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Horror-Date: Die Wertvolle

Illustration: jetzt

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Dating-Situation: Kiez-Club und Elbstrand

Geschlecht und Alter des Dates: weiblich, Anfang 30

Horror-Stufe: 3 von 10

Karina (Name geändert) und ich waren nachts am Ausgang eines Kiez-Clubs gegeneinander geprallt. Ich mehr gegen sie als sie gegen mich, das gebe ich zu, denn ich war wesentlich voller als sie. „’Tschuldigung“, meinte ich, und sie: „Das reicht mir nicht.“ Mit müden Augen sah ich sie an: hennarote Haare, Sommersprossen, schwarzes Top, blaue Jeans. Gar nicht mal so unheiß, fand ich, wenn man von einem verblassten Unterarm-Tattoo absah, dessen Buchstaben ich gerade noch aneinanderreihen konnte: „Value“, stand da. 

Bevor ich fragen konnte, was das sollte, wiederholte sie: „’Tschuldigung reicht mir nicht.“ „War ja keine Absicht.“ „Trotzdem.“ Sie grinste. Ich überlegte. Meine Idee: „Bierchen?“ Ihre Idee: „Nümmerchen?“ „Wie jetzt?“ „Telefonnümmerchen!“ „Ach so.“ Ich gab ihr meine, sie mir nicht ihre Nummer, wir gingen nach Hause, jeder für sich. 

Am nächsten Tag kam gegen Abend eine Nachricht: „Ich mache so was ja eigentlich nicht.“ „Ich auch nicht.“ Zwinkersmiley hier, Zwinkersmiley da, soweit, so nett. Aber dann fing sie an. Es ging um den Ort für ein Date. Sie: „Irgendwas mit Wert.“ „Ich kenne eine gute Bar.“ „Mit WERT!“ Okay, okay, Bars sind wertlos, ich hatte verstanden, wollte so schnell aber auch kein Spielverderber sein: „Ein Getränk am Elbstrand?“ „HALLO!“ Ich dachte nach. Was könnte denn WERT haben? Sie meinte ja wohl keine Ausstellung oder ein Museum oder Ballett oder sonst irgendein Klischee, das mir zum Thema WERT einfiel. Mein nächster Versuch: „Ein Konzert?“ „Kultur ja, Konzert nein. Ich möchte schon ein bisschen wertvoller unterwegs sein.“ Wird langsam anstrengend, dachte ich, und entschied mich, erstmal nicht zu antworten. Dann wieder sie: „Na gut, lass uns an den Strand.“

Die Begrüßung am Strand. Ich: „Hey, schön dich zu sehen, ich hab Bier mitgebracht.“ Sie: „Ernsthaft?“ Ich: „Auf jeden Fall.“ Sie (die Augen verdrehend): „Du willst mich wohl gar nicht kennenlernen.“ Ich: „Wie meinst du?“ Sie: „Na, wie soll das gehen, besoffen?“ Ich: „Wir saufen ja nicht.“ Sie: „Ich trinke nichts. Mir liegt was an der Unterhaltung.“ Ich (die Situation nicht kapierend): „Alles klar, hab’s kapiert.“

Ich fragte, mit wem sie so arbeite. Sie sagte natürlich: „Mit wertvollen Menschen“

Wir gingen ein Stück. Sie erzählte von sich. Sie sei Sozialpädagogin und habe gerade eine richtig stressige Phase, aber positiv stressig, sie sehe nämlich, dass ihre Methoden funktionierten, ziemlich gut sogar. Was das für Methoden seien, fragte ich, und mit wem sie so arbeite. Sie: „Mit wertvollen Menschen.“ Puh. „Natürlich!“, sagte ich und konnte mir einen ironischen Ton nicht mehr verkneifen. „Was soll das denn jetzt?“, fragte sie patzig und blieb stehen. Und ich: „Na ja, dieses WERT-Ding ist schon ein bisschen auffällig.“ „Findest du?“ „Ganz kleines Bisschen.“ 

Wir gingen wortlos weiter, 21, 22, 23, die Sekunden wurden lang. Sie dann: „Was machst du denn?“ „Ich arbeite für Medien.“ „War klar.“ „Was war klar?“ „War klar, dass du so was machst, was mit Medien.“ „Was meinst du mit SO WAS?“ „So was eher…“ Jetzt begriff ich und unterbrach: „So was WERTLOSES?“ „Das hätte ich nicht gesagt.“ „Hast du aber gedacht.“ Wieder Stille. 21, 22, 23. „Du möchtest wirklich kein Bier?“ „Nein.“  Ich wollte nur noch weg. „Vielleicht...“, setzte ich an und nun unterbrach sie mich: „... gehen wir wieder zurück?“ 

Das taten wir, ohne zu streiten, aber auch ohne Ambitionen, noch etwas vom anderen zu erfahren. Nur das wollte ich vorm Tschüßsagen noch wissen: „Warum eigentlich VALUE?“ „Warum nicht?“ Damit hatte sie letztlich doch noch Recht. 

Der Autor des Textes hat darum gebeten, anonym zu bleiben. Er ist der Redaktion aber bekannt.

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