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Friendzone: Wo die Liebe nicht hinfällt
Grenzen können hart und klar sein. Aber sie können auch aufweichen und verschwimmen. Zum Beispiel die zwischen Freundschaft und Liebe oder zwischen platonischer und sexueller Beziehung. Erst will man mit dem anderen nur reden und ihn kumpelhaft in die Seite knuffen – und auf einmal will man statt reden doch lieber knutschen und wenn man knufft, kribbelt’s einen in der Hand und im Bauch. Blöd nur, wenn das dem anderen nicht genauso geht. Wenn der sich gut eingerichtet hat in der Freundschaft, die sich ja bisher bewährt hat. Dann ist man in der sogenannten „Friendzone“ gelandet. Und aus der führen nur zwei Wege hinaus: Entweder muss man die Freundschaft beenden, um Abstand zu gewinnen. Oder man muss dem anderen seine Gefühle gestehen, auf die Gefahr hin, dass er oder sie dann auf Abstand geht. Also vielleicht doch lieber einfach drinbleiben, in der Zone? Vier Geschichten aus dem verminten Gebiet der unerfüllten Liebe – und eine mit Happy End.
„Die Friendzone war meine Komfortzone“
In einer Episode der Sitcom „Friends“ sagt Joey zu Ross, dass es mit dessen Angebeteter Rachel nie klappen werde. Ross habe zu lange gewartet. Er sei nicht nur in der „Friendzone“, er sei sogar „the mayor of the zone“. So habe ich mich oft gefühlt. Bei mir gab es sogar vier Rachels. Die erste mit 15, die (bisher) letzte mit 30. Jedes Mal die gleiche Frage: Warum suchen sich meine Rachels immer diese grobschlächtigen Affen aus, die sie mies behandeln, und mit mir, dem sensiblen Typen, der sie vergöttert und „wirklich“ versteht, wollen sie nur reden? Besonders perfide sind die Komplimente: „Du bist so toll, ich verstehe überhaupt nicht, warum du keine Freundin hast“, sagte mir mal Rachel Nr. 2. Ja, danke auch. Mit der Zeit merkte ich, dass ich eine Mitschuld trug: Die Friendzone war meine Komfortzone geworden. Der gute Freund sein, das kannte ich, darin war ich gut. Übrigens auch darin, den Schmerz auszuhalten, wenn ein „richtiger“ Freund hinzukam. Meine Gefühle zu gestehen, davor hatte ich einfach Schiss. Und während sie froh darüber waren, mich als Kumpel zu haben, wollte ich mit ihnen ins Bett. Ich log sie an und mich selbst auch. Als Rachel Nr. 4 sagte, sie hätte jemand anders und ob wir nicht Freunde sein könnten, lehnte ich ab. „Freunde habe ich genug, von dir will ich mehr“, sagte ich. Ein Jahr lang sahen wir uns nicht, dann zufällig auf einer Party. Beim nächsten Treffen küssten wir uns. Und wäre das jetzt eine Sitcom, wären wir immer noch zusammen. Als wir uns trennten, rief ich Rachel Nr. 3 an. Sie kam sofort vorbei. Sie ist nämlich eine wirklich gute Freundin.
