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Manipulation in der Beziehung durch Love Bombing
Das Phänomen Love-Bombing funktioniert etwa so: Zwei Menschen treffen sich, man mag sich, man schreibt sich, man verliebt sich. Und das alles rasend schnell. Statt der obligatorischen drei-Tage-Wartezeit nach dem ersten Date, um sich melden zu dürfen, ohne needy zu wirken, stürzen sich beide hinein. Manchmal hat es einfach Zoom gemacht, manchmal wirkt hier bereits das Love-Bombing.
Wenn eine Person nämlich die andere schon zu Beginn der Beziehung so sehr mit Liebesbekundungen, Zuneigung und Zärtlichkeiten überschüttet, dass das Gegenüber nicht anders kann, als sich wohlig einzufügen in die neue Beziehung, dann ist das oft Love-Bombing. Das ist insofern gefährlich, als dass durch diese Überstürzung emotionale Abhängigkeiten entstehen können. Und der Liebesüberschuss einer Beziehungsroutine weichen kann, die den oder die zuvor Überschüttete*n manipulierbar macht: Diese Person will natürlich zurück in den Zustand des ekstatischen Geliebt-Werdens und lässt sich so stärker vom Partner oder der Partnerin kontrollieren. Das kann übrigens auch in platonischen Freundschaften vorkommen. Und ist in jedem Fall ziemlich mies.
Je schlechter es mir ging, weil sie meine Freundschaft nicht mehr erwiderte, desto fieser wurde sie
So richtig gefeit ist man vor diesen Attacken nie. Mir ist das auch schon passiert. Mit einer guten Freundin. Die nach wenigen Wochen schon wildfremden Menschen an der Supermarktkasse erzählte, ich sei die beste Freundin, die man sich nur vorstellen könne. Die nach kurzer Zeit schon ziemlich viele meiner langjährigen und engen Freund*innen vergraulte, ohne, dass ich es zunächst bemerken konnte oder wollte. Und die dann ganz plötzlich nicht mehr so überschwänglich war. Und stattdessen wissen wollte, mit wem ich mich sonst treffe. Die immer genau wusste, welcher Mann gut für mich war und welcher nicht. Die ich zwei Jahre lang beinahe täglich sah, und die dann irgendwann sehr gemein wurde.
Von meinen Sorgen und Problemen wollte sie gar nichts wissen, hielt mir stets vor, ich sei egozentrisch und solle mal wieder besser drauf sein. Öfter lachen. Je schlechter es mir ging, weil sie meine Freundschaft nicht mehr erwiderte, desto fieser wurde sie. Je mehr ich sie brauchte, desto weniger war sie für mich da. Und ich hing trotzdem an ihr, wollte, dass es wieder wird wie früher. Sie hingegen hielt mir vor, eine schlechte Freundin zu sein, sobald ich meine Aufmerksamkeit von ihr abwendete. Am Ende haben wir den Kontakt abgebrochen und die Freundschaft somit beendet.
Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie schmerzhaft es sein muss, wenn einem das mit jemandem passiert, mit dem man auch zusammen ist. Begünstigt wird der Sog des Love-Bombings häufig durch digitale Kommunikation. Die schnelle und einfache Kommunikation macht permanente Liebeserklärungen zu Beginn einer Beziehung wahnsinnig einfach. Love-Bombing unterbinden kann man nur schwer, da die Anfangsphase einer Beziehung oder Freundschaft ja sowieso meist rosarot gefärbt ist. Es lässt sich kaum erkennen, ob man in der berühmt-berüchtigten Honeymoon-Phase schwebt oder gerade Opfer eines Love-Bombers wird.
Wenn die andere Person Bedingungen an die Liebe knüpft, kann das ein Indiz sein
Wohl aber lassen sich erste Signale identifizieren. Wenn nämlich die erste Verliebtsheitsphase abklingt. Beim Love-Bombing ist der Übergang häufig abrupt und die Entwöhnungsphase wie ein extremer Entzug: Man ist verwöhnt von zu viel Hinwendung, und braucht sie künftig als Bestätigung dafür, dass der Partner oder die Partnerin noch hinter der Beziehung steht. Ist man abhängig von dieser Bestätigung, lässt man sich leichter emotional manipulieren: Das kann mit Kontrolle des Partners oder der Partnerin darüber beginnen, was man gerade tut und mit wem. Es kann sich aber auch aufs berufliche Leben erstrecken. Wenn die andere Person Forderungen und Bedingungen an die Liebe knüpft, von der man meint, abhängig zu sein, dann kann das ein Indiz dafür sein, dass man Opfer von Love-Bombing geworden ist.
Seit meiner Erfahrung mit diesem Phänomen begegne ich Menschen, die gleich zu Beginn besonders enthusiastisch gegenüber meiner Person eingestellt sind, eher mit einer gewissen Skepsis. Was sich manchmal als gut erweist. Und weil es gerade bei potenziellen Partner*innen schwierig ist, wenn sich schon zu Beginn ein Ungleichgewicht an Zuneigung abzeichnet. Manchmal frage ich mich aber auch, ob ich neuen Menschen gegenüber zu kritisch eingestellt bin. Ganz sicher sein kann man sich nie, wenn man jemanden kennen lernt – aber das das hat ja auch etwas Schönes.
Hinweis: Dieser Text wurde zum ersten Mal am 25.08.2017 veröffentlicht und am 23.02.2021 nochmals publiziert.