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Drei Paare erzählen, wie die Corona-Krise ihre Beziehungen beeinflusst
Gemeinsame Isolation oder Abstand halten: Auch für Beziehungen verändert sich durch die Pandemie einiges. Auch wenn man nicht zusammenwohnt, darf man Lebenspartner*innen trotz bundesweiter Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen weiterhin treffen. Komplizierter wird es, wenn die normalerweise im Ausland wohnen: Seit Ende März sind die Landesgrenzen zu Österreich, Frankreich, Luxemburg, Dänemark und der Schweiz nur noch an bestimmten Grenzübergangsstellen und nur für Berufspendler*innen und Warenverkehr geöffnet. Uns haben drei Paare erzählt, wie sich ihr Beziehungen während der Corona-Krise verändert haben.
„Es war schon komisch zu sagen: Bis irgendwann“
Victoria, 33, ist seit zweieinhalb Jahren mit ihrem Freund zusammen. Er ist Däne, sie Deutsche. Seitdem die Grenze zu ist, können sie sich nur noch am Schlagbaum treffen.
„An einem Sonntag haben wir uns das erste Mal an der Grenze getroffen. Das war ein seltsames Gefühl und hat sich auch ein bisschen verboten angefühlt. Es war ein kleiner Grenzübergang ohne Polizei. Es gibt einen Zaun, aber darüber hinweg kann man sich unterhalten. Mit uns waren vielleicht noch zehn anderen Menschen dort. Wir wussten nicht, ob wir uns überhaupt küssen dürfen. Wir haben es dann einfach gemacht, das hätten wir sonst nicht ausgehalten. Davor haben wir uns das letzte Mal vor knapp drei Wochen gesehen, an dem Wochenende, an dem Dänemark seine Grenzen geschlossen hat.
Zuerst dachten wir noch, dass mein Freund trotz Corona immer noch nach Deutschland kommen kann und wir uns sehen. Als am Sonntagabend die Nachricht kam, dass auch Deutschland die Grenze schließt, wussten wir, dass es ernst wird. Es war schon komisch zu sagen: „Bis irgendwann.“ Wir haben versucht, es nicht zu dramatisieren, wir müssen das irgendwie durchstehen. Es ist ein bisschen so, wie wenn einer jetzt länger in den Urlaub fährt.
Wir führen seit zweieinhalb Jahren eine Wochenendbeziehung, meistens fahre ich am Freitagabend nach der Arbeit die eineinhalb Stunden zu ihm und am Montagmorgen wieder zurück. Im Moment telefonieren wir jeden Abend. Für uns ist das ganz wichtig, auch wenn wir uns gar nicht so viel zu erzählen haben, jeder arbeitet ja nur und bleibt ansonsten zu Hause. Ich lerne jetzt wieder Dänisch und jeden Abend lesen wir zusammen zwei Seiten aus einem dänischen Kinderbuch.
Wir haben uns über Tinder kennengelernt, dadurch sind wir es gewohnt, viel zu schreiben. Dadurch habe ich ein bisschen so ein Gefühl wie in unserer Anfangszeit. Wir müssen jetzt viel mehr miteinander reden und lernen uns auf jeden Fall noch einmal anders kennen, aber ich hoffe, dass das sonst keine Auswirkungen auf unsere Beziehung hat. Im Moment freuen wir uns einfach auf die kleinen Sachen, die wir bald wieder zusammen machen können – kochen oder joggen gehen. Ich glaube, das wird dann richtig groß für uns und wir werden das dann wieder mehr wertschätzen.
Wir wollen uns an die Corona-Maßnahmen halten, weil wir verstehen, dass es sie braucht. Es ist halt nur sehr unglücklich, dass zwischen uns eine Grenze liegt. Wir wollen versuchen, uns jetzt regelmäßig an der Grenze zu treffen, das ist immer noch besser, als sich gar nicht zu sehen. Die nächsten Male werden wir es uns ein bisschen gemütlicher machen, mit Stühlen und Proviant.“
Inzwischen hat die dänische Regierung beschlossen, die Einreiseregelung für Lebens- oder Ehepartner*innen zu lockern (Anm. d. Red.).
„Es fühlt sich ein bisschen so an, als würden wir das Zusammenwohnen gerade ausprobieren“
Marilisa, 22, und Jakob, 27, sind seit eineinhalb Jahren ein Paar und verbringen die Isolation gemeinsam in Jakobs Sechs-Quadratmeter-WG-Zimmer in München.
