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„Ich will ja Schluss machen, aber…“

Illustration: Julia Schubert

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Als ich neulich kurz vor der Abgabe einer Seminararbeit mal wieder so vor mich hin prokrastinierte, sinnierte ich über die Liebe. Also genauer gesagt über ihre Abwesenheit und über schlechte Beziehungen. Darüber, warum so furchtbar viele Menschen lieber in ihrem Unglück verharren als sich endlich von ihrem/r ach so schrecklichen Partner/in zu lösen.

Denn obwohl sie immer wieder (gerne auch ungefragt) ausführlich über ihre Beziehungen klagen, findet sich trotzdem jedes Mal wieder ein Grund, doch noch zusammen zu bleiben. Anstatt meine Seminararbeit zu schreiben, habe ich diese Gründe gesammelt:

1. Der gute Sex: „Also auch wenn’s sonst nicht so richtig passt zwischen uns, im Bett läuft’s verdammt gut!“ 

Ja, endlich weiß er/sie genau, worauf man beim Sex wirklich steht. Hat auch lange genug gedauert. Und jetzt noch einmal mit jemand anderes wieder von vorn anfangen, möglicherweise gar erst mal miesen Sex haben? Nee, viiiiiel zu riskant, viel zu anstrengend. Dabei hat man den wirklich besten Sex doch immer noch mit sich selbst. Selbstbefriedigung hat außerdem den großen Vorzug, dass man zu jeder Tages- und Nachtzeit Hand anlegen kann – oder auch nicht. Und falls man dann doch wieder Lust auf Spaß zu zweit hat und erst mal ein paar bescheidenere Erfahrungen sammeln muss: Ja mein Gott, hat man mit dem/der besten Freund/in am Abend bei einer guten Flasche Wein auch mal wieder was zu lachen.

2. Feiertage: „Er/Sie hat nächste Woche Geburtstag. Das kann ich echt nicht bringen!“

Welches Geschenk könnte auch reizender sein als vorgegaukelte Gefühle. Und weil sich „Geburtstag“ hier beliebig austauschen lässt durch andere Feiertage, macht man sich selbst und dem anderen fast das ganze Jahr über etwas vor. Eigentlich gibt’s doch aber kaum etwas entspannteres als an Feiertagen Single zu sein. Man nehme zum Beispiel Weihnachten. Da fällt zum einen die entsetzliche Suche nach dem richtigen Geschenk für den/die Freund/in weg (plus die Enttäuschung über die verhaltene Reaktion darüber). Dann kann man sich an allen drei Tagen mal ordentlich die Wampe vollschlagen, ohne sich für seinen massiven Blähbauch schämen zu müssen. Und, mein Lieblingsargument: Man muss sich nicht für seine Familienmitglieder schämen – und darf auch mal beherzt selbst über die zotigen Witze seines Onkels lachen, ohne Sorge tragen zu müssen, dass (auch) der/die Liebste am eigenen Intellekt zweifelt. 

3. Der gemeinsame Urlaub: „Wir haben keine Reiserücktrittsversicherung und das wäre zu teuer“ 

Niemand verschenkt gerne Geld, okay. Aber niemand fährt auch gerne mit dem/der Ex in Urlaub. Also gibt es eigentlich nur eine Möglichkeit: alleine fahren. Das klingt erst mal weniger spaßig als es ist. Im Flugzeug auf den leeren Platz neben sich schauen, im Hotelzimmer den leeren Platz des King-Size-Bettes tätscheln – stets in Gedanken an die Zeit, als alles noch so toll war in der Beziehung, man den Urlaub voller Vorfreude überhaupt erst gebucht hat. 

So kann man das natürlich sehen. So muss es aber nicht sein. Denn alleine in den Urlaub zu fahren, das bedeutet vor allem Freiheit. Nur die Dinge zu tun, auf die man wirklich richtig Bock hat, Zeit für sich selbst zu haben, sich intensiv mit dem fremden Land und ihrer Kultur auseinanderzusetzen. Das kann man zum Beispiel auch wunderbar, indem man abends feiern geht, eine/n Einheimische/n in kennenlernt und mit auf sein Zimmer nimmt. Dann ist das Bett auch nicht mehr ganz so leer. 

