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Horror-Date: Folge 1
Dating-Situation: das erste Date nach sieben Jahren
Geschlecht und Alter des Dating-Partners: männlich, 23 Jahre alt
Horror-Stufe: 6 von 10
Es begann, wie alle guten Romanzen, besoffen im Club. Ich kam grade aus einer langjährigen Beziehung und fand ihn sofort gut: nettes Lächeln, Berliner Schnauze, Skater. Im Neonlicht tauschten wir Nummern aus, am nächsten Tag trafen wir uns zum Kaffee. Ich war nervös. Das letzte Date, das ich hatte, war sieben Jahre her. Es war in mehrmonatiger Vorbereitung in ICQ-Chats eingeleitet worden und bestand aus verschwitztem Händchenhalten im Kinosaal. Mein Date aus dem Club sah ich schon von weitem: Der Berliner Skater hatte sich im Tageslicht in einen Business-Affen verwandelt, der mit gebügeltem Hemd, Anzughose und Rollkoffer strahlend auf mich zusteuerte.
Er begrüßte mich mit Küsschen. Ich dachte: „Da musst du jetzt durch.“ Als ich über den ersten Kaffee fragte, was in seinem Koffer eigentlich drin war, meinte er nur: „Ich dachte, ich bleib vielleicht über Nacht…“. Eigentlich hätte das Date da schon vorbei sein sollen. Aber ich hatte mich über Nacht auch verwandelt. In eine überforderte Vierzehnjährige. Wie gibt man noch mal einen netten Korb? Stand da nicht mal was in der BRAVO Girl? An den Fall, dass das Date schlecht sein würde, hatte ich einfach nicht gedacht. Ich hatte keinen Plan, wie ich aus der Nummer geschickt rauskommen sollte. In meinem Kopf mischten Adrenalin, soziale Inkompetenz und Kater einen lähmenden Cocktail. Also blieb ich sitzen, lächelte und nickte.
Er bestellte den nächsten Kaffee. Ich lächelte. Er erzählte vom Jurastudium. Ich nickte. Die Situation erinnerte mich an eine Familienfeier, bei der man neben dem seltsamen Onkel gesetzt wird, damit sich wenigstens einer nett mit ihm unterhält. Der Junge tat mir auch irgendwie leid. Er hatte schließlich extra sein Hemd für mich gebügelt. Nach dem zweiten Kaffee brachte ich endlich raus, dass ich jetzt mal nach Hause gehen müsste. Er: „Wieso?“ Meine geniale Antwort: „Ich…will noch in den Garten.“ Dumm nur: Statt sich zu verabschieden, lud er sich kurzerhand selbst ein. In meinem Kopf wieder Blackout.
Er riss sich das Shirt vom Leib, um oben ohne Räder über die Wiese zu schlagen
Als wir eine halbe Stunde später in meinem Garten saßen, ich auf einer Decke in der Sonne, und er sich das Shirt vom Leib riss, um oben ohne Räder über die Wiese zu schlagen, hatte das fast was von außerkörperlicher Erfahrung. Ich sah mir selbst zu, konnte aber nicht eingreifen. Als ich das Date auch nach seiner akrobatischen Einlage immer noch stoisch aussaß, statt mich mit ihm auf der Wiese zu wälzen, nahm er schließlich sein Köfferchen und rollte davon.
Meine Freunden erzählten mir danach alle von ihrer „Exit-Strategie“, die sich scheinbar jeder professionelle Single zulegt: Der nächste Termin, die kranke Katze, die frühe Konferenz am nächsten Tag, die man für den Fall der Fälle bereithält. Kam ich einfach nicht drauf. Aber seit diesem Date mache ich das auch so. Den Typen habe ich Jahre später nochmal zufällig in der Bahn gesehen. Ich lächelte – und sagte nichts.
Die Autorin dieses Textes hat darum gebeten, anonym zu bleiben. Sie ist der Redaktion aber bekannt.
Diese Reihe ist der Nachfolger der beliebten Text-Reihe „Horror-Mitbewohner“. Möchtest du auch von einem Horror-Date erzählen? Wir freuen uns über Einsendungen. Entweder per Mail an info@jetzt.de oder über unsere Facebookseite.