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Kolumne Freifahrtschein: Über die Dates mit anderen
Eine Beziehung zwischen zwei Menschen ist oft schon schwierig. Wie soll es dann erst funktionieren, wenn drei oder mehr Menschen involviert sind? Unsere Autorin und ihr Mann führen seit fünf Jahren eine offene Beziehung. Was das im Alltag bedeutet, welche Probleme sie dabei zu lösen hatten und wie sich ihr Leben seitdem verändert hat, beschreibt sie in dieser Kolumne.
Tripp, tripp, tripp durch die dunkle Wohnung, dann war ich unter seiner Bettdecke. Tastete nach dem warmen Körper meines Mannes, schmiegte mich an ihn und schon ging es los mit unserer After-Date-Nummer. Als wir unsere Beziehung vor fünf Jahren öffneten, war das keine ausgesprochene Vereinbarung, sondern eher Naturgesetz: Sobald einer von uns jemand anderes getroffen hatte, saugten sich unsere Körper aneinander fest. Als ob sie einander versichern wollten, dass sie auch wirklich da sind. Und dass der andere immer noch wichtig ist.
Aber auch unabhängig von konkreten Abenteuern steigerte sich die Häufigkeit unserer Schäferstündchen um gefühlte 100 Prozent. Erst wollten wir dieses blöde Gesetz des Marktes nicht wahrhaben, aber dann mussten wir doch einsehen: Von anderen begehrt zu werden, macht verdammt attraktiv. Nicht nur für den Partner, sondern auch für einen selbst. Für dieses Gefühl muss man nicht mal unbedingt mit jemand anderem ins Bett gehen, da reicht manchmal schon ein kleiner Flirt an der Bushaltestelle — und schwupps, hört man den Tiger in sich brüllen.
Wenn mein Mann nach einer aufregenden Begegnung den restlichen Tag schmutzige Witze reißt, habe auch ich mehr zu lachen
Dass Konkurrenz den eigenen Wert erhöht, ist aber nur der eine Teil der Wahrheit. Viel wichtiger ist möglicherweise dieser hier: Ein glücklicher Partner ist ein guter Partner. Das klingt zwar verdächtig nach Beziehungsratgeber-Kalenderspruch, ist aber dadurch nicht weniger relevant. Denn die Freiheit, auch außerhalb unserer Beziehung spannende Menschen zu treffen, mit ihnen eine gute Zeit und möglicherweise auch Sex zu haben, steigert unsere Lebenszufriedenheit enorm. Nicht, weil wir ohne Stippvisiten in fremden Betten so wahnsinnig unglücklich wären. Sondern einfach, weil Freiheit ein gutes Gefühl ist. Weil wir unsere Sehnsüchte und Bedürfnisse nicht für einander einschränken müssen. Und weil wir wissen, dass wir einander nicht im Weg stehen.
Von den meisten Erfahrungen, die wir mit anderen machen, profitieren wir beide sogar ganz unmittelbar. Wenn mein Mann nach einer aufregenden Begegnung nicht aufhören kann zu grinsen und den restlichen Tag mit schmutzigen Witzen um sich schießt, habe auch ich mehr zu lachen. Wenn ich bei einem Date einen guten Film sehe, dann will ich den unbedingt auch meinem Mann zeigen. Und ja, das betrifft auch unsere Sexualität. Zum Beispiel war es ein anderer Mann, der mir das Konzept von „Slow Sex“ näher gebracht hat. Mein sexuelles Erleben ist seitdem viel intensiver geworden — und da haben wir definitiv beide was von.
Anfangs achteten wir ganz besonders darauf, was diese Inspiration von Außen mit uns macht. Schließlich kann es schon merkwürdig sein, wenn es eine andere Person als man selbst ist, die beim Partner für so wahnsinnig gute Laune sorgt. Oder plötzlich Techniken im Bett zum Einsatz kommen, die bereits mit jemand anderem getestet wurden. Zu unserer Überraschung gab es jedoch deswegen nie auch nur den Hauch eines negativen Gefühls. Nur ein Mal hatte mein Mann keinen Bock auf das Restaurant, in das ich ihn nach einem tollen Date schleppen wollte — der Laden war halt nicht sein Fall. Ansonsten freuen uns in den allermeisten Fällen einfach über all das Schöne, das andere Menschen in unser Leben bringen.
Inzwischen ist das für uns auch so weit Routine geworden, dass es unser Liebesleben nicht mehr beeinflusst. Komme ich heute nach einem Date nach Hause, schmiege ich mich zwar immer noch an meinen schlafenden Mann, ratze aber nach drei Sekunden weg. Wir haben wieder genau so viel Sex wie früher, oder nein, eigentlich ist es über die Jahre sogar noch weniger geworden. Müsste ich meinem Mann jetzt Treue halten, würde sich garantiert eine gewisse Unzufriedenheit melden, denn meine Libido war schon immer die wildere von beiden. Manchmal kann es sogar ganz entlastend für die Beziehung sein, wenn Wünsche auch mal außerhalb von ihr befriedigt werden. Für unser Glück sind am Ende nämlich immer noch wir selbst verantwortlich.
Drei Tipps für Dates mit anderen in einer offenen Beziehung:
Denkt ihr grade drüber nach, was andere Menschen euch und eurer Beziehung geben könnten? Das lohnt sich selbst, wenn ihr keinen Sex mit anderen in Erwägung zieht — Input holen geht auch ohne Körperkontakt!
- Was läuft bei euch? Bevor ihr guckt, was andere Menschen euch geben können, schaut auf eure Beziehung. Womit seid ihr glücklich? Warum seid ihr zusammen? Besinnt euch auf euer Fundament, bevor ihr nach Außen geht. Ihr tut das ja schließlich nicht, weil ihr so unglücklich miteinander seid.
- Wovon hättet ihr gerne mehr? Sind das Abenteuer, Bestätigung eurer Hotness, Gespräche über Gravitation, abgedrehte Sex-Praktiken...? Was davon kann innerhalb der Beziehung erfüllt werden und was nicht? Oder geht Halbe-Halbe?
- Die Idee, dass andere Menschen Einfluss auf die Beziehung nehmen oder eure Bedürfnisse erfüllen, kann ganz schön beängstigend sein. Schließlich haben wir gelernt, dass Menschen, die sich lieben, sich gegenseitig und ausschließlich glücklich machen müssen. Vielleicht hilft euch der Gedanke, dass es schon jetzt außer eurem Partner jede Menge Leute in eurem Leben gibt, die genau das machen: eure Freunde.