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Liebespaare: Doro und Björn und die Erasmus-Liebe

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Doro, 22, erzählt Erasmus, Ryanair, Skype – das ist der Stoff, aus dem moderne Liebesgeschichten gemacht sind. Jeder weiß, dass sie nicht gut gehen können. Und dass es meistens die Aufregung eines Auslandsemesters ist, die mit Verliebtheit verwechselt wird. Freunde schieben einem nur zu gern Trennungsstatistiken zu, die das belegen. Die meisten Erasmuspärchen bestätigen nach ein paar Monaten tatsächlich die empirischer Evidenz ihrer Unmöglichkeit. Natürlich glaubt jeder Verliebte trotzdem, die Ausnahme zu sein. Und das ist gut so, sonst hätte unsere Generation gar keine Liebesmärchen mehr. Meine Theorie: Liebe braucht Drama. Wo früher verfehdete Klans die Liebe unmöglich machten, oder gesellschaftlich Klüfte, muss heute eine schicksalhafte Entfernung her.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ich traf Björn zwei Wochen bevor mein Auslandssemester in Schweden zu Ende ging. Es war die Party einer Freundin einer Freundin meiner Freundin Marina. Vielleicht waren da auch eine paar Kettenglieder mehr dazwischen. Auf jeden Fall kannten wir dort niemanden, tanzten ein bisschen und setzten uns dann hin, um uns Menschen anzugucken. Der Junge auf dem schmuddeligen Sofa neben uns war erfrischend uneitel, nicht so verstylt wie die meisten Schweden. Er hatte nicht einmal die Röhrenjeans-Uniform an. In dem Moment, als ich das Marina erzählte, und sie den Hans verrenkte, um ihn möglichst unauffällig anzugucken, stand er auf und setzte sich zu uns. Ich war baff. So anstrengungsfrei war Flirten noch nie. Ein paar Stunden später zogen wir zu dritt zu einer Erasmusparty weiter. Dort lief Björn in einen kanadischen Couchsurfer rein, der bei ihm ein paar Nächte auf dem Sofa kampiert hatte. Der nervte ein bisschen, arrangierte aber ein Vierertreffen für den nächsten Tag. Björn selbst machte keine Annäherungsversuche. Vielleicht deshalb, weil ich ihm erzählte, dass ich in wenigen Tagen nach Deutschland zurückflog. Ein paar Tage nach dem Treffen suchte er mich aber bei Skype. Hätte ich damals gewusst, wie viel meiner Lebenszeit dieses Programm fressen wird, hatte ich zwei Mal überlegt, ob ich seine Freundschaftsanfrage annehme. Wir skypten seitdem fast jeden Abend. Getroffen haben wir uns aber erst eine Stunde vor meiner Abreise, weil ich damit beschäftigt war, der Stadt und den Menschen dort Tschüss zu sagen. Vor lauter Abschiednehmen kam ich auch nicht dazu, meinen Koffer zu packen. Eigentlich habe ich Björn zum Teetrinken eingeladen, aber am Ende hatten wir nur Zeit, meine Wäsche in den Koffer zu schmeißen, den Bus zu verpassen, zum Bahnhof zu rennen und uns zu umarmen, bevor er Zug zum Flughafen abfuhr. Das war gewissermaßen die Vorschau unserer Beziehung. Das wusste ich damals aber noch nicht. Was ich wusste, war nur, dass ich Björn vermisste. Und Schweden. Die Willkommensparty war nett gemeint, fühlt sich aber seltsam leer an. Komillitonen schienen langweilig, das alte Leben verstaubt. Heute weiß ich, dass das typische Post-Erasmus-Loch war. Damals fühlte es sich aber an wie eine echte Tragödie. Ich flog noch einmal nach Lund, um Prüfungen zu schreiben und mein Zimmer frei zu räumen. In dieser Woche küssten Björn und ich uns zum ersten Mal. Und dann wieder: Kofferpacken und -auspacken, Bahnhof, Flieger, Skype, noch mehr Skype. Ohne uns abzusprechen, reisten wir alle paar Wochen zwischen Heidelberg und Lund. Wir definierten unseren Beziehungsstatus nie. Vielleicht, weil wir sonst mit der Unmöglichkeit eines "Uns" konfrontiert gewesen wären. Solange wir aber nicht aussprachen, was wir fühlten, war es, als wäre die Fliegerei so was wie ein gemeinsames Hobby. Erst als Björn nach ein paar Monaten eine Beziehungseinladung auf Facebook schickte, gestand ich mir ein, dass wir längst ein Paar waren. Ich gab mein virtuelles Ja-Wort, Björn schmiss sein Informatikstudium und kann nach Heidelberg, geplant waren ein paar Wochen. Als drei Monate später sein Computertower aus Schweden nachkam und in meine WG einzog, wusste ich – es ist für immer. Oder zumindest für ganz, ganz lange. Wir wissen, dass wir ein modernes Märchen sind. Und dass der Part nach dem Happyend der schwierige ist. Aber es klappt. Auch ohne Ryanair. Ohne Skype. Und ohne Drama. Auf der nächsten Seite erzählt Björn von dem Beginn der Liebe