Von Constantin Wißmann
„Ich war gleichzeitig ihr bester Freund, Mitbewohner und in sie verliebt“
Ich weiß noch genau, wie Lina an dem Tag roch und was sie anhatte, als sie zum Vorstellungsgespräch in die WG kam. Ich wollte gleich, dass sie einzieht, aber sagte damals schon zu meinem besten Freund: „Ich weiß nicht, ob ich die nicht ein bisschen zu gut finde.“ Nach kurzer Zeit hatten wir ein sehr intensives freundschaftliches Verhältnis. Ziemlich bald lief auch etwas zwischen uns, aber sehr unverbindlich. Die ganze Zeit über hatte Lina auch eine Affäre mit einem Typen namens David. Für mich war das okay. Aber in einer Nacht – ich steckte gerade in der Endphase meiner Diplomarbeit und konnte sowieso ziemlich schlecht schlafen – kamen die beiden zusammen nach Hause und ich wurde wach. Ich konnte nicht mehr einschlafen und wälzte mich etwa fünf Stunden lang im Bett rum. Da habe ich gemerkt: Irgendwie scheint mir das nahe zu gehen. Ich habe Lina danach gebeten, David nicht mehr in unsere Wohnung mitzubringen. Ein Wochenende später wachte ich nachts von einer SMS auf: „Ich komme jetzt mit David nach Hause, ich hoffe das ist okay für dich.“ Danach war ich richtig sauer auf sie. Mir war klar: Das kann kein langfristiger Zustand sein. Ich war gleichzeitig ihr bester Freund, Mitbewohner und in sie verliebt. Aber als sie für einen Monat auszog und die Sache mit David dann überraschend beendete, wusste ich, dass sie auch sehr viel für mich empfindet. Mittlerweile wohnen wir wieder zusammen, aber zusammen sind wir trotzdem nicht. Sie sagt immer: „Ich will nicht mit dir zusammen sein, ich will dich aber auch nicht als Freund verlieren.“ Ich habe schon oft überlegt, auszuziehen, es dann aber doch nie durchgezogen. Einmal hat sie angefangen zu weinen und gesagt: „Ich will nicht, dass du ausziehst, ich will doch eigentlich ein Haus mit dir bauen!“ Da dachte ich: Vielleicht ist doch nicht alle Hoffnung verloren.
Noah (Protokoll von Janin Haase)
„Ich stand so sehr auf ihn, dass ich mich nicht traute, den ersten Schritt zu machen“
Die letzte Phase meiner Masterarbeit habe ich praktisch im Café gegenüber gelebt. Da gab es super Croissants, leckeren Kaffee und vor allem einen ziemlich attraktiven Barista. Ungefähr sechs Monate lang habe ich ihn über meine Bücher hinweg heimlich angehimmelt. Er war ein sehr charmanter Typ, mit vielen Frauen befreundet. Wir verstanden uns gut und mit der Zeit trafen wir uns öfter außerhalb des Cafés. Ich wusste die ganze Zeit nicht, woran ich bei ihm bin – flirtet er mit mir oder ist es einfach seine Art? Wir standen uns ziemlich nah, sprachen offen über vieles, sehr explizit über Sex und Beziehungen – aber nie wirklich über uns. Manchmal machte ich Witze darüber, warum wir nicht einfach mal im Bett landen. So richtig darauf reagiert hat er nicht. Es war eine bescheuerte Situation: Ich stand so sehr auf ihn, dass ich mich nicht traute, den ersten Schritt zu machen. Stattdessen klammerte ich mich an die Hoffnung, dass er plötzlich kapieren würde, dass ich seine Traumfrau bin und sich Hals über Kopf in mich verliebt. Nach vielen frustrierenden „Freundschaftsdates“, lief dann doch was zwischen uns. Ich dachte, ich wäre endlich raus aus der Friendzone. Stattdessen mied er mich tagelang und servierte mich schließlich ziemlich kalt ab – er habe nicht genug Gefühle für mich. Ich war so enttäuscht! Ich finde, wenn der Funke nicht überspringt, sollte man das auch klar und vor allem rechtzeitig sagen. Das hätte ich von ihm als Freund zumindest erwartet. Jetzt weiß ich, dass es keinen Sinn macht, jemandem hinterherzulaufen, den man erst von sich überzeugen muss. Wenn jemand nur halbherzig dabei ist, hat das meistens einen Grund: Es ist nicht der Richtige.
