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Fast alle Menschen haben eine*n Backup-Partner*in

Jemanden kennengelernt, mit dem es irgendwie nie geklappt hat? Das kennen viele Menschen.
Fotos: LBP, photocase / Ryan Holloway, Unsplash / Collage: jetzt.de

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Ich erinnere mich noch immer gut auf die Toilette in einem ranzigen Club, wo mit schwarzem Edding an die Wand gekritzelt stand: „Kriegen die richtigen Menschen mit dem falschen Timing jemals eine zweite Chance?“ Ich habe an Max gedacht. Denn Max ist mein Backup-Partner.

Dazu muss ich kurz erklären: Ein*e Backup-Partner*in ist ein potenziell vielversprechender Mensch, mit dem es aber aufgrund von Timing, Wohnort oder Lebensumständen nie wirklich geklappt hat. An den man aber trotzdem immer wieder denkt. Und bei dem man nie ganz die Hoffnung aufgibt, dass es vielleicht doch noch mal klappen könnte. Ich habe gelernt: Fast alle haben so einen. Bei manchen ist es der Ex-Partner, bei anderen die Kollegin, bei den meisten sind es Kindheitsfreund*innen. Max (der nicht wirklich Max heißt) ist so einer.

Max und ich haben uns kennengelernt, als wir zehn Jahre alt waren. Damals machten wir in den Ferien gemeinsam einen Skikurs. Über die Jahre blieben wir gut befreundet, trotz weit entfernter Wohnorte trafen wir uns jedes Jahr wieder beim Skifahren. Irgendwann, vielleicht mit 16, 17, veränderte sich das Gefühl. Offiziell waren wir weiter nur befreundet – insgeheim wussten wir beide, dass es mehr als das geworden war. Max brachte mich, wenn wir abends zusammen unterwegs waren, immer bis an die Haustür – egal wie lange der Umweg nach Hause für ihn war. Wir konnten über die gleichen Dinge lachen, aber auch über alles andere miteinander reden. Einmal fuhr er drei Stunden mit dem Auto, damit wir uns für eine Stunde sehen konnten. Es gab kein Jahr, in dem er meinen Geburtstag vergessen hätte. Mehr als einmal stellte ich mir vor, wie es sich anfühlen würde, wenn wir zusammen wären.

Ich spürte ein Ziehen im Bauch, als er mir von seiner neuen Freundin erzählte

Trotzdem hat es mit uns nie geklappt. Wir waren zu jung, zu weit voneinander entfernt oder einer von uns hatte eine Beziehung. Trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, habe ich Max nie ganz aus dem Kopf bekommen. Nicht, dass er dort ständig und übermäßig deutlich präsent wäre. Aber er ist da, in einer verstaubten Ecke, mit ganz vielen Erinnerungen, Hoffnungen und Idealvorstellungen zusammen in eine Kiste gepackt.

Ich dachte an Max, als ich meinen ersten festen Freund kennenlernte. Ich dachte an Max, als wir uns wieder trennten. Ich spürte ein Ziehen im Bauch, als er mir von seiner neuen Freundin erzählte. Gleichzeitig glaubte ich immer zu wissen: Das mit uns, das ist nicht realistisch. Und ich war zu pragmatisch, um auf ihn, den potenziellen Traumpartner, zu warten.

Bis heute ist das so. Manchmal, wenn ich an Max denke, kriege ich regelrecht Angst. Angst, dass wir uns da was ganz Großes, ganz Wichtiges entgehen lassen. Manchmal stelle ich mir vor wie es wäre, wenn er jetzt heiraten würde, eine Andere natürlich. Dann bekomme ich kurz schwitzige Hände und Herzklopfen.

Aber liegt es wirklich nur an den äußeren Umständen, dass wir nie ein Paar geworden sind? Vielleicht war es für mich auf Dauer auch leichter, ihn als Ideal und „Notnagel“ in meinem Kopf zu behalten, anstatt alles daran zu setzen, dass es mit uns in der Realität klappt. Wenn ich ehrlich bin, ist es mit den Jahren eine schöne Vorstellung geworden, dass da jemand ist, den man sozusagen in der Hinterhand hat, aufgespart für den Fall, dass nichts anderes mehr klappt. Jemand, der richtig gut sein könnte, wenn man nur wollte.

Und das ist es eben, was Backup-Partner*innen ausmacht: Dieses unausweichliche „wenn“, ohne das die Person als Partner*in nicht funktioniert. Man erträumt sich eine perfekte Beziehung und tut doch nichts, um sie Realität werden zu lassen. Ich würde behaupten: Würde man wirklich wollen, dann könnte man es einfach mal versuchen! Aber das würde den*die Backup-Partner*in in eine*n reale*n Partner*in verwandeln. Und reale Beziehungen tendieren eben dazu, in die Brüche zu gehen.

Wenn man gerade eine*n reale*n Partner*in hat, ist es natürlich gemein, weiterhin an dem*der Backup-Partner*in festzuhalten. Gleichzeitig ist diese Person in der Hinterhand aber auch ein Gradmesser: Wie gut oder schlecht meine aktuelle Beziehung lief, habe ich immer auch daran gemerkt, wie oft ich an Max gedacht habe. Zurzeit denke ich zum Beispiel nur noch ziemlich selten an ihn – weil sich meine Beziehung zum ersten Mal so anfühlt, als könnte es ziemlich lange ziemlich gut gehen.

*Die Autorin dieses Textes möchte anonym bleiben – es ist besser für alle Beteiligten, wenn Max nichts von seiner geheimen Rolle und ihr aktueller Freund nichts von Max weiß.

Dieser Text ist zum ersten Mal am 13.12.2017 erschienen und wurde am 6.3.2021 nochmals aktualisiert. 

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