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Typologie des Social Media Stalkings
Meistens gab es an der Seite des Partners oder der Partnerin schon mal jemanden (oder mehrere jemande), bevor man selbst dort war. Diese früheren Partner*innen des eigenen Freunds oder der eigenen Freundin sind wie Phantome: Man hat nur eine vage Vorstellung von ihnen, kennt oft weder ihr Gesicht noch ihre Stimme, geschweige denn, dass man wüsste, was der geliebte Mensch an diesem anderen Menschen mal toll gefunden hat. Meistens spricht man da auch nicht so viel drüber. „Erzähl doch mal von deiner Ex!“ ist nämlich keine sehr beliebte Aufforderung in Beziehungen.
Aber zum Glück gibt es ja das Internet. Wer den Namen eines Phantoms kennt, der braucht nur noch Google und Accounts in diversen sozialen Netzwerken und kann so einiges über die früheren Lieb- und Leidenschaften des eigenen Partners erfahren. Allerdings gibt es verschiedene Formen und Arten des Expartner*innen-Hinterherschnüffeln, die wir hier gerne genauer beschreiben wollen. Und los:
1. Das Honeymoon-Schnüffeln
Darum machst du’s:
Du bist frisch und sehr verliebt. Du weißt zwar, dass der geliebte Mensch bis vor Kurzem noch mit jemand anderem zusammen war, aber das ist dir egal. Zumindest so lange, bis du irgendwo einen Namen aufschnappst. Ein Kumpel in der Kneipenrunde fragt deinen neuen Freund, ob er „noch Kontakt zu Gregor“ habe. Oder eine Arbeitskollegin erzählt deinem Neuen beim Geburtstagsumtrunk, sie habe „Elisabeth getroffen“ und die habe „ziemlich abgemagert“ ausgesehen. Und du fühlst dich plötzlich, als hätte sich hinter dir ein dunkler Abgrund aufgetan: die Beziehungs-Vergangenheit deines Partners oder deiner Partnerin, über die du so gut wie nichts weißt.
Daheim rufst du seine oder ihre Freundesliste auf Facebook auf und suchst den Vornamen, den du jetzt kennst. Wenn du Glück hast, findest du dazu einen Menschen. Voraussetzung: der oder die Ex ist bei Facebook, außerdem noch mit deinem neuen Partner oder deiner neuen Partnerin befreundet und der Vorname ist nicht zu gewöhnlich oder komplett verschlüsselt – „Gre Gor“ checkst du noch, wenn er sich „Herr Meierhuber“ nennt, wird’s schwer. Falls du ein Profil findest, von dem du sicher bist, dass es zum oder zur jeweiligen Ex gehört, hast du eventuell auch einen Nachnamen. Und den vollen Namen kannst du natürlich googeln …
Das macht es mit dir:
Es beschert dir gleichzeitig ein Triumph-, ein Scham- und ein Angstgefühl.
Triumph, weil du ja quasi gegen den oder die Ex gewonnen hast, denn du bist immerhin die aktuelle Liebschaft, also wird irgendwas an dir schon besser sein. Scham, weil das natürlich Quatsch ist. Liebe ist ja kein Wettkampf. Und weil es moralisch nicht ganz sauber ist, sich daran zu ergötzen, dass eine Beziehung in die Brüche gegangen ist. Egal welche.
Angst, weil dir die Bilder der wunderschönen Elisabeth oder des gut angezogenen Künstlertypen Gregor bewusstmachen, dass vor Kurzem noch jemand anderes an deiner Stelle war. Und dass du irgendwann an dessen Stelle sein könntest, als Ex. Und dass es da draußen viele, viele Menschen gibt, die dann theoretisch an deiner jetzigen Stelle, also an der Seite deines Partners oder deiner Partnerin, sein könnten. Dass nur der Zufall euch zusammengeführt hat und dass auch der Zufall euch wieder trennen kann.