4. Der gemeinsame Freundeskreis: „Wenn ich jetzt mit ihm/ihr Schluss mache, bin ich das Arschloch!“ 

Ok ja. Ist vielleicht scheiße; zukünftige Treffen werden voraussichtlich ziemlich unangenehm sein, vor allem mit neuem/r Freund/in. Aber ist nun mal so. Richtige Freunde entscheiden sich im Normalfall auch nicht für „eine Seite“ – es sei denn, man hat richtig Scheiße gebaut. Da muss man dann halt durch. „Scheiße bauen“ beinhaltet übrigens auch, mit jemandem zusammenzubleiben, obwohl man eigentlich keinen Bock mehr drauf hat. Nennt man auch lügen.

5. Die gemeinsame Wohnung: „So eine wie die find ich so schnell nicht wieder“

 Außerdem ist man ja bald mit dem Studium fertig und will dann sowieso in eine andere Stadt ziehen. Den Stress mit der Hausratsaufteilung („Wer hat eigentlich nochmal das Netflix-Konto erstellt?“) will man sich gerade auch nicht so wirklich geben. Das Argument mag für manche Städte (Ach München) vielleicht noch ziehen, ansonsten aber ziemlich lausig. Damit macht man es sich nicht nur zu einfach und bequem – man spielt ganz (un)bewusst ohnehin nur um Zeit. Übrigens wird man sich in der Retrospektive mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit an den Kopf greifen und wünschen, man „wäre doch nur früher ausgezogen“. Überhaupt grenzt das Ganze schon fast an Masochismus: Sich mit jemandem eine Wohnung (und damit das halbe Leben) zu teilen, den man nicht mehr liebt, verdirbt zwangsläufig die Laune. Früher oder später (früher) wird die passiv-aggressive Stimmung nicht mehr aufzuhalten sein. Und dann wird man so viel Zeit wie möglich woanders verbringen wollen: auf der Arbeit, bei Freunden, vielleicht sogar wieder bei Mama und Papa. Hätte man auch gleich ausziehen können. 

6. Das gemeinsame Haustier: „Und wer bekommt den Hund?“ 

Eine Frage, die auch gerne mal im Gerichtssaal verhandelt wird. Deswegen sorgen in Großbritannien und den USA immer mehr Paare eifrig für den Fall der Fälle vor: Sogenannte „Pet-Nups“ (abgeleitet von „Pre-Nup“ für Ehevertrag) werden dort immer beliebter. Sie sollen klären, wer das geliebte Haustier bei einer Trennung behalten darf. Doch auch wenn es wirklich extrem schwerfallen mag, dem/der Ex den Hund oder die Katze zu überlassen, es hat auch jede Menge Vorteile: Ohne Haustier findet man schneller eine Wohnung, man kann öfter (alleine) in Urlaub fahren, ohne sich vorher um einen Sitter kümmern zu müssen – und man spart vor allem Geld. Im Umkehrschluss: Mehr Spielraum bei der Einrichtung der neuen Wohnung/des neuen Zimmers. 

7. Die lieben Schwiegereltern: „Seine/Ihre Eltern sind einfach so süß, die behandeln mich wie ihr eigenes Kind“

Prinzipiell ja schön und gut, ein entspanntes Verhältnis zu den Schwiegereltern zu haben. Aber wer seine Zeit lieber mit ihnen verbringt als mit deren Kind, sollte vielleicht doch noch einmal darüber nachdenken, mit wem er da eigentlich eine Beziehung führt. Außerdem hat man im besten Fall ja auch noch eigene Eltern, die es gut mit einem meinen. Und die freuen sich bestimmt auch, wenn sie öfter mal besucht werden. 

8. Die anstehende Hochzeit: „Wir sehen die Ehe als eine Art Projekt an, unsere Liebe zu retten!“

Leider schon mehrfach gehört. Tatsächlich wurden alle Hochzeiten gefeiert. Und in wirklich allen Fällen spätestens 18 Monate später die Scheidung eingereicht. 

Dieser Text rüttelte Leute erstmals am 12.05.2019  auf – und wurde am 20.8.2020 nochmals aktualisiert.

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