Björn, 27, erzählt Bei mir passiert alles Wichtige im Leben immer kurz vor knapp. Zum Beispiel Doro. Doro passierte auf einer mittelschlechten WG-Party, kurz bevor ich mich nach Hause schleichen konnte. Ich hatte den ganzen Abend über miese Laune und wartete eigentlich nur ab, bis die Zeiger eine Mindestuhrzeit erreichten, zur der ein erwachsener Mensch eine Party verlassen darf. Ich saß rum und gähnte, die Zeiger krochen. Um mich davon abzuhalten, alle zwei Minuten auf mein Handgelenk zu starren, lauschte ich fremden Gesprächen. Zwei Hübsche unterhielten sich in meiner Hörweite und ich glaubte, ein paar Fetzen Deutsch aufgeschnappt zu haben. Erasmus, klarer Fall. Das macht vieles einfacher. Man braucht zu Beispiel keine kreativen Konversationseinstiege. Mit einem banalem „Wo kommst ihr her?“ ist man im Gespräch und macht, falls es stockt, mit kulturellen Unterschieden weiter. Die Deutschen kann man notfalls fragen, ob sie jodeln können. Der Auftakt klappte, das Gespräch lief gut, wir haben nicht einmal über Weißwürste und Bier reden müssen. Die Mädchen wollten mich sogar auf eine Erasmusparty mitnehmen. Ich zögerte erst, weil ich dort niemanden kannte, kam aber doch mit, weil Doro versprach, sich um mich zu kümmern. Ich weiß nicht, ob es ihr deutsches Pflichtgefühl war, oder ob sie mich tatsächlich mochte, aber an diesem Abend haben wir uns die Hälse trocken geredet. Bis der kanadische Schönling auftauchte. Er drängte sich sofort in den Vordergrund, baggerte, lächelte sein bezahntes Lächeln. So etwas kann ich nicht. Bei mir gibt es keinen Flirtmodus. Ich bin immer ich, manchmal ist das gut, manchmal nicht so. Der Abend war gelaufen, da war ich mir sicher. Es sind immer die smarten Kanadier, die die richtig tollen Mädchen kriegen. Ein paar Tage später wagte ich trotzdem einen Versuch und schrieb Doro bei Skype an. Da war ich wohl schon in sie verknallt. Ich wusste zwar, dass sie in ein paar Tagen zurück nach Deutschland muss. Aber darüber habe ich mir nicht viel Gedanken gemacht. Kurz vor Knapp eben, ich war das gewöhnt. Als sie mich an ihrem letzten Tag zum Tee einlud, machte ich mir viel mehr Gedanken um die Getränke, als um den Abschied. Beim Tee muss ich immer an Heuwasser denken und manchmal spucken. Ich habe mich aber nicht getraut, es Doro zu sagen. Tee gab es am Ende übrigens nicht, dafür einen richtig schweren Koffer, den ich zum Bahnhof schleppen musste. Ich habe mich den ganzen Weg über gefragt, ob sie sich nur deshalb mit mir verabredete. Aber dann habe ich eine richtig gute, lange Umarmung bekommen. So eine, die sich nicht nach Machs-Gut anfühlt, sonder auch ein bisschen nach Ich-Werde-Dich-Vermissen. Und in der Tat: Unsere Skypegespräche wurden immer wärmer, manchmal blieb ich bis in die Morgenstunden wach, um Doro’s verpixeltem Gesicht Gute Nacht zu sagen, wenn sie von einer Party nach Hause kam. Als sie zum zweiten Mal nach Lund kam, hat sie bei mir geschlafen. Danach ging die Fliegerei los. Wenn man gute Tickets erwischte, kostete der Weg 120 Euro. Das schlug nach einer Weile ziemlich auf den Geldbeutel. Aber anderseits: Wann gibt es schon Glück für nur 120 Euro? In der Zwischenzeit beschloss ich, mein Studium abzubrechen. Ich habe mich bisher ganz gut um Mathe drücken können, im fünften Semester ging das nicht mehr. Ich hatte keine Lust auf Mathe, dafür ganz viel Lust auf Doro. Also ging ich so lange arbeiten, bis ich genug Geld für ein halbes Jahr Nichtstun in Deutschland zusammen hatte und zog dann nach Heidelberg. Wenn man jetzt darüber nachdenkt, war das ziemlich riskant. Aber zum Glück überlege ich nicht so viel. Ich probiere einfach.

Text: wlada-kolosowa - Illustration: Katharina König

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