Emma (Protokoll von Sina Pousset)
„Ich würde niemals riskieren, sie anzuflirten“
Ich habe Selma in einer politischen Gruppe kennengelernt. Ich glaube, ich habe angefangen, sie gut zu finden, als wir einmal zusammensaßen und sie wieder derbe kluge Sachen gesagt hat und dabei unglaublich gut aussah. Was wirklich schwierig ist, ist gar nicht, dass sie sich nicht in mich verguckt hat, sondern dass sie so einen blöden Freund hat. Ich fand es schon ein bisschen hart, an meinem Geburtstag mit den beiden zusammen in unserem Garten zu sitzen – sie war so toll wie immer und er war so nervig. Da dachte ich schon: „Ey Mädel, überleg dir das noch mal!“ Ich bin mir ziemlich sicher, dass unser Verhältnis für sie total platonisch ist. Ich würde es deswegen auch niemals riskieren, sie anzuflirten. Ich will nicht, dass es komisch zwischen uns ist. Da freue ich mich lieber über die Schwärmerei. Ich habe auch nie mit ihr darüber geredet, ob sie auf Frauen steht. Aber so wie ich sie einschätze, würde sie das eher an meiner Person als an meinem Geschlecht festmachen. Es ist jetzt schon okay so, wie es ist, weil ich ja auch selbst in einer tollen Beziehung bin. Selma und meine Freundin verstehen sich super. Es ist gerade so schön, dass ich gar keine Lust habe, es durch irgendwelche komischen Geschichten zu zerstören. Aber manchmal hätte ich sie einfach gerne mehr bei mir. Mit ihr zusammen zu sein wäre bestimmt ganz schön cool. Aber auch ziemlich schwierig – man kann sich nämlich sicher sehr gut mit ihr streiten. Vielleicht ist es da einfacher, in sie verknallt zu sein.
Alicia (Protokoll von Janin Haase)
„Hätte ich damals nichts gesagt, wäre unsere Freundschaft wahrscheinlich einfach weitergelaufen – und das wäre sicher auch in Ordnung gewesen“
Wir waren schon fünf Jahre befreundet, als ich Elisa auf einem Konzert einfach gefragt habe: „Warum sind wir eigentlich nicht zusammen?“ Dabei war ich damals nur ein klein wenig in sie verknallt. Ich hatte eine Trennung hinter mir und dachte, dass es gerade nichts zu verlieren gab. Zu der Zeit war unsere Freundschaft besonders schön und vieles, was vorher ein Problem zwischen uns war, war irgendwie weg. Wir waren in den ersten Jahren mal mehr mal weniger eng befreundet, waren im Kino oder tanzen – und gingen am Ende des Abends mit jemand anders nach Hause. Das war in Ordnung. Für mich war klar, dass wir als Paar nicht funktionieren würden. Sie ist fünf Jahre jünger und steckte mitten im Studium, in der Ausprobierphase, wollte nichts Verbindliches. Ich war Berufseinsteiger und eher auf was Festes aus. Nach anderthalb Jahren habe ich mal versucht, sie zu küssen. Das hat sie aber zurückgewiesen. Ein paar Jahre später war sie dann in mich verknallt und hat zwei Wochen lang gegrübelt und gelitten. Erzählt hat sie mir aber nichts, wohl aus Angst, verletzt zu werden. Als ich Elisa dann gefragt habe, wieso wir eigentlich kein Paar sind, sagte sie: „Das wäre total praktisch, dann müssten wir uns nicht mehr mit den ganzen Idioten rumschlagen!“ Am selben Abend haben wir uns geküsst. Alles war neu und aufregend, anfangs auch ein bisschen holprig, aber von Tag zu Tag schöner. Jetzt sind wir seit knapp zwei Jahren zusammen und immer noch überrascht, wie romantisch es zwischen „Freunden“ sein kann. Hätte ich damals nichts gesagt, wäre unsere Freundschaft wahrscheinlich einfach weitergelaufen – und das wäre sicher auch in Ordnung gewesen. Wenn Leute sagen, sie wollen ihre Freundschaft nicht durch Liebe gefährden, möchte ich ihnen sagen: „Man kann eine Freundschaft nicht konservieren. Sie verändert sich sowieso mit der Zeit.“
Dieser Text wurde zum ersten Mal am 15.06.2015 veröffentlicht und am 02.08.2020 noch einmal aktualisiert.
Hans (Protokoll von Sina Pousset)