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Horror-Date: Der erbarmungslose Arzt
Dating-Situation: Bier und Burger in einem Restaurant, dann Weiterziehen zu ihm
Geschlecht und Alter des Dates: männlich, 28
Horror-Stufe: 6 von 10
Jan* war der feuchte Traum einer jeden Schwiegermutter, und zugegeben auch meiner: gutaussehend, charmant, gebildet – und Arzt. Konnte man es noch besser treffen? Entsprechend freudig hörte ich ihm in diesem superangesagten Laden bei Geschichten über seine Reisen durch Afrika und den immensen Kokskonsum beim Krankenhauspersonal zu, während ich meinen perfekten Burger mit ein, drei, vier Bier runter spülte. Die Stimmung war ausgelassen: Der gestiegene Alkoholpegel hatte uns zusammenrücken lassen, unsere Hände fanden sich, unsere Münder auch, und ehe wir's uns versahen, lagen wir in seinem Bett. Wobei genau genommen nur er lag – ich saß auf ihm drauf. Zu meinem Erstaunen hielt ich allerdings nicht besonders lange durch, weil sich mein bisher nur latent vorhandener Schwindel immer weiter verstärkte. Klar, ich hatte in den letzten Tagen einen ganz schönen Schlafmangel angehäuft, dazu noch das Bier, da war das kein Wunder. Leichte Übelkeit und Bauchgrummeln kamen auch gleich hinzu – ich hatte es offensichtlich echt übertrieben mit dem Essen, dachte ich.
Erschöpft wollte ich mich neben Jan ins Bett fallen und ihn die ganze Arbeit erledigen lassen, doch im selben Augenblick überkam mich der Brechreiz meines Lebens. Und noch bevor ich auch nur daran denken konnte, zum Klo zu hasten, entlud sich mein gesamter Mageninhalt direkt auf das Kissen neben seinem Kopf. Rosa Sprenkel benetzten seine Haare, sein Gesicht verzerrte sich vor Ekel. Und Wut. „Bist du denn völlig bescheuert?“, schnauzte er, als er mich von sich runter in Richtung Boden schob. „Kommst du auf die paar Bier nicht klar, oder was? In deinem Alter sollte man doch echt mal wissen, wie viel man trinken kann!“
Seine Tirade wollte gar kein Ende mehr nehmen, er war geradezu elektrisiert vom Verlauf dieses Abends und rannte wild schimpfend davon, um sich zu waschen und frische Bettwäsche zu holen. Mein Kreislauf hingegen war völlig hinüber, ich wollte nur noch in Ruhe irgendwo liegen und sterben. Aber man ließ mich nicht. „Denkst du, ich mach deinen Scheiß hier weg? Nee, das machst du bitte schön allein. Ich bin doch nicht deine Nanny.“ Mit diesen Worten haute er den Stapel Wäsche vor meine Nase und schaute, immer noch sichtlich angewidert, zu mir herunter.
Er war Arzt – wie konnte ihm so etwas Menschliches wie ein bisschen Brechen fremd sein?
Ich konnte mir das alles nicht erklären. Um mich zum Kotzen zu bringen, musste schon um einiges mehr passieren als bei dieser gepflegten Verabredung rumgekommen war. Und das letzte Mal war überhaupt schon Jahre her. Trotz meiner Ratlosigkeit war es mir natürlich furchtbar peinlich, offenbar derart wenig Kontrolle über meine Körperflüssigkeiten zu haben. Unter normalen Umständen hätte ich Jan vermutlich für sein absolut unempathisches Verhalten zusammengefaltet. Und überhaupt, er war Arzt. Wie konnte ihm so etwas Menschliches wie ein bisschen Brechen fremd sein? Aber ich war geschwächt und voller Scham, also hievte ich mich in Zeitlupe am Bett hoch, zog das Zeug ab und kroch damit zur Waschmaschine.
Als ich zurückkam, hatte Jan offenbar Mitleid mit mir entwickelt und das Bett neu bezogen. Er reichte mir eine Flasche Wasser. Ich trank gierig. Zu gierig. Augenblicklich schoss es wieder aus mir raus. Diesmal traf es nicht nur das frisch bezogene Bett, sondern auch das Bücherregal direkt daneben. Es troff nur so von den Buchrücken. „Ich glaub's nicht!“, schrie Jan. „Wie besoffen kann man denn sein?“ In diesem Moment war ich endgültig bereit, in die andere Welt hinüberzugehen. Ich sank auf den Boden und sagte nichts mehr. Allenfalls dumpf spürte ich noch, dass er mir irgendetwas überzog und mich zu einem Auto schleifte.
Am nächsten Morgen wachte ich in meinem Bett auf. Rühren konnte ich mich kaum. Aber ich musste, das sagte mein Darm ganz eindeutig. Das Handy sagte auch etwas: Mailboxnachricht von Jan. „Tut mir echt leid wegen gestern Abend. Ich habe das falsch eingeschätzt. Und grade selbst in den Stationsflur gekotzt. Norovirus vermutlich.“ Ich hoffe sehr, er hatte noch lange damit zu kämpfen.
*Name geändert