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Wie sich das Schenken verändert, wenn man erwachsen wird

Eltern-Sätze zu Weihnachten: „Bestell's einfach“ oder „Am besten kaufst du es dir selbst“.
Illustration: Federico Delfrati

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Jedes Jahr gegen Ende November ist es soweit: Meine Mutter fragt, was ich mir zu Weihnachten wünsche. Dann überlege ich angestrengt, was ich gerne hätte, das gleichzeitig gut ins anberaumte Budget für Weihnachtsgeschenke passt (ein Buch zum Beispiel ist zu günstig, ein neues Handy zu teuer). Meistens kommt dabei irgendetwas Nützliches heraus, das ich gerade für die Wohnung oder den Alltag brauchen kann: eine Wolldecke fürs Sofa zum Beispiel oder ein Rucksack. Und damit das Geschenk mir am Ende auch wirklich gefällt, sagt meine Mutter meistens: „Am besten kaufst du es dir selbst.“ Was bedeutet: Entweder bekomme ich zu Weihnachten Bargeld – oder ich bekomme Geld überwiesen, bestelle meinen Wunsch zu meinen Eltern nach Hause, meine Mutter packt ihn schön ein und ich habe was zum Auspacken. 

Weihnachten hat also nur noch wenig mit Überraschungen zu tun. Zumindest für mich, als erwachsenes Kind. Das ist aber nicht so schlimm, denn überrascht werden an Weihnachten dafür andere: meine Eltern. Bis zu diesem Punkt der Eltern-Kind-Bescherung muss sie allerdings verschiedene Phasen durchlaufen – während man selbst erwachsen wird.

Phase 1: erfüllte Sehnsucht

Als Kind war Weihnachten großartig. Und machen wir uns nichts vor: Das lag sicher auch ein bisschen an hübsch leuchtenden Christbäumen, Plätzchen und der gemeinsamen Familienzeit – aber zu einem sehr großen Teil eben daran, dass man beschenkt wurde. 

Dabei gab es zwei Arten von Geschenken: die Überraschungen und die Wünsche. Von den Überraschungen hat man nichts geahnt und freute sich wie verrückt, dass es diese Hörspielkassette überhaupt gab auf der Welt und sie jetzt noch dazu in den eigenen Besitz überging. Die Wünsche hat man vorher auf einem bemalten oder beschriebenen Zettel formuliert und dem Christkind zur Abholung hingelegt – oder ein Elternteil hat aufmerksam gelauscht und beobachtet, sie darum mitbekommen und sich gemerkt.

Wenn dann an Heiligabend ein paar dieser Wünsche erfüllt wurden, war das großartig. Wie sehr hat man sich in der Spielwarenabteilung von Kaufhof danach gesehnt, diesen flauschigen Steiff-Husky im Arm zu halten und abends mit ins Bett zu nehmen! Die Tränen waren einem gekommen, weil’s nicht ging. Und jetzt war er hier, sah einen mit blauen Knopfaugen an und würde das auch morgen noch tun und übermorgen und überübermorgen auch! Dieses Gefühl erfüllter Sehnsucht, wenn ein Weihnachtswunsch wahr wurde, war unfassbar schön.

Phase 2: bloß nicht das Falsche schenken!

Die schlimmste Geschenke-Phase war die während der Pubertät. Die Erkenntnis, dass es weder Christkind noch Weihnachtsmann gab, lag schon eine Weile zurück, aber war noch frisch genug, um Weihnachten auf einmal sehr banal aussehen zu lassen. Wünschen durfte man sich zwar immer noch etwas, aber man war ja sehr schwer zufriedenzustellen in dieser Zeit – der Wunsch wurde also minutiös formuliert, damit man bloß nicht das falsche Paar Sneaker geschenkt bekam. Und überraschen ließ man sich schon gar nicht mehr: Nachdem Opa oder Mama drei Jahre hintereinander mit ihrer Vorstellung davon, welcher Pullover oder welche CD dem Kind gefallen könnte, fatal falsch gelegen hatten, haben sie einfach aufgegeben und nur den genauestens formulierten Wunsch oder einfach Bargeld verschenkt. 

Immerhin war es aber damals noch so, dass man sich die Sneaker niemals selbst hätte kaufen können. Oder dass das Weihnachtsgeld die Summe überstieg, die man als Taschengeld bekam oder beim Zeitungaustragen verdient hat. Man war also gefühlt sehr reich nach Weihnachten.

Phase 3: Kinder werden Christkinder

Wenn man ausgezogen und erwachsen ist und sein eigenes Geld verdient, verlieren die Geschenke von Eltern die Notwendigkeit, die sie früher hatten. Sie erfüllen kein schmerzliches Sehnen mehr, das man als Kind für materiellen Kleinkram verspürt hat – weil es dieses Sehnen nicht mehr gibt. Ihr Schenken ist aber auch kein Aufstocken des Taschengelds mehr, das kurzzeitig für ungewohnten Luxus sorgt, weil man ja mittlerweile einen Job und ein Einkommen hat. Klar ist Weihnachtsgeld schön, darauf angewiesen ist man allerdings schon längst nicht mehr. Und das Kind überraschen zu wollen, haben die Eltern ja eh schon vor Jahren aufgegeben, als es ein bockiger Teenager war. Der jetzt, als Erwachsener, ja noch dazu ein anderes Leben an einem anderen Ort führt – woher soll man wissen, was er grade begehrt?

Zum Beispiel, indem man anruft und fragt: „Was wünschst du dir denn?“ Woraufhin das Kind angestrengt überlegen muss, was es denn wohl gebrauchen könnte. Oder was es gerne hätte, sich aber selbst nicht kaufen würde (obwohl es bezahlbar wäre, denn Weihnachten ist ja kein „Ich schröpfe meine Eltern“-Fest). Woraufhin sich meist eine Situation ergibt, wie anfangs beschrieben: Man kauft sich seine Geschenke selbst vom Geld der Eltern. 

Das Gute ist, dass irgendwann in dieser Phase die Kinder anfangen, die Eltern zu beschenken. Als man noch klein war, war das undenkbar, da gab es ja das Christkind, das sich um Geschenke kümmerte. Als Teenager waren eher Geburtstage die Anlässe, zu denen das Kind die Eltern beschenkte, Weihnachten blieb das Schenken einseitig. Aber erwachsene Kinder dürfen endlich Christkind für die eigenen Eltern spielen.

Das ist schön – weil dieses Schenken, anders als das von Eltern an die Kinder, unbelastet ist von irgendwelchen vorigen Phasen. Und weil die Frage „Was wünschst du dir?“ von Eltern sowieso immer mit „nichts“ oder „Du musst mir nichts schenken“ beantwortet wird (Antworten übrigens, die man als Kind nicht geben darf, auch als erwachsenes nicht, weil Eltern das nicht gelten lassen). Das Kind muss sich also Gedanken machen. Richtig echte Weihnachtsgeschenkegedanken. So wie die Eltern früher, als man selbst noch klein war. Was könnte ihm oder ihr eine Freude machen? Was würde er oder sie sich nicht selbst leisten, was könnte ihn oder sie überraschen?

Im besten Falle gibt es dann wieder ein richtiges Weihnachtsgeschenkegefühl bei der Eltern-Kind-Bescherung. Und zwar bei den Eltern, die mit diesem oder jenem nun aber wirklich nicht gerechnet haben. Sie haben nicht nur das Geschenk, sondern auch dieses Gefühl wirklich verdient. Weil sie uns jahrelang und durch alle Phasen hindurch so mühevoll beschert haben und beschenken. 

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