Marilisa: „Mein Erasmusjahr in England wurde leider abgebrochen. Allerdings ist mein Zimmer hier in München gerade noch zwischenvermietet. Deswegen bin ich spontan zu Jakob gezogen.“
Jakob: „Bisher ist es für uns beide richtig angenehm und entspannt. Dadurch, dass die Verpflichtungen, die man sonst so hätte, zum Großteil wegfallen, kann man einfach zusammen abhängen.“
Marilisa: „Wir verbringen sehr viel Zeit auf dem Balkon, trinken Kaffee, lesen – und spielen Quizduell oder Backgammon. Jakob kocht sehr gerne und viel, ich mache dafür andere Dinge im Haushalt, die so anfallen. Aber es ist schon so, dass tagsüber auch jeder mal Zeit für sich hat und wir uns in andere Zimmer zurückziehen, zum Beispiel um zu skypen. Für uns ist die Situation gerade wahrscheinlich nicht so ein großer Bruch wie für Leute im Berufsleben. Wir beide studieren noch. Für mich ist es insofern aber eine Veränderung, dass Jakobs Zimmer nicht mein normaler Lebensraum ist. Einerseits ist da ein großes Zuhause-Gefühl – weil ja nicht nur ein Ort, sondern auch eine Person ein Zuhause sein kann. Und andererseits ist da das Gefühl, nicht in seinem eigenen Raum zu sein. Es besteht ein Ungleichgewicht, wenn man in der Wohnung einer anderen Person ist. Ich fühle mich hier zwar sehr wohl, aber es ist trotzdem nicht mein Zimmer.“
Jakob: „Es ist aber keine ganz neue Situation für Marilisa und mich. Die letzten Semesterferien haben wir auch schon gemeinsam hier verbracht. Außerdem habe ich Marilisa mal für zwei Wochen in England besucht. Zusammengerechnet sind das sicherlich schon drei Monate, die wir mal auf engstem Raum zusammengelebt haben.“
Marilisa: „Weil wir durch die Fernbeziehung lange die Distanz hatten, ist es eigentlich ganz schön, dass wir gerade so aufeinander fokussiert sein können. Ich glaube aber schon, dass mir in der Isolation die Decke irgendwann auf den Kopf fallen wird und ich Treffen mit Freunden vermissen werde, aber das hat ja nichts mit Jakob zu tun.“
Jakob: „Es fühlt sich ein bisschen so an, als würden wir das Zusammenwohnen gerade ausprobieren. Als würde unsere Beziehung gerade beschleunigt – in einer sehr entschleunigten Zeit.“
„Wenn es einen existenziell notwendigen Sozialkontakt für mich gibt, dann ist das mein Freund“
Maciej, 23, hat eine Fernbeziehung geführt. Mittlerweile ist sein Freund, 21, zwar wieder in München, befindet sich allerdings noch in freiwilliger Quarantäne.
„Mein Freund und ich haben uns im Studium kennengelernt und im vergangenen Sommer ineinander verliebt. Unsere Beziehung ist dann recht früh eine Fernbeziehung geworden, weil mein Freund zwei Semester in Paris studiert hat. Die Eskalation der Corona-Situation haben wir Anfang März gemeinsam erlebt, als ich meinen Freund in Paris besuchte. Wir haben uns dort verabschiedet mit dem Vorsatz, uns bald in Frankreich wiederzusehen. Als es dann nach Grenzschließungen aussah, hat sich mein Freund entschieden, früher nach München zurückzukommen. Wir haben uns bisher allerdings nicht persönlich gesehen. Das hat den Grund, dass eine Person in seinem Haushalt Erkältungssymptome entwickelt hatte. In Anbetracht der Gesamtsituation fanden wir es verantwortungsvoller, uns an die häusliche Isolation zu halten. Bei dieser Übung kommt uns die Fernbeziehung zugute. Wir haben immer versucht, so miteinander umzugehen, dass es sich nicht zu sehr nach Fernbeziehung anfühlt: also jeden Tag miteinander zu telefonieren, damit man trotzdem das Gefühl hat, einen gemeinsamen Alltag zu teilen. Wir sind gut darin geworden, uns davon zu erzählen, was wir erleben und wie wir uns fühlen.
Neu hinzugekommen ist jetzt aber das konkrete Risiko einer Infektion. Als mein Freund noch in Paris war, habe ich mir oft gewünscht, er wäre bei mir. Hätte er sich dort infiziert, wäre er allein in einer fremden Stadt gewesen. Dass er jetzt wieder in München ist, macht es für mich jedenfalls einfacher. Es macht einen ungeheuren Unterschied zu wissen: Wenn ich einen längeren Spaziergang unternehme, könnte ich vor seiner Haustür stehen. Diese Pandemie – verbunden mit der Aufforderung, alle nich notwendigen Sozialkontakte einzuschränken – wirft mit einer Dringlichkeit die Fragen auf: Wer gehört in unseren engsten Kreis? Wie sieht unser safe space aus? Wenn es einen existenziell notwendigen Sozialkontakt für mich gibt, dann ist das mein Freund. Er ist der Mensch, bei dem ich mich in dieser Situation sicher fühle. In wünsche mir, dass ich in absehbarer Zeit bei ihm sein kann und dass wir die nächsten Tage und Wochen gemeinsam bewältigen.“