Versagen bedeutet hätte. So, als würde ich durch die Fahrprüfung fallen oder die Schule abrechen. Unsere gesamte Beziehung fühlte sich an wie eine Prüfung – an guten Tagen wie ein bestandenes Abitur, an schlechten wie ein Sechs-Setzen. Mit Falk war es anders. Seine Zuneigung war nicht an Leistung gekoppelt, sie war bedingungslos - und echt. In den wenigen stummen Minuten, in denen wir uns im stickigen Seminarraum gegenüber saßen, hat er das gemeistert, was Erik in einem Jahr Beziehung nicht hingekriegt hat: Mir zu zeigen, dass er mich richtig, richtig toll findet. Bei ihm fühlte ich mich wohl und aufgehoben. Wir gingen spazieren, hingen nächtelang am Telefon, oder schickten uns tagefüllende Playlists. Eigentlich hätten Falk und ich einfach unsere Festplatten tauschen können, so ähnlich war unser Geschmack. Ich habe mich noch nie so verstanden gefühlt - und so akzeptiert. Falk war in mich verliebt, das merkte ich. Trotzdem hat er mich nicht gedrängt, meinen Freund zu verlassen. Das hat mir unheimlich imponiert. Die Erkenntnis, dass ich nicht mehr mit Erik zusammen sein will, kam hoch wie Kotze – ganz plötzlich und unaufhaltsam. Ich habe ihn sofort angerufen und angekündigt, dass ich in ein paar Minuten zu ihm kommen würde. Erik hat’s gleich kapiert: "Was’n, hast kein Bock mehr?", hat er in den Hörer geschmettert und aufgelegt. Später hat er sogar geweint, aber da war es zu spät. Ich hatte tatsächlich keinen Bock mehr. Erik ist mir noch wochenlang hinterher gelaufen, aber ich glaube nicht, dass die Sehnsucht ihn dazu trieb, eher sein blutendes Ego. Oder der Machtverlust. Es ist ja immer so: Derjenige, dem die Beziehung weniger bedeutet, hat die Kontrolle. Ich glaube, es hat ihn wirklich getroffen, dass ich den Spieß umgedreht habe. Viele sagen, Beziehungen, die sofort auf Beziehungen folgen, gehen nicht gut. Manche werfen mir auch vor, unselbstständig zu sein. Vielleicht ist das auch wirklich eine Charaktereigenschaft von mir. In Liebesdingen bin ich wie ein Äffchen, das sich von Ast zu Ast entlang hangelt. Nur wenige Tage nach Erik bin ich mit Falk zusammen gekommen. Ich habe ihn abends zu Hause besucht und eigentlich war alles klar. Ich war in Falk verliebt, er in mich. Wir haben zwar noch den Fernseher angemacht, alibimäßig. Aber schon vor der ersten Werbepause dann habe ich ihn endlich geküsst, diesen schönen Mund mit dem tollen Lächeln. Auf der nächsten Seite erzählt Falk von der Liebe und einer sehr unangenehmen Begegnung mit dem Exfreund Erik


Falk, Bautzen und Cottbus, studiert Betriebswirtschaft in einer Berufsakademie und arbeitet bei einer Bank "Schöne Augen", habe ich geschrieben. Banal, ich weiß. Aber Katjas waren wirklich etwas Besonderes: riesengroß und von einem Grünton, für das Jungs kein Wort kennen. In diesen Augen hat sich der gesamte Seminarraum gespiegelt, samt mir, wie ich leicht bedeppert in dieses Grün starrte. Ich fürchte, ich habe nicht viel von unserem Gespräch mitgekriegt, so gebannt war ich. Man kann fast sagen: Ich hing ihr an den Wimpern. Davon hatte sie ganz viele und auch die waren besonders - ganz flauschig und irgendwie senkrechter als alle andere, die ich bisher gesehen hab. Die Besitzerin der tollen Augen und Wimpern hatte leider einen Freund. Das wusste ich, ich hatte sie vor dem Seminar gefacebookt. Sie hat das auch nicht verheimlicht, dass sie vergeben war. Sobald ich das Gespräch ins Neckische lenkte hat sie pflichtbewusst mit den "Mein Freund…"–Sätzen angefangen. Den Fakt an sich fand ich natürlich nicht gut, ihre Ehrlichkeit dagegen sehr sympathisch: Endlich ein Mädchen, das voll und ganz zu ihrem Freund steht – auch in knistrigen Situationen. So eine hätte ich auch gern gehabt. Zu dem Zeitpunkt war ich schon so lange ohne feste Freundin, dass die Sehnsucht nach einer verstummt war. Ich war ganz ausschweifend Single: viel unterwegs, viel getrunken, nichts vermisst. Nur manchmal hätte ich gern jemanden gehabt, mit ich auch reden und nicht nur grölen oder bierselig schweigen kann. Vielleicht war es der Grund, warum ich mit Katja auch nach dem Seminar im Kontakt blieb. Es war, als könnte ich bei ihr all die ungesagten Worte loswerden, die sich in letzten Jahren angestaut hatten. Je mehr wir sprachen, desto mehr merkte ich, wie unglücklich Katja in ihrer Beziehung war. Manchmal lag eine so tiefe Traurigkeit in ihren Worten, dass ich am liebsten ihren Freund geschüttelt hätte, oder sie. Aber was hätte es schon gebracht? Es scheint ein höheres Gesetz zu sein, dass besonders tolle Mädchen an Kerlen hängen, die sie besonders mies behandeln. Ist es vielleicht eine Art Märtyrerprüfung, um sich für diese Kategorie zu qualifizieren? Auf jeden Fall musste Katja die Entscheidung selbstständig treffen – und ich damit leben, egal wie sie ausfallen würde. Schließlich war diese irrationale Loyalität ein Teil ihrer Person, sie gehörte zum Gesamtpaket Katja dazu. Also harrte ich aus und hoffte. Als sie anrief, ganz verheult, und erzählte, dass sie sie Schluss gemacht hatte, ist mir trotzdem ein Stein vom Herzen gefallen. So langsam hatte mich die Situation mehr aufgeregt als sie. Manchmal hätte ich ihr am liebsten geschrieben: Mädchen, mach was du willst, aber mach! Gottseidank hat sie das Richtige getan. Ihren Exfreund habe ich übrigens noch kennen gelernt, wenn auch unfreiwillig. Ich wartete an einer Ampelkreuzung, als ein Kerl aus seinem Golf ausstieg, meine Tür aufriss und anordnete, zum nächsten Parkplatz zu fahren - er müsse mit mir reden. Dort hat er eine fürchterliche Show abgezogen: gedroht, Vorwürfe gemacht. Es war nur lächerlich und gleichzeitig habe ich ihn ein bisschen verstanden. Wenn etwas so Tolles wie Katja aus meinem Leben verschwinden würde, wäre ich vermutlich genauso ausgetickt.

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