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Ein Blick in die Kiste mit alten Liebesbriefen

Illustration: Lucia Götz

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"Wenn ich sie öffne, dann quillt mir alles entgegen. Eigentlich ist sie zu klein und besonders hübsch ist sie auch nicht. Sie wurde nicht für diesen Zweck gekauft. Vielmehr gab es einfach überraschend etwas, das es aufzubewahren galt, das Bedeutung hatte, das ich nicht irgendwo in der Unordnung meines Jugendzimmers verlieren wollte. Und die Box war eben da. Schwarz-weißes Kreismuster, halb so groß wie ein Schuhkarton und keinen Cent schöner, als sie in irgendeinem 1-Euro-Shop gekostet hat. Weder sie noch ich hätten wohl damals gedacht, dass sie heute das vielleicht wertvollste sein wird, das ich besitze..." 

Unser Redakteur Patrick macht den Anfang und zeigt uns seine Zeitbox.

Es gibt keinen allgemeingültigen Namen für sie. Manche nennen sie Liebesboxen, andere einfach „alter Kram“, manche haben Briefschachteln oder „Hier beliebigen Namen von Ex-FreundIn einsetzen“-Kartons. Wir nennen sie jetzt mal: Zeitboxen. Schachteln, Truhen, bei uns nicht selten Schuhkartons von Marken, die in den 90ern oder 2000ern angesagt waren. In manchen findet sich eine sorgfältig kuratierte Auswahl von Liebesbriefen, in anderen eine vollständige Sammlung jedes Zettelchens, das seit der ersten Klasse mit Freunden, Liebenden oder auch mal Feinden ausgetauscht wurde, inklusive aller erhaltenen Geschenke und jeglicher Kinokarten, Festivalbändchen und Bustickets, die jemals erworben wurden.

Es gibt Menschen, die haben eine Zeitbox für jeden Lebensabschnitt, für jede (Ex-)Beziehung und jeden Urlaub. Fein säuberlich beschriftet. Sie können gezielte Zeitreisen machen, chronologisch ihre Vergangenheit besuchen, Erinnerung bewusst ansteuern oder umfahren. Für andere ist das Öffnen der Zeitbox eher ein Griff in eine emotionale Forrest-Gump-Pralinenschatel – man weiß nie was man bekommt: In einer Sekunde verfallen sie noch einmal ihrer ersten Jugendliebe mit einem selbstgeschrieben Songtext, in der nächsten Lachen sie Tränen über ein Briefchen, das der beste Freund ihnen in der sechsten Klasse zugeschoben hat und plötzlich stecken sie vielleicht mit einem ungeöffneten Briefumschlag mitten im Schmerz der letzten Trennung, die sie immer noch nicht verwunden haben.  

Der Griff in ihre Zeitbox kann für die Besitzer schmerzvoll sein, aber fast noch schmerzvoller ist es, jemanden sagen zu hören: „Als Schluss war, hab ich alles von ihm verbrannt“ oder „Das alte Zeug von ihr, das haben ich irgendwann weggeworfen“. Wahrscheinlich werden diese Menschen es nicht mal bereuen, sie werden es nicht vermissen, sondern einfach vergessen. Aber es entgeht ihnen etwas. Etwas Großes. Denn es erinnert uns wohl nichts mehr daran, wer wir sind und wer wir waren als unsere Zeitboxen.

Der Inhalt ist persönlicher und intimer als jedes Tagesbuch. Die Einträge dort sind subjektiv, von uns gefiltert. Wir schreiben uns in unseren Geschichten die Rollen zu, in denen wir uns gerne sehen. Die Zeitbox aber verrät auch, wie andere uns sehen und erinnert uns aus ihrer Sicht an Dinge, die wir vielleicht gerne sogar vergessen hätten: Wem wir weh getan haben, wer unsere Liebe nicht erwidert hat und was wir verloren haben. Es geht um die Rolle, die wir für andere gespielt haben, die Bedeutung oder die Unbedeutendheit, die wir für sie hatten. Die Zeitboxen zeigen uns, dass unsere Geschichte nur die Sammlung einzelner mal langer, mal kurzer Episoden aus den Geschichten vieler anderer Menschen ist. Und das macht das Stöbern in ihnen so schmerzvoll, so lehrreich aber auch so schön – und nicht selten ist’s einfach zum Heulen lustig. 

Ein Blick in eure Zeitbox

Wir wollen die Geschichten aus euren Zeitboxen sammeln. Passagen aus Liebesbriefen, Erinnerungen hinter selbstgebastelten Geschenken, das Foto vom schönsten Moment eures Lebens, die Liebesbriefe eurer Eltern, das Erbstück eurer Oma oder das Briefbuch (ihr erinnert euch...) mit der besten Freundin. Schreibt uns, schickt uns Fotos, Videos oder erzählt es uns direkt in einer Sprachaufnahme über Facebook, Whatsapp (0157 92364094) oder Mail (info@jetzt.de).

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