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Die Angst, beim Trösten zu versagen
In diesem Sommer zerbrachen in meinem Freundeskreis mehrere langjährige Beziehungen. Diese Trennungen waren für die meisten meiner Freunde sehr bedauerlich. Aber eben auch für mich. Für ihre unschuldige Freundin.
Warum? Weil es Pflicht ist, auch in schlechten Zeiten füreinander da zu sein. Nur fühle ich mich mit dieser Aufgabe meistens komplett überfordert. Während für meine Freunde mit einer Trennung ein alter Lebensabschnitt endet, beginnt für mich ein Wettlauf als Trostmaschine, Psychotherapeutin und bedingungslose Schokoladenlieferantin.
Wenn ich nur daran denke, stundenlange Telefonate über den Exfreund zu führen, löst das in mir leider Fluchtreflexe aus. Ich habe zwar großes Interesse daran, dass es meinen emotional malträtierten Freunden schnell wieder besser geht. Nur plagt mich die Versagensangst, ihnen dabei keinen guten Dienst leisten zu können. Ich würde ihnen lieber eine teure Therapiestunde zahlen, als jedes mal meine Hilflosigkeit zu offenbaren, ihren Schmerz zu lindern. Es gibt leider keine klare Gebrauchsanweisung, kein Patentrezept, wie man Freunde emotional unterstützen kann.
Ich erwarte nicht, dass schon am zweiten Tag ein souveräner „Spread the news – alle Verehrer dürfen in der Warteliste einen Platz nachrutschen“–Twitterpost abgesetzt wird. Ich wünschte nur manchmal, meine Freunde würden sich bei mir erst melden, wenn das Schlimmste schon mit Netflix, Schokoladenkoma und hohem Taschentuchverschleiß überstanden ist und man zum nächsten Schritt übergehen kann: „I’m a Survivor“ von Destiny's Child zur Hymne zu erklären, demonstratives Nicht-Liken seiner/ihrer Instagram-Bilder und meinetwegen exzessives Feiern. Da bin ich zuverlässig.
Ratgeber versichern mir zwar, dass es den meisten Menschen nur darum gehe, sich alles von der Seele zu reden und keiner im Gegenzug Weisheiten erwarte. Trotzdem fühle ich mich überfordert, die richtigen Worte zu finden. Platte Phrasen wie „Du wirst die/den Richtige/n schon finden“ bleiben eben nur Phrasen, ein simples „Es tut mir sehr leid“ klingt bei mir ungewollt gekünstelt und ein zuversichtliches „Alles wird gut!“ kann einem nur die Handleserin versichern. Ein bloßes Schweigen wiederum ist zu aufgeladen mit Interpretationsmöglichkeiten und könnte als Vorwurf oder Schlimmeres missverstanden werden.
Bis es zu dramatischen Trennungen kommt, bilde ich mir ein, meine Freunde gut zu kennen. Trennungen können Freunde zu mental sehr gebrechlichen Personen machen. Ich möchte nicht apathisch mit den Achseln zucken, wenn abgeklärte Männer zu labilen Jammerlappen oder graue Mäuschen zu Tinderrambos mutieren. Ich möchte aber auch nicht frustriert werden, wenn ich mich zum Schreiben von Pro-Contra-Listen hinreißen lasse, an deren Ergebnis sich am Schluss sowieso niemand hält. Ich verstehe schon – Emotionen lassen sich eben nicht rational in zwei Tabellen skalieren.
Bleibt mir also wirklich nichts anderes übrig, als mit Pflaster und Verband bereit zu stehen, wenn erneut Herzen bluten? Ich möchte meinen Freunden ungerne kampflos den Status eines Häufchen Elends überlassen, nur – wie kann ich ihnen das Selbstmitleid ausreden?
„Ihr wart ein supersüßes Paar, aber ihr werdet jetzt auch supersüße Singles“
Erst wenn man selbst eine Trennungserfahrung gemacht hat und nun andere in Fettnäpfchen treten sieht, kann man im Ansatz verstehen, was man Frisch-Getrennten in Zukunft mehr vermitteln müsste. Sie sollten nicht bemitleidet werden, sondern das Gefühl bekommen, auch ohne Partner prächtig zu funktionieren. Jemandem zu Tinder - oder Singlepartys zu raten, suggeriert aber das Gegenteil: „Du brauchst schnell wieder eine zweite Hälfte, du bist sonst nicht vollkommen.“ Die ideale Reaktion wäre vielleicht: „Ihr wart ein supersüßes Paar, aber ihr werdet jetzt auch supersüße Singles.“
Je schneller meine Freunde diesen Leitsatz verinnerlichen, desto schneller hat man die Trost-Pflicht erfüllt. Und das Leben kann wieder weitergehen.