So siehst du deine Partnerin oder deinen Partner danach:
Als Mensch mit Vergangenheit. Als Mensch, der schon mal geliebt hat. Und du fragst dich: Hat er Elisabeth auch immer so das Haar aus der Stirn gestrichen? Hat er mit Gregor auch immer Whiskey-Cola getrunken? Was an unserer Beziehung ist individuell und was nur Wiederholung?
2. Das Lebenslauf-Schnüffeln
Darum machst du’s:
Das Honeymoon-Schnüffeln konzentriert sich ausschließlich auf Ex-Partner*innen, die es unmittelbar vor einem selbst gab, und setzt einen ziemlich unter Stress. Das Lebenslauf-Schnüffeln ist entspannter: Mit der Zeit erfährst du nebenbei, wen es schon alles im Leben deines Partners gab, und guckst bei Gelegenheit mal nach, was diese Menschen heute so machen. Ist ja spannend zu sehen, mit wem ein geliebter Mensch im Laufe der Jahre schon zu tun hatte. Vielleicht verstehst du dadurch ja besser, wer er mal war und wie er wurde, wer er heute ist. Aha, aha, aus Benji (Freund mit 16) ist ein Steuerberater geworden. Interessant, diese Britta (Freundin aus der Studienzeit) lebt heute in Brasilien und macht anscheinend was mit Kindern.
Das macht es mit dir:
Aufschlüsse über die Entwicklung deines Partners oder deiner Partnerin gewinnst du durch das Lebenslauf-Schnüffeln dann doch nicht – du weißt ja schließlich nicht, wie die Ex-Partner*innen früher drauf waren, als er mit ihnen zusammen war. Die ganze Aktion sorgt bei dir eher für einen wehmütigen Blick auf das Leben: Ist doch verrückt, wie wenig diese Menschen heute in das Leben deiner Partnerin oder deines Partners passen würden. Wie weit sie sich voneinander entfernt haben müssen, obwohl sie sich mal so nah waren.
So siehst du deine Partnerin oder deinen Partner danach:
Du fragst dich, wie sehr du ihn eigentlich beeinflusst und wie sehr er dich. Und welche Rolle der Partner generell für den Verlauf des eigenen Lebens spielt. Was wäre, wenn dein Freund und Britta zusammengeblieben wären? Würde er dann heute in Brasilien leben? Oder wäre sie nie dorthin gegangen?
3. Das Prokrastinations-Schnüffeln
Darum machst du’s:
Wie der Name schon sagt: zum Prokrastinieren. Es ist an sich also eigentlich sehr ungefährlich – kann aber mehr oder weniger verheerende Konsequenzen haben. Es fängt an, weil du eh grade im Internet rumhängst, um dich von der Arbeit abzuhalten, und dich daran erinnerst, dass du anno dazumal die Ex-Elisabeth oder den Ex-Gregor bei Facebook gesucht hast. Du könntest jetzt weiterarbeiten oder mal ein halbes Stündchen an die frische Luft gehen, aber du könntest ja auch noch kurz schauen, was die jetzt so machen …
Das macht es mit dir:
Eigentlich nix, an sich ist es stinklangweilig. Damals, am Anfang deiner Beziehung, da war das noch spannend, weil alles noch so neu war und diese Menschen noch nicht tiefe Vergangenheit. Aber heute … Dann allerdings entdeckst du, dass dir auf Gregors Facebook-Profil keine „gemeinsamen Freunde“ mehr angezeigt werden. Dein Partner hat ihm die Freundschaft gekündigt! Oder er deinem Partner! Warum? Einfach so? Oder hatten sie noch mal Kontakt und der endete im Streit? Auf einmal ärgerst du dich furchtbar über dein doofes Rumgeklicke, weil du dir jetzt unnötige Sorgen machst. Nächstes Mal doch lieber an die frische Luft als ins Internet!
So siehst du deine Partnerin oder deinen Partner danach:
Du weißt natürlich, dass er oder sie auch noch ein eigenes Leben führt und die Beziehung nicht alles ist. Aber die Vorstellung, dass er oder sie irgendwann im Laufe der vergangenen drei Jahre eventuell ein Gespräch oder sogar Streit mit einem oder einer Ex hatte, ohne, dass du das mitgekriegt hast, die findest du doch ein bisschen gruselig. Und wüsstest gerne, ob da was war. Aber du kannst sie oder ihn ja schlecht fragen, weil du nicht erklären kannst, warum du das wissen willst. Und da wird dir klar: Auch du machst Sachen, von denen er oder sie nichts weiß und die du nie erzählen würdest …
4. Das ehrliche Schnüffeln
Darum machst du’s:
Ihr habt einen schönen Abend als Paar. Daheim auf dem Sofa, in einer Bar oder draußen am Fluss. Ihr redet und ihr lacht sehr viel und irgendwann erzählt dein Freund oder deine Freundin eine lustige Geschichte über einen Ex-Partner oder eine Ex-Partnerin. Vielleicht redet ihr gerade über die komischen Typen, die immer in diesen neuen Sportlernahrungsladen in eurer Straße gehen, und da sagt dein Freund: „Meine Ex, mit der ich in der Abizeit zusammen war, ist jetzt Bodybuilderin. Die sieht so krass aus!“ Das willst du natürlich sofort sehen! Ihr hängt also eure Köpfe über deinen Handybildschirm und sucht Fotos.
Das macht es mir dir:
Das ehrliche Schnüffeln ist das schönste Hinterherschnüffeln, weil es verbindet, nicht heimlich passiert und völlig schlechtes-Gewissen-frei ist. Spaß macht es auch. Manchmal führt es dazu, dass ihr euch gegenseitig eure heute absurdesten Ex-Partner*innen zeigt. Und vielleicht sogar eure heute tollsten Ex-Partner*innen. Ein wirklich schöner Paar-Momente: Wenn dein Partner oder deine Partnerin dir ein Ex-Bild zeigt und du aus tiefstem Herzen „Wow, der*die ist ja wunderschön!“ sagen kannst.
So siehst du deine Partnerin oder deinen Partner danach:
Ganz und gar in der Gegenwart. Die Vergangenheit kann so doof oder lustig oder schön sein, wie sie will, gegen jetzt gerade kommt sie nicht an!
5. Das verweigerte Schnüffeln
Darum machst du’s:
Müsste hier eher „Darum willst du’s machen, aber machst es nicht“ heißen. Irgendeine der Voraussetzungen ist gegeben: aufgeschnappter Name, Prokrastinierungs-Flow, lustige Geschichte, die dein Partner oder deine Partnerin dir erzählt hat. Und natürlich reizt es dich da, mal nachzuschauen. Deine Finger jucken, dein linkes Auge zuckt. Aber du bleibst stark! Denn du weißt: Am Ende regt das bloß deine Fantasie an. Du wirst nachdenken über Zufall und Schicksal, darüber, wer vielleicht besser geeignet wäre für deine Partnerin oder deinen Partner als du, darüber, was du alles nicht über sie oder ihn weißt. Im schlimmsten Fall würdest du sogar irgendwas aus ihrer oder seiner Vergangenheit entdecken, das du lieber nicht gewusst hättest. Nein danke.
Das macht es mir dir:
Du bist stolz, deinen eigenen Fatalismus besiegt zu haben. Und findest dich selbst sehr integer: Nur, weil man die Möglichkeit hat, einem fremden Menschen ein bisschen hinterher zu spüren, heißt das ja längst nicht, dass man es auch tun muss. Außerdem musst du auf diese Weise keine Geheimnisse vor deinem Partner oder deiner Partnerin haben. Oder zumindest nicht dieses Geheimnis.
So siehst du deine Partnerin oder deinen Partner danach:
Zum Teil im Nebel. Du weißt nicht, was vor dir war, aber du willst es auch nicht wissen.
Die Autorin dieser Typologie möchte anonym bleiben, damit mögliche Partner und Ex-Partner aus dem Text keine Rückschlüsse auf ihr Verhalten ziehen.
Anm. der Redaktion: Dieser Text wurde zuerst am 27.03.2017 veröffentlicht und am 24.08.2020 noch einmal aktualisiert.