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Die Fotografin Marie Hyld inszeniert Pärchenfotos mit Tinder-Matches
In ihrem Fotoprojekt „Lifeconstruction“ kritisiert die 24-jährige Fotografin Marie Hyld (@mariehyld) die Oberflächlichkeit der Online-Welt. Dafür traf sich die Dänin mit fremden Menschen, die sie zuvor auf Tinder gematcht hatte. Bei den Treffen hat Marie intime Pärchenfotos mit den Tinder-Matches nachgestellt. Uns erklärt sie, warum.
jetzt: Du hast Leute auf Tinder gematcht und anstatt ihnen ein Date anzubieten, wolltest du Pärchenfotos schießen. Wie haben sie auf deine Anfrage reagiert?
Marie Hyld: Sie waren neugierig. Ich habe viele Leute auf Tinder gematcht und sie alle haben mir gesagt, dass ihnen ihr Leben ein bisschen trivial vorkommt. Sie wollten etwas machen, dass sie aus ihrer Komfortzone kickt. Es gab dieses Verlangen nach einem intimen Ort, sie suchten Intimität. Wir alle suchten Intimität.
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Wie hat es sich angefühlt, diese intimen Fotos zu machen?
Am Anfang jedes Shoots war ich ein nervliches Wrack. Ich kannte diese Menschen nicht und ich wusste nicht, ob ich irgendwelche Grenzen überschreite. Ich wusste nichts über sie. Aber ich musste loslassen und vorgeben, dass alles perfekt ist. Das Ganze entwickelte sich zu einem Rollenspiel. Eine Beziehung, die überhaupt nicht existierte, war perfekt. Es fühlte sich an, als würde ich die Menschen kennen und sie mich. Wir haben uns auch zwischen den Shoots so verhalten.
In den Fotos spielst du die Rolle der Freundin der Tinder-Matches. In dem Foto mit Mr. BDSM trägst du zum Beispiel ein Latex-Outfit. Warum wolltest du das machen?
Ich finde, dass soziale Medien eine Möglichkeit der Flucht aus der Realität und aus der Rolle, die man im Alltag spielt, sind. Das wollte ich ausprobieren.
Am 14. Februar war Valentinstag – an dem Tag posten viele Menschen Fotos von ihren Dates und Beziehungen in sozialen Netzwerken. Was hältst du von diesen Fotos?
Sie zeigen etwas Unrealistisches, eine Auffassung von Romantik, die eine Konstruktion ist. So wie ich es in meiner Fotoserie gezeigt habe. Es ist ein kurzer Moment, den man einfängt und online teilt, um zu zeigen, wie perfekt alles ist. Das ist es aber nicht.
Wie beeinflussen soziale Medien unsere Beziehungen im echten Leben? Menschen glauben, dass alles perfekt sein muss, weil alles um sie herum perfekt zu sein scheint. Sie glauben, sie müssen eine Art „polierte“, optimierte Version von sich selbst sein. Das ist auch die Version, die jeder in sozialen Netzwerken zeigt. Viele junge Menschen lassen sich leicht beeinflussen. Soziale Medien üben viel Druck auf sie aus. Viele von ihnen können nicht zwischen dem realen Leben und dem, was sie online sehen, unterscheiden. Sie vergleichen sich mit dem, was sie im Netz sehen. Das ist nicht gut.
Du kritisierst also die Oberflächlichkeit in sozialen Medien. Aber in deinen Fotos inszenierst du selbst eine Intimität, die nicht da ist. Warum?
Menschen kreieren in sozialen Netzwerken ihre eigene Welt und ich wollte wissen, was es dazu braucht. Dieser Wunsch wurde durch die Distanz hervorgerufen, die soziale Medien zwischen Menschen erzeugen. Ich wollte ironische Intimität schaffen. Ich kannte die Menschen nicht, aber es sieht aus, als würde ich sie schon mein Leben lang kennen. Und bei den Shoots entstand sogar wirklich eine Art von Intimität. Das ist die Message, die ich mit meinen Fotos senden will: Wir müssen diese intimen Momente suchen und uns öfter im echten Leben sehen.
Du hast die Fotoserie „Lifeconstruction“ gerade abgeschlossen. An welchem Projekt arbeitest du jetzt?
Es ist ein Projekt über die Effekte von Medien und Gesellschaft auf Geschlechterrollen: Was ist maskulin, was ist feminin? Ich matche Fremde auf Tinder und arbeite mit ihnen daran, sich selbst herauszufordern, die geraden Linien zwischen männlich und weiblich zu verlassen und andere Rollen zu erkunden.