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Online-Dating lässt einen schneller in Beziehungen stolpern

Illustration: Janina Schmidt

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Jedes Paar hat seinen eigenen Rhythmus. Das ist unerlässlich. Und schön. Manchmal ergibt sich so ein Rhythmus aber nicht gleich, und manchmal geht man von Anfang so sehr in unterschiedlichem Takt, dass sich kein gemeinsames Tempo einzustellen vermag. Mit verfrühten Liebesbekundungen kann ich zum Beispiel wenig anfangen, weil ich mich eingeengt fühle oder mir die entsprechende Person einfach nicht gut genug gefällt. Mir ist es aber auch schon passiert, dass ich von überschwänglichen Liebeserklärungen begeistert war, weil ich verknallt war – und dann umso enttäuschter, als die Nettigkeiten zu weniger netten Alltäglichkeiten wurden. Jedes Mal habe ich mich gefragt, wie ich es überhaupt so weit kommen lassen konnte? Waren wirklich nur die Hormone Schuld, diese stets zu bezichtigenden Verantwortlichen in Sachen Dating-Desaster? Ich glaube nicht. Ich glaube, das Internet war schuld.

Beziehungsweise die Online-Kommunikation. Es gibt natürlich Menschen, die lernen sich kennen und verabreden sich dann per Whatsapp oder Facebook oder Tinder. Und belassen es dann bei diesen festen Verabredungen, tauschen im Laufe der Zeit vielleicht hin und wieder mal ein paar Befindlichkeiten oder Anekdoten aus, das war’s. Dann gibt es wiederum Menschen, die einfach gern chatten. Egal, über welchen Kanal. Die täglich fragen, wie es denn geht, was man gerade tut, und ob man am Abend zuvor gut nach Hause gekommen sei. Was auch überhaupt nicht verwerflich ist. Bloß: Aus oberflächlichen Gesprächen werden so schnell tägliche und wirklich intime Gespräche. Schriftliche Gespräche, versteht sich. Die sich anfühlen wie Gespräche in einer Beziehung. In der man üblicherweise irgendwann so eine Nacht miteinander persönlich verbringt, in der man stundenlang redet, über Gott und die Welt, die Familienverhältnisse, Zukunftsvorstellungen, Wünsche, Träume, einfach alles eben. Wenn man das alles aber schon im Whatsapp-Chat abgefrühstückt hat, dann fühlt es sich schnell so an, als wäre man schon in einer Beziehung.

In Wahrheit haben sich die beiden chattenden Personen aber vielleicht noch gar nicht so oft gesehen. In meinem letzten Urlaub ist das Smartphone meiner Freundin am ersten Abend kaputt gegangen. Einmal in Pool-Nähe gestrauchelt und das Handy war dahin. Eigentlich braucht man im Urlaub ja auch kein Handy, fanden wir, ganz neo-romantisch. Nur: Sie schrieb da gerade mit so einem Mann, den sie gut fand. Sie hatte aber ja seine Nummer nicht. Alles kein Problem, wir installierten einfach Tinder auf meinem Handy – dort hatte sie ihn kennen gelernt – und schrieben ihn noch mal an.

 

Vielleicht ist es manchmal gar nicht so schlecht, sich ganz oldschool alle zwei Tage eine SMS-artige Nachricht zu schreiben 

 

Und ich stellte schnell fest, ohne sie heimlich auszuspionieren: Meine Freundin und ihr neuer Bekannter schrieben sich ziemlich viel. Was sie an dem Tag gemacht haben (sie: am Pool gelegen, gelesen, gegessen; er: gearbeitet, gegessen), wie sie sich dabei gefühlt haben (sie: entspannt, von der Sonne geküsst; er: gestresst, müde) und sowieso irgendwie über jede Alltags-Lappalie. Natürlich hat jedes Paar auch seinen eigenen Modus, in welchen Zeitabständen und worüber sie kommunizieren. Manche schicken sich im Minutentakt Selfies, andere lieber Bilder von ihrem Frühstück, manche stehen mehr auf Dickpics. Finde ich auch völlig in Ordnung. Meine Freundin und der Mann, mit dem sie über mein Handy kommunizierte, waren aber noch gar kein offizielles Paar. Sie waren nicht einmal in der Nähe dessen, was man gemeinhin eine Beziehung nennt. Vor unserem Urlaub hatten sie sich erst dreimal getroffen.

 

Und nachdem wir zurück waren, trafen meine Freundin und der Mann sich noch einmal und stellten fest: Es passt nicht. Nicht weiter schlimm, fanden sie. Aber vielleicht ist es manchmal gar nicht so schlecht, sich ganz oldschool alle zwei Tage eine SMS-artige Nachricht zu schreiben und sich dann erst einmal zu treffen und von Angesicht zu Angesicht miteinander zu sprechen. Ohne direkt alles zu offenbaren.

 

Das soll kein Pamphlet gegen Online-Dating sein, im Gegenteil, Online-Dating kann super sein. Interessanterweise waren aber viele die Paare, die ich kenne und die sich auf Tinder kennengelernt haben sehr schnell zusammen.

 

Vielleicht, weil es leichter ist, über Dating-Apps die Menschen herauszufiltern, die am Gleichen interessiert sind wie man selbst. In diesem Fall also: an einer Beziehung. Ich glaube aber, die Apps begünstigen eine Form der Vorwegnahme in einer ohnehin sehr offenen Kommunikationskultur. Ich muss nur auf das Profil einer Person klicken, um schon zu wissen, ob sie Katzen oder Hunde besser findet. Oder auf Dreier steht. Und dann kann ich mit dieser Person sehr schnell virtuell einen gemeinsamen Alltag simulieren – man kennt ja bereits die Eckpunkte der Persönlichkeit des Anderen.

Dabei ist es manchmal aber auch schön, private Vorlieben erst im Laufe einer Beziehung oder einer Kennen-Lern-Phase zu entdecken. Und dann irgendwann diese eine Nacht zu haben, in der man über einfach alles redet.